Würfelwelt 615

Schwanensee 7
gefunden bei www.internet-maerchen.de

Version Kamil Bednár
(Würfelweltmäßig bearbeitet von Uwe Vitz)
Bund von Torn
Vor 200 Jahren

Und warum nicht das ganze?" kicherte jemand hinter seinem Rücken. "Die zweite Hälfte ist wahrscheinlich schon im Irrenhaus, was?"
Das war natürlich der Hofnarr, der war mit seinen albernen Späßen und Spötteleien immer zur Stelle, wo etwas los war. "Möge sich der Herr Prinz doch selbst überzeugen", meinte der Hofmeister, wobei er den Narren mit einem zornigen Blick streifte. "Nein, nein, unser Prinz ist gar nicht neugierig auf ein Irrenhaus", gluckste der Narr und klingelte mit seinen Schellen, "wenn's bei dem rappelt, dann
nur im Wald!"
"Mäßige dich", wies ihn die Königin scharf zurecht. Und sie machte ein finsteres Gesicht.
"Es geht um ernstere Dinge, als du denkst."
"Als ich denke, Leutchen?" rief der Narr so laut, dass ihn alle hörten.
"Würde ich denken, dann dächte ich mir aus, dass alle rostfarbigen Bärte gereinigt werden müssen wie rostige Messer. Dort drüben zum Beispiel gäbe es gleich etwas zu tun."
Und er zeigte zum Eingang hin.
Alle Anwesenden wandten ihre Blicke zur Tür, durch die der unverhoffte Besuch trat. Es war ein
stattlicher, von Gold strotzender Edelmann mit einem Stern auf dem Mantel. Er hatte einen rostfarbenen Bart, und seine schwarzen Augen funkelten ganz sonderbar.
Und neben ihm schritt ein unglaublich schlankes, bezaubernd schönes Mädchen, ganz in Schwarz, mit
einem die Augen blendenden Diamantenhalsband.
Der Zeremonienmeister kündigte die neuen Gäste an: "Baron Rotenbart mit Tochter."
Der Prinz wandte ihnen gleichgültig den Blick zu, doch da stockte ihm der Atem.
Die schwarze Schöne war Odette!
Die neuen Gäste standen vor dem Thron der Königin.
"Baron Rotenbart aus den ariganischen Reichen, hat die Ehre, sich vor Eurer Majestät zu verneigen", und der Baron verneigte sich tief vor der Königin.
Dann richtete er sich stolz auf und zeigte auf die schwarze Schöne "Meine einzige Tochter, Königin, gerade gestern hat sie ihr sechzehntes Lebensjahr erreicht."
"Wie mein Sohn sein achtzehntes", lächelte die Königin. "Vielleicht ist dies
ein gutes Omen. Nun, mein Sohn, bitte unsere teure Schöne zum Tanz. Diesmal muss ich dich, wie es scheint, nicht drängen. "
Das musste sie nicht. Der Prinz tanzte mit der schwarzen Schönen und vergaß die ganze Welt.
Er fühlte sich wieder so glücklich wie gestern im Walde.
Er bemerkte gar nicht, dass alle sie mit Bewunderung anschauten und im Kreis stehenblieben, um das schöne Paar zu sehen.
So manche Blicke flammten neiderfüllt, und wäre es möglich gewesen, gewiss hätten sie sich in glühende, dem tanzenden Paar unter die Schuhe geschleuderte Ruten verwandelt.
Baron Rotenbart strich sich zufrieden seinen rostfarbigen Bart und konnte ein schadenfrohes Lächeln nicht unterdrücken.
Von neuem verneigte er sich vor der Königin:
"Ich bin glücklich, Eure Hoheit, dass meine Tochter den Prinzen gefesselt hat."
Die Königin wandte den Blick nicht vom Prinzen und seiner Tänzerin.
Sie bemerkte nur:
"Sie kreisen im Saal wie ein Schwanenpaar über die glatte Spiegelfläche eines Sees... Ein weißer und eine schwarze... ein Schwanenkönig und eine Schwanenkönigin... Aber was spreche ich da? Nun ziehe auch ich schon die Schwäne hier mit hinein wie mein Sohn..."
"Wozu waren die Schwäne sonst da", verneigte sich der Baron abermals, "als dazu, uns als Gleichnis zu dienen? Welch eine Ehre für mich und meine Tochter, Hoheit."
Und wie er sich so verneigte, schien es, als seien alle Spiegelscheiben im Saal, die seinen Bart widerspiegelten, plötzlich verrostet.
"Sie wird nach mir Königin werden", flüsterte die Königin zu sich selbst, doch der Baron hatte es gut vernommen.
Dafür sah aber die Königin nicht, welch ein arglistiges Flämmchen in seinen kohlschwarzen Augen aufflackerte.
Der Prinz tanzte, und er fühlte sich so zufrieden, wie noch niemals zuvor.
"Odette", flüsterte er seiner Tänzerin zu, in der Annahme, dass es wirklich jene
sei, mit der er gestern im Walde gesprochen hatte, "ich bin so froh, dass du gekommen bist!"
"Ich heiße Odile", berichtigte ihn die schwarze Schöne.
"Wirklich?" stutzte der Prinz.
"Und ich dachte gestern, du hättest Odette gesagt."
"Gestern ist nicht heute, Prinz",
lächelte Odile.
"Gestern warst du ein weißer Schwan", fuhr er fort, während sie sich bei den Klängen der Musik im Tanze drehten, "und heute bist du ein schwarzer Schwan", beendete Odile den Satz.
Mit keinem Wort und keiner Miene bestätigte sie, dass sie einander schon gestern gesehen hätten.
Und der Prinz ahnte nichts Böses.
Ihm war, als hätte er sein gestriges Erlebnis im Walde nur geträumt und er sähe Odette-Odile in diesem Augenblick zum ersten Mal.
"Sage mir, Odile, haben wir uns gestern gesehen?" fragte er, um sich dessen zu vergewissern.
"Heute sehen wir uns zum ersten Mal“, sagte die schwarze Schöne und sah ihm so merkwürdig in die Augen, dass den Prinzen ein Schauer überlief
"Dann warst du gestern nur ein Traum, der mir heute in Erfüllung gegangen ist“, lächelte der Prinz.

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