Würfelwelt 52
Die Löwenfrau und die beiden Hyänenmänner
" Die Löwenmenschen leben in Nordwesten des Reiches Munukutu.
Der Gehörnte Kaiser läßt sie die Grenze nach Okoa, dem Reich der Sklavenhändler, bewachen.
Nur die Löwenmenschen können die grausamen Okoner so abschrecken,
dass sie keine Raubzüge in das Reich von Munukutu wagen.
Nun leben auch viele ganz normale menschliche Stämme dort, welche den Löwen als ihr Totem verehren
und die Löwenmenschen als Priester ansehen.
So hielten es auch die Bewohner des Dorfes Rwan,
in welchen die Häuptlingstochter Nyaro lebte.
Sie wanderte gern in den Wäldern umher,
sie fürchtete die wilden Tiere nicht und war eine Jägerin,
welche mit Speer und Bogen geschickt umzugehen wusste.
Eines Tages hörte Nyaro von einer Kreatur,
die in einer finsteren Höhle hauste und ein schrecklicher Menschenfresser sein sollte.
Furchtlos machte sie sich auf die Suche nach der Bestie, um sie zu erlegen.
Als sie jedoch die dunkle Höhle betrat und mit einem Pfeil auf die Kreatur zielte, sprach diese:
` Wenn mich dein Pfeil trifft, werde ich dich in Stücke reißen. ´
Da das Wesen noch scheinbar friedlich in einer Ecke der Höhle hockte,
zögerte Nyaro. Solch ein Geschöpf hatte sie noch nie gesehen.
Das Ungeheuer hatte etwas, von einem Löwen, einem Leoparden, einer Hyäne und noch
vieler anderer Tiere, ja sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Menschen, konnte sie erkennen
und doch war es in Wahrheit etwas anderes.
` Willst du in Zukunft unser Dorf meiden? ´ , fragte Nyaro.
` Ich will euer Dorf in Zukunft meiden, wenn du mir etwas von dir gibt’s. ´ sagte die Kreatur.
` Was willst du? ´
` Ein Stück Haut, ein Fingernagel oder ein Haar,
es ist egal, aber es muss von dir sein und du musst dafür etwas von mir nehmen. ´
` So soll es sein. ´sagte Nyaro
und gab dem Wesen ein Haar,
das Geschöpf gab ihr eine Kalebasse,
mit einer seltsamen Flüssigkeit und befahl ihr davon zu trinken.
Nachdem sie einen kleinen Schluck getrunken hatte, sprach das Ungeheuer:
` Gut, jetzt bin ich wieder ein bisschen menschlicher geworden,
während du einen kleinen Teil deiner Menschlichkeit verloren hast. ´
` Was bedeutet das für mich? ´
` Das hängt von deiner Veranlagung, tief in dir ab. Du wirst es früh genug erfahren, jetzt geh. ´
Nyaro machte sich nachdenklich auf den Heimweg.
Als sie die Rinder ihres Vaters, mit einigen fetten Kälbern sah,
überkam sie ein seltsames Gefühl.
Sie schüttelte sich und plötzlich, wuchsen ihr am ganzen Körper gelbbraune Haare
und ein Schwanz mit einer Quaste und lange Eckzähne, in einem kräftigen Maul.
Sie war eine Löwin geworden.
Sofort sprang sie auf die Kälber und verschlang sie.
Nachdem sie satt war, verwandelte sie sich wieder in Menschengestalt.
Kaum jemand konnte über das Geschehene erschrockener sein, als Nyaro.
Aber was sollte sie jetzt machen?
Sie wagte es nicht, daheim zu erzählen, was mit ihr geschehen war.
Außerdem fürchtete sie, dass die Löwenmenschen davon erfuhren.
Dann würde ihr ganzer Stamm in großer Gefahr sein, denn die Löwenmenschen bewachen eifersüchtig
ihr Revier und dulden keine Konkurrenz.
Nur widerwillig beugen sie sich dem Gehörnten Kaiser.
Aber Löwenmenschen, die nicht zu ihrer Sippe gehören, vernichten sie gnadenlos.
Um die Rinder ihres Vaters in Zukunft zu schonen, machte Nyaro immer weitere Ausflüge in die Wälder.
Wenn der Hunger sie überfiel,
verwandelte Nyaro sich sofort in eine Löwin.
Verzweifelt versuchte Nyaro diesen Trieb unter Kontrolle zu halten.
Sie lief sogar einmal zurück zu der Höhle des Wesens und flehte
die Kreatur an, ihr die Löwennatur wieder zu nehmen.
Aber das Ungeheuer antwortete:
` Was ich einmal gegeben habe, bleibt dein, was ich einmal genommen habe, bleibt mein. ´
So musste Nyaro von nun an als Halblöwin leben.
Ihr älterer Bruder, der für die Rinder seines Vaters verantwortlich war,
beobachtete sie zuerst misstrauisch
und dann voller Mitleid; denn er kannte natürlich
die Anzeichen, die einen Löwenmenschen verraten.
Sofort als er die Überreste der Kälber gefunden hatte,
schöpfte er schon den Verdacht.
Später bemerkte er, wie die Rinder vor seiner Schwester ängstlich zurück wichen.
Dann machte sie immer häufiger längere Ausflüge in die Wälder.
Als er ihr einmal folgte, entdeckte er,
wie ihre Spuren zu denen einer Löwin wurden.
Von da an wusste er Bescheid.
Inzwischen besuchte ein junger Häuptling das Dorf und
beschloss Nyaro zu heiraten, da ihr Vater damit einverstanden war,
wurde sie verheiratet.
Ihr Bruder sprach zu Nyaro, ehe sie mit ihren Mann fort zog:
` Liebe deinen Ehemann, aber verrate ihm niemals dein Geheimnis. ´
Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis man in dem anderen Dorf über
die neue Frau des jungen Häuptlings Vigala zu reden begann.
Zu viele Dinge geschahen, die den Verdacht der aufmerksamen Alten im Dorf erregen mussten.
Eine Löwin wurde sehr häufig in der Nähe des Dorfes gesehen, aber es war kein Löwenrudel in der Nähe.
Immer wenn man die Löwin sah, war Nyaro verschwunden.
Die Löwin fiel jedoch nie die Dorfbewohner oder ihre Rinder an,
sondern suchte sich stets Beute im Wald.
Weshalb hielt sie sich dennoch so oft in der Nähe des Dorfes auf?
Den letzten Hinweis erhielten die Alten, als die seltsame Löwin einen Leoparden tötete,
der mehrfach Rinder der Dorfbewohner gerissen hatte.
So verhielt sich keine normale Löwin, aber vielleicht eine Halblöwin.
Da der Häuptling mit seiner neuen Frau glücklich war, schwiegen die klugen Alten.
Aber natürlich waren nicht alle Alten klug.
So kam es, dass als Nyaro eine Tochter bekam, die Diener flüsterten:
` Zum Glück ist es ein Menschenkind ohne Klauen und Zähne. ´
Der Häuptling hörte diese unbedachten Worte,
nahm seinen Speer und ging zu seiner Frau,
von der er verlangte, dass sie ihn dieses Geheimnis erkläre.
Als sie sich weigerte, geriet Vigala so in Wut, dass er seinen Speer nach ihr warf.
Nyaro wich dem Speer zwar mit einem geschickten Seitensprung aus,
wurde aber unglücklicherweise an der Seite gestreift.
Der Anblick ihres eigenen Blutes verwandelte Nyaro sofort in eine Löwin.
Die furchtbare Löwenwut packte sie.
Mit einem einzigen Schlag ihrer Vorderpfote brach sie ihrem Mann den Hals,
dann verschlag sie ihn und nahm wieder Menschengestalt an.
Als gute Hausfrau säuberte sie zuerst einmal den Fußboden von dem Blut,
dann nahm sie ihre Tochter, der sie den Namen Nyarvi gab und verließ das Dorf.
Kurz zuvor waren zwei junge Männer aus dem Dorf des Großen Baumes
zu dem Wesen in der Höhle gekommen.
` Großer Meister, wir haben viel von dir gehört und sind weit gewandert, um dich um Hilfe zu bitten. ´
` Sprecht eure Bitte schnell aus, ehe ich Lust bekomme, euch zu fressen. ´ sprach das Ungeheuer.
` O großer Meister, wir haben immer Hunger, hilf uns, damit wir bessere Jäger und stärkere Krieger werden. ´
` Diesen Wunsch will ich euch gerne erfüllen. ´ rief die Kreatur
`Gebt mir nur jeder ein Haar und trinkt von dieser Flüssigkeit. ´
Die beiden jungen Männer gaben dem Wesen je ein Haar und erhielten dafür eine Kalebasse,
mit einer seltsamen Flüssigkeit.
Sofort trank jeder der beiden einen kräftigen Schluck.
Nun verwandelten sie sich in Hyänen, sie heulten wild auf.
` Heult nur meine kleinen Bestien. ´ sprach das Ungeheuer sanft.
` Menschlichkeit ist auf dieser Ebene leicht zu kaufen,
wenn man dafür mit Unmenschlichkeit bezahlt.
Jetzt macht euch auf, denn die Zeit für eure Jagd ist gekommen!´
Und die Jagd der beiden Hyänenmänner begann.
Sie liefen los und fanden einen Schafhirten,
der bei seiner Herde schlief.
Der alte Mann wurde roh verschlungen.
Dann nahmen sie wieder Menschengestalt an,
ergriffen das fetteste Schaf und brieten es über einem Feuer.
In der nächsten Nacht kehrten sie in das Dorf des Großen Baumes zurück
und töteten zwei Kinder.
Weil sie immer noch hungrig waren, sprangen die beiden Hyänenmänner
über einen Zaun und packten zwei Schafe, die sie mit in den Busch nahmen,
wo sie sich tagsüber in einer Höhle verbargen.
Während sie die Schafe verschlangen, sangen sie ein schreckliches Lied:
` Wir sind stark, wir können machen was wir wollen,
alle sollen Blut uns zollen.
Wir fressen alle Männer, denn wir können machen was wir wollen,
alle sollen Blut uns zollen.
Wir fressen alle Frauen, denn wir können machen was wir wollen,
alle sollen Blut uns zollen.
Wir fressen alle Kinder, denn wir können machen was wir wollen,
alle sollen Blut uns zollen.
Wir fressen alle Rinder, denn wir können machen was wir wollen,
alle sollen Blut uns zollen.
Wir fressen alle Schafe, denn wir können machen was wir wollen,
alle sollen Blut uns zollen.
Wir fressen den Gehörnten Kaiser, denn wir können machen was wir wollen,
alle sollen Blut uns zollen.
Wir fressen Ra, denn wir können machen was wir wollen,
alle sollen Blut uns zollen.
Wir fressen auch sein Weib Nub, denn wir können machen was wir wollen,
alle sollen Blut uns zollen.
Wir fressen die ganze Welt, denn wir können machen, was wir wollen,
alle sollen Blut uns zollen. ´
Als es Nacht wurde schlich sich ein Hyänenmann in sein Elternhaus
und tötete seine Mutter, um sie zu fressen.
Sein Freund sprang über die Umzäunung des Häuptlingshauses
und drang dort gewaltsam ein.
Dieser Hyänenmann vergewaltigte die Frau des Häuptlings noch schnell,
ehe er sie verschlang.
Am nächsten Morgen wanderte Nyaro,
mit ihrer kleinen Tochter an dem Dorf des Großen Baumes vorbei
und sah, dass sich dort eine große Anzahl von Kriegern versammelt hatte.
Der Häuptling hielt eine lange Ansprache, dass die beiden Hyänenmänner getötet werden müssten.
` Das wollen wir alle. ´, sprach ein alter Krieger.
` Aber sie sind schlaue Zauberer und nachts haben wir keine Chance sie zu erlegen, tagsüber zeigen sie sich nicht. ´
` Wir müssen die Hyänenmänner in eine Falle locken. ´, sagte der Medizinmann.
` Eine Frau muss als Lockvogel vor dem Dorf auf die beiden Hyänenmänner warten.
Wenn die beiden Bestien sie anfallen, treffen wir sie mit unseren Pfeilen. ´
` Ach, dass habe ich schon einmal erlebt. Meistens wird die Frau dabei verschlungen und die Hyänenmänner entkommen.´ berichtete ein alter Krieger.
` Welche Frau meldet sich freiwillig um unser Dorf zu retten? ´ fragte der Häuptling.
Aber keine der Frauen aus dem Dorf mochte sich melden.
Da drängte sich Nyaro durch die Menge und rief:
` Ich will es tun, wenn ihr in dieser Nacht mein Kind hütet. ´
Das Angebot wurde mit großen Jubel angenommen
und der Häuptling selbst versprach der jungen Mutter,
dass man ihr für diese Tat ewig im Dorf des Großen Baumes dankbar sein würde.
So wartete Nyaro in dieser Nacht alleine draußen vor dem Dorf.
Wenn die Hyänenmänner sich heranschlichen,
sollte sie den Ruf der Eule nachmachen.
Hinter dem Zaun der das Dorf umschloss,
warteten schon die Bogenschützen.
Nyaro jedoch legte sich ein nahes Gebüsch und tat so als würde sie schlafen.
In der Nacht hörte sie ein wildes Heulen und als sie die Augen öffnete,
sah sie, wie die beiden Hyänenmänner aus dem Busch neben ihr sprangen.
` Wir sehen die Falle, aber wir sind zu schnell für euch Beutemenschen,
wir töten dich und entkommen, ehe die Bogenschützen uns entdecken können. ´
` Heute Nacht werdet ihr mich nicht töten. ´ sagte Nyaro lächelnd
und verwandelte sich in eine Löwin.
Blitzschnell sprang sie einen der beiden Hyänenmänner an und tötete ihm mit einem kräftigen Biß ins Genick.
Danach verschlang sie ihr Opfer.
Der zweite Hyänenmann lief so schnell davon, dass sie ihn nicht mehr einholen konnte.
Im Dorf des Großen Baumes wurde er nie wieder gesehen.
Nyaro verwandelte sich wieder in eine Menschenfrau.
Sogleich rief sie nach den Bogenschützen und die Männer stürmten aus dem Dorf
und ein wahrer Pfeilhagel flog in den Busch, wo Nyaro hindeutete.
Die junge Frau berichtete ihnen, ihre Pfeile hätten einen der beiden Hyänenmänner getroffen
und schwer verletzt.
Beide wären zusammen geflohen,
sie glaube aber nicht,
dass die beiden sich noch einmal im Dorf des Großen Baumes blicken ließen.
Die Dorfbewohner sahen, das Blut vergossen worden war.
Sie zweifelten zwar daran, dass sie beiden Hyänenmänner los waren,
dankten Nyaro jedoch trotzdem. So wanderte sie am nächsten Tag mit ihrer kleinen Tochter in ihr Heimatdorf,
wo sie von ihren Vater freundlich aufgenommen wurde. "
" Was Nyaro weiter erlebte,
werde ich vielleicht bei meinem nächsten Besuch in Munukutu erfahren.
Was aus dem entkommenen Hyänenmann wurde?
Heulte da nicht eine Hyäne, ganz in der Nähe?
Wer weiß?
Nun Freunde, wer hat einen Schlafplatz für einen ehrlichen Erzähler, für eine Nacht?
Womit ich bezahle?
Natürlich mit einer Erzählung.
Ah, du hast noch Platz in deiner Hütte?
Schön, ach dafür möchtest du gerne eine Geschichte hören,
die auf dem Kontinent Sahuria spielt?
Oh, oh, du verlangst ja ganz schön viel.
Eine Erzählung von einem anderen Kontinent.
Solche Erzählungen sind für uns Erzähler kostbare Schätze,
die man nicht so einfach verschenkt.
Gib also noch eine Kalebasse mit Palmwein dazu, dann hätte ich da eine Erzählung, die auch in Sahuria spielt. "
" Die Löwenmenschen leben in Nordwesten des Reiches Munukutu.
Der Gehörnte Kaiser läßt sie die Grenze nach Okoa, dem Reich der Sklavenhändler, bewachen.
Nur die Löwenmenschen können die grausamen Okoner so abschrecken,
dass sie keine Raubzüge in das Reich von Munukutu wagen.
Nun leben auch viele ganz normale menschliche Stämme dort, welche den Löwen als ihr Totem verehren
und die Löwenmenschen als Priester ansehen.
So hielten es auch die Bewohner des Dorfes Rwan,
in welchen die Häuptlingstochter Nyaro lebte.
Sie wanderte gern in den Wäldern umher,
sie fürchtete die wilden Tiere nicht und war eine Jägerin,
welche mit Speer und Bogen geschickt umzugehen wusste.
Eines Tages hörte Nyaro von einer Kreatur,
die in einer finsteren Höhle hauste und ein schrecklicher Menschenfresser sein sollte.
Furchtlos machte sie sich auf die Suche nach der Bestie, um sie zu erlegen.
Als sie jedoch die dunkle Höhle betrat und mit einem Pfeil auf die Kreatur zielte, sprach diese:
` Wenn mich dein Pfeil trifft, werde ich dich in Stücke reißen. ´
Da das Wesen noch scheinbar friedlich in einer Ecke der Höhle hockte,
zögerte Nyaro. Solch ein Geschöpf hatte sie noch nie gesehen.
Das Ungeheuer hatte etwas, von einem Löwen, einem Leoparden, einer Hyäne und noch
vieler anderer Tiere, ja sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Menschen, konnte sie erkennen
und doch war es in Wahrheit etwas anderes.
` Willst du in Zukunft unser Dorf meiden? ´ , fragte Nyaro.
` Ich will euer Dorf in Zukunft meiden, wenn du mir etwas von dir gibt’s. ´ sagte die Kreatur.
` Was willst du? ´
` Ein Stück Haut, ein Fingernagel oder ein Haar,
es ist egal, aber es muss von dir sein und du musst dafür etwas von mir nehmen. ´
` So soll es sein. ´sagte Nyaro
und gab dem Wesen ein Haar,
das Geschöpf gab ihr eine Kalebasse,
mit einer seltsamen Flüssigkeit und befahl ihr davon zu trinken.
Nachdem sie einen kleinen Schluck getrunken hatte, sprach das Ungeheuer:
` Gut, jetzt bin ich wieder ein bisschen menschlicher geworden,
während du einen kleinen Teil deiner Menschlichkeit verloren hast. ´
` Was bedeutet das für mich? ´
` Das hängt von deiner Veranlagung, tief in dir ab. Du wirst es früh genug erfahren, jetzt geh. ´
Nyaro machte sich nachdenklich auf den Heimweg.
Als sie die Rinder ihres Vaters, mit einigen fetten Kälbern sah,
überkam sie ein seltsames Gefühl.
Sie schüttelte sich und plötzlich, wuchsen ihr am ganzen Körper gelbbraune Haare
und ein Schwanz mit einer Quaste und lange Eckzähne, in einem kräftigen Maul.
Sie war eine Löwin geworden.
Sofort sprang sie auf die Kälber und verschlang sie.
Nachdem sie satt war, verwandelte sie sich wieder in Menschengestalt.
Kaum jemand konnte über das Geschehene erschrockener sein, als Nyaro.
Aber was sollte sie jetzt machen?
Sie wagte es nicht, daheim zu erzählen, was mit ihr geschehen war.
Außerdem fürchtete sie, dass die Löwenmenschen davon erfuhren.
Dann würde ihr ganzer Stamm in großer Gefahr sein, denn die Löwenmenschen bewachen eifersüchtig
ihr Revier und dulden keine Konkurrenz.
Nur widerwillig beugen sie sich dem Gehörnten Kaiser.
Aber Löwenmenschen, die nicht zu ihrer Sippe gehören, vernichten sie gnadenlos.
Um die Rinder ihres Vaters in Zukunft zu schonen, machte Nyaro immer weitere Ausflüge in die Wälder.
Wenn der Hunger sie überfiel,
verwandelte Nyaro sich sofort in eine Löwin.
Verzweifelt versuchte Nyaro diesen Trieb unter Kontrolle zu halten.
Sie lief sogar einmal zurück zu der Höhle des Wesens und flehte
die Kreatur an, ihr die Löwennatur wieder zu nehmen.
Aber das Ungeheuer antwortete:
` Was ich einmal gegeben habe, bleibt dein, was ich einmal genommen habe, bleibt mein. ´
So musste Nyaro von nun an als Halblöwin leben.
Ihr älterer Bruder, der für die Rinder seines Vaters verantwortlich war,
beobachtete sie zuerst misstrauisch
und dann voller Mitleid; denn er kannte natürlich
die Anzeichen, die einen Löwenmenschen verraten.
Sofort als er die Überreste der Kälber gefunden hatte,
schöpfte er schon den Verdacht.
Später bemerkte er, wie die Rinder vor seiner Schwester ängstlich zurück wichen.
Dann machte sie immer häufiger längere Ausflüge in die Wälder.
Als er ihr einmal folgte, entdeckte er,
wie ihre Spuren zu denen einer Löwin wurden.
Von da an wusste er Bescheid.
Inzwischen besuchte ein junger Häuptling das Dorf und
beschloss Nyaro zu heiraten, da ihr Vater damit einverstanden war,
wurde sie verheiratet.
Ihr Bruder sprach zu Nyaro, ehe sie mit ihren Mann fort zog:
` Liebe deinen Ehemann, aber verrate ihm niemals dein Geheimnis. ´
Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis man in dem anderen Dorf über
die neue Frau des jungen Häuptlings Vigala zu reden begann.
Zu viele Dinge geschahen, die den Verdacht der aufmerksamen Alten im Dorf erregen mussten.
Eine Löwin wurde sehr häufig in der Nähe des Dorfes gesehen, aber es war kein Löwenrudel in der Nähe.
Immer wenn man die Löwin sah, war Nyaro verschwunden.
Die Löwin fiel jedoch nie die Dorfbewohner oder ihre Rinder an,
sondern suchte sich stets Beute im Wald.
Weshalb hielt sie sich dennoch so oft in der Nähe des Dorfes auf?
Den letzten Hinweis erhielten die Alten, als die seltsame Löwin einen Leoparden tötete,
der mehrfach Rinder der Dorfbewohner gerissen hatte.
So verhielt sich keine normale Löwin, aber vielleicht eine Halblöwin.
Da der Häuptling mit seiner neuen Frau glücklich war, schwiegen die klugen Alten.
Aber natürlich waren nicht alle Alten klug.
So kam es, dass als Nyaro eine Tochter bekam, die Diener flüsterten:
` Zum Glück ist es ein Menschenkind ohne Klauen und Zähne. ´
Der Häuptling hörte diese unbedachten Worte,
nahm seinen Speer und ging zu seiner Frau,
von der er verlangte, dass sie ihn dieses Geheimnis erkläre.
Als sie sich weigerte, geriet Vigala so in Wut, dass er seinen Speer nach ihr warf.
Nyaro wich dem Speer zwar mit einem geschickten Seitensprung aus,
wurde aber unglücklicherweise an der Seite gestreift.
Der Anblick ihres eigenen Blutes verwandelte Nyaro sofort in eine Löwin.
Die furchtbare Löwenwut packte sie.
Mit einem einzigen Schlag ihrer Vorderpfote brach sie ihrem Mann den Hals,
dann verschlag sie ihn und nahm wieder Menschengestalt an.
Als gute Hausfrau säuberte sie zuerst einmal den Fußboden von dem Blut,
dann nahm sie ihre Tochter, der sie den Namen Nyarvi gab und verließ das Dorf.
Kurz zuvor waren zwei junge Männer aus dem Dorf des Großen Baumes
zu dem Wesen in der Höhle gekommen.
` Großer Meister, wir haben viel von dir gehört und sind weit gewandert, um dich um Hilfe zu bitten. ´
` Sprecht eure Bitte schnell aus, ehe ich Lust bekomme, euch zu fressen. ´ sprach das Ungeheuer.
` O großer Meister, wir haben immer Hunger, hilf uns, damit wir bessere Jäger und stärkere Krieger werden. ´
` Diesen Wunsch will ich euch gerne erfüllen. ´ rief die Kreatur
`Gebt mir nur jeder ein Haar und trinkt von dieser Flüssigkeit. ´
Die beiden jungen Männer gaben dem Wesen je ein Haar und erhielten dafür eine Kalebasse,
mit einer seltsamen Flüssigkeit.
Sofort trank jeder der beiden einen kräftigen Schluck.
Nun verwandelten sie sich in Hyänen, sie heulten wild auf.
` Heult nur meine kleinen Bestien. ´ sprach das Ungeheuer sanft.
` Menschlichkeit ist auf dieser Ebene leicht zu kaufen,
wenn man dafür mit Unmenschlichkeit bezahlt.
Jetzt macht euch auf, denn die Zeit für eure Jagd ist gekommen!´
Und die Jagd der beiden Hyänenmänner begann.
Sie liefen los und fanden einen Schafhirten,
der bei seiner Herde schlief.
Der alte Mann wurde roh verschlungen.
Dann nahmen sie wieder Menschengestalt an,
ergriffen das fetteste Schaf und brieten es über einem Feuer.
In der nächsten Nacht kehrten sie in das Dorf des Großen Baumes zurück
und töteten zwei Kinder.
Weil sie immer noch hungrig waren, sprangen die beiden Hyänenmänner
über einen Zaun und packten zwei Schafe, die sie mit in den Busch nahmen,
wo sie sich tagsüber in einer Höhle verbargen.
Während sie die Schafe verschlangen, sangen sie ein schreckliches Lied:
` Wir sind stark, wir können machen was wir wollen,
alle sollen Blut uns zollen.
Wir fressen alle Männer, denn wir können machen was wir wollen,
alle sollen Blut uns zollen.
Wir fressen alle Frauen, denn wir können machen was wir wollen,
alle sollen Blut uns zollen.
Wir fressen alle Kinder, denn wir können machen was wir wollen,
alle sollen Blut uns zollen.
Wir fressen alle Rinder, denn wir können machen was wir wollen,
alle sollen Blut uns zollen.
Wir fressen alle Schafe, denn wir können machen was wir wollen,
alle sollen Blut uns zollen.
Wir fressen den Gehörnten Kaiser, denn wir können machen was wir wollen,
alle sollen Blut uns zollen.
Wir fressen Ra, denn wir können machen was wir wollen,
alle sollen Blut uns zollen.
Wir fressen auch sein Weib Nub, denn wir können machen was wir wollen,
alle sollen Blut uns zollen.
Wir fressen die ganze Welt, denn wir können machen, was wir wollen,
alle sollen Blut uns zollen. ´
Als es Nacht wurde schlich sich ein Hyänenmann in sein Elternhaus
und tötete seine Mutter, um sie zu fressen.
Sein Freund sprang über die Umzäunung des Häuptlingshauses
und drang dort gewaltsam ein.
Dieser Hyänenmann vergewaltigte die Frau des Häuptlings noch schnell,
ehe er sie verschlang.
Am nächsten Morgen wanderte Nyaro,
mit ihrer kleinen Tochter an dem Dorf des Großen Baumes vorbei
und sah, dass sich dort eine große Anzahl von Kriegern versammelt hatte.
Der Häuptling hielt eine lange Ansprache, dass die beiden Hyänenmänner getötet werden müssten.
` Das wollen wir alle. ´, sprach ein alter Krieger.
` Aber sie sind schlaue Zauberer und nachts haben wir keine Chance sie zu erlegen, tagsüber zeigen sie sich nicht. ´
` Wir müssen die Hyänenmänner in eine Falle locken. ´, sagte der Medizinmann.
` Eine Frau muss als Lockvogel vor dem Dorf auf die beiden Hyänenmänner warten.
Wenn die beiden Bestien sie anfallen, treffen wir sie mit unseren Pfeilen. ´
` Ach, dass habe ich schon einmal erlebt. Meistens wird die Frau dabei verschlungen und die Hyänenmänner entkommen.´ berichtete ein alter Krieger.
` Welche Frau meldet sich freiwillig um unser Dorf zu retten? ´ fragte der Häuptling.
Aber keine der Frauen aus dem Dorf mochte sich melden.
Da drängte sich Nyaro durch die Menge und rief:
` Ich will es tun, wenn ihr in dieser Nacht mein Kind hütet. ´
Das Angebot wurde mit großen Jubel angenommen
und der Häuptling selbst versprach der jungen Mutter,
dass man ihr für diese Tat ewig im Dorf des Großen Baumes dankbar sein würde.
So wartete Nyaro in dieser Nacht alleine draußen vor dem Dorf.
Wenn die Hyänenmänner sich heranschlichen,
sollte sie den Ruf der Eule nachmachen.
Hinter dem Zaun der das Dorf umschloss,
warteten schon die Bogenschützen.
Nyaro jedoch legte sich ein nahes Gebüsch und tat so als würde sie schlafen.
In der Nacht hörte sie ein wildes Heulen und als sie die Augen öffnete,
sah sie, wie die beiden Hyänenmänner aus dem Busch neben ihr sprangen.
` Wir sehen die Falle, aber wir sind zu schnell für euch Beutemenschen,
wir töten dich und entkommen, ehe die Bogenschützen uns entdecken können. ´
` Heute Nacht werdet ihr mich nicht töten. ´ sagte Nyaro lächelnd
und verwandelte sich in eine Löwin.
Blitzschnell sprang sie einen der beiden Hyänenmänner an und tötete ihm mit einem kräftigen Biß ins Genick.
Danach verschlang sie ihr Opfer.
Der zweite Hyänenmann lief so schnell davon, dass sie ihn nicht mehr einholen konnte.
Im Dorf des Großen Baumes wurde er nie wieder gesehen.
Nyaro verwandelte sich wieder in eine Menschenfrau.
Sogleich rief sie nach den Bogenschützen und die Männer stürmten aus dem Dorf
und ein wahrer Pfeilhagel flog in den Busch, wo Nyaro hindeutete.
Die junge Frau berichtete ihnen, ihre Pfeile hätten einen der beiden Hyänenmänner getroffen
und schwer verletzt.
Beide wären zusammen geflohen,
sie glaube aber nicht,
dass die beiden sich noch einmal im Dorf des Großen Baumes blicken ließen.
Die Dorfbewohner sahen, das Blut vergossen worden war.
Sie zweifelten zwar daran, dass sie beiden Hyänenmänner los waren,
dankten Nyaro jedoch trotzdem. So wanderte sie am nächsten Tag mit ihrer kleinen Tochter in ihr Heimatdorf,
wo sie von ihren Vater freundlich aufgenommen wurde. "
" Was Nyaro weiter erlebte,
werde ich vielleicht bei meinem nächsten Besuch in Munukutu erfahren.
Was aus dem entkommenen Hyänenmann wurde?
Heulte da nicht eine Hyäne, ganz in der Nähe?
Wer weiß?
Nun Freunde, wer hat einen Schlafplatz für einen ehrlichen Erzähler, für eine Nacht?
Womit ich bezahle?
Natürlich mit einer Erzählung.
Ah, du hast noch Platz in deiner Hütte?
Schön, ach dafür möchtest du gerne eine Geschichte hören,
die auf dem Kontinent Sahuria spielt?
Oh, oh, du verlangst ja ganz schön viel.
Eine Erzählung von einem anderen Kontinent.
Solche Erzählungen sind für uns Erzähler kostbare Schätze,
die man nicht so einfach verschenkt.
Gib also noch eine Kalebasse mit Palmwein dazu, dann hätte ich da eine Erzählung, die auch in Sahuria spielt. "
Uwe Vitz - 6. Feb, 19:21
