Würfelwelt 613

Schwanensee 5
gefunden bei www.internet-maerchen.de

Version Kamil Bednár
(Würfelweltmäßig bearbeitet von Uwe Vitz)
Bund von Torn
Vor 200 Jahren

Seine Gefährten bemühten sich, ihn durch Scherze auf andere Gedanken zu bringen.
"Dein Pfeil ist also unabgeschossen geblieben, Prinz", versuchte Benno zu spaßen.
"Ich habe nach der Schwanenkönigin geschossen, doch der Pfeil ist zurückgeschnellt und hat mein Herz getroffen", erwiderte der Prinz versonnen.
"Die Königin ist gewiss besorgt", bemerkte der alte Schütze, als sie am Rande des Waldes die Pferde bestiegen. In der Ferne leuchteten die Fenster der Burg wie kleine Glühwürmchen. Der Prinz schien wieder ganz vernünftig zu sein. Jedenfalls antwortete er ganz vernünftig:
"Bald wird die Mutter nicht mehr in Sorge sein, wenn sie meine Braut sehen wird."
Alle sahen einander schweigend an, als wollten sie sagen: "Was meint der Prinz damit?"
Doch sie sagten nichts. Sie jagten auf ihren Pferden der Burg entgegen. Und im Geiste sahen sie noch immer die schöne, weiße, sich in die Lüfte schwingende Schwanenkönigin mit der goldenen Krone. Am anderen Tag gegen Abend, als sich alles auf der Burg zu dem großen Fest rüstete, sahen die Leute aus dem Dorf einen großen weißen Schwan einige Male über der Burg kreisen. Niemand erkannte aus dieser Entfernung, dass der Schwan eine goldene Krone auf dem Kopf hatte. Auf der Burg bemerkte den Schwan allein der Hofnarr, aber der behielt es für sich. Er wusste bereits, was gestern im Steinernen Hain vor sich gegangen war. Die übrigen Burgbewohner waren mit den Vorbereitungen zum Fest voll beschäftigt. Schon viele hohe Gäste waren eingetroffen, auf dem Burghof standen so viele Kutschen, dass sie kaum zu zählen waren, und die Diener hatten alle Hände voll zu tun, um die Räder von Staub und Schmutz zu reinigen. Der Hofnarr ging in diesem Durcheinander umher, und wie er so im Gehen immer wieder den Kopf schüttelte, klingelten und bimmelten die Schellen an seiner Narrenkappe. Er lächelte und sah sich fortwährend nach allen Seiten um, als suche er jemanden unter den Gästen. Mit niemandem ließ er sich in ein Gespräch ein, doch als er den Erzieher des Prinzen traf, erlaubte er sich ein Späßchen: "Herr Bruerd, wissen Sie eigentlich, dass Sie den Prinzen nicht mehr südländisch lehren werden?"
"Ach, was Sie nicht sagen?" schüttelte der Lehrer verwundert den Kopf.
"Er lernt jetzt eine andere Sprache", fuhr der Hofnarr mit ernster Miene fort.
"Ach, gehn Sie! Und welche?" staunte der Lehrer.
"Die Schwanensprache! Jawohl, die Schwanensprache lernt er!" sagte der Narr und ließ seine Schellen klingeln.
"Und die ist für Sie zu kalt und zu nass, mein Herr!"
Und er überließ den verdutzten, bedenklich den Kopf wiegenden Lehrer seinen trüben Gedanken. In dem festlich geschmückten Saal mit den langen gedeckten Tischen machte sich der Narr an den Herrn Hofmeister, den Freiherrn von Papanow, heran und zischelte ihm ins Gesicht:
"Wisst Ihr überhaupt, Herr Hofmeister, dass es im Steinernen Hain heute nacht nicht spuken wird?"
Der Hofmeister zog mit wichtiger Miene die Augenbrauen hoch und wartete, was da noch weiter kommen würde.
"Der Wind wird die Gespenster hierherauf pusten, auf die Burg, wisst Ihr?"
"Du hast wohl wieder was geträumt?" meinte der Hofmeister verdrossen.
"Nur träumte heute von einem rostfarbenen Bart", teilte ihm der Narr geheimnisvoll mit, "passt also auf damit Euch hier nicht zufällig die Bestecke verrosten, Herr Hofmeister!
" "Und mir scheint, dir spukt's im Hirnkasten!" ärgerte sich der Hofmeister.
"Niemand kann dafür, wenn er einen rostfarbenen Bart hat, ebenso wie niemand dafür kann, wenn er einen schwarzen hat."
'Da könnt nur Ihr dafür, Herr Hofmeister!" kicherte der Narr.
"Wieso?" fragte der Hofmeister von oben herab, um zu zeigen, dass er derartige Vertraulichkeiten nicht liebte.
"Weil Ihr hier zum mindesten drei Dutzend Barbiere hättet postieren sollen, damit sie jedem den Bart abrasieren", lachte ihm der Narr ins Gesicht.
"Dann würde man nicht erkennen, wer schwarzbärtig oder - der Himmel verhüte! - rotbärtig ist!"
"Scher dich zum Kuckuck, du Esel!" schimpfte der Hofmeister und holte aus. Der Possenreißer konnte gerade noch seinem Hieb ausweichen, aber ehe er die Flucht ergriff rief er dem Hofmeister noch zu: "Und wenn Ihr beim Tanz zufällig hinfallen solltet, dann fallt nach hinten, Herr Hofmeister, damit Ihr Euch nicht den ehrenwerten Hofmeisterwanst eindrückt. Ihr hättet keinen Appetit mehr, und die Fasanen würden sich zu sehr vermehren. "
Nun, er war ein Hofnarr, und Hofnarren durften sich schon immer die ungezogensten Scherze erlauben. Aber in ihrem Geschwätz war immer ein Körnchen Wahrheit. Dann wurde der Narr noch gesehen, wie er einen alten Ritterharnisch beschaute, der in der Ecke einer Kemenate stand. Er flüsterte ihm sogar etwas zu, als ob der Harnisch Ohren hätte:
"Hör mal, du Harnisch, halte dich heute in Bereitschaft. Wenn hier irgendein Spektakel losbrechen sollte, so werde ich mich in dir verstecken."
Doch der Harnisch antwortete nicht. Er klappte nicht einmal mit dem Visier. Er rasselte auch nicht einmal. Und der Hofnarr schlenderte weiter von einer Kemenate in die andere, und fortwährend schien er unter den Gästen jemanden zu suchen.

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