Würfelwelt 50

Negehu, die Hexe
" Noch immer lebt Negehu in der Nähe von Opaka,
einem Bauerndorf in Ophiru, an der Grenze zum Reich Sabhal.
Sie ist eine steinalte Frau. Ich glaube niemand auf dieser Ebene weiß,
wie alt sie wirklich ist.
Sie lebt in einer kleinen, mit Stroh bedeckten Hütte, sehr bescheiden.
Dennoch munkelt man, dass sie eine große Zauberin sei
und manch einer hat schon behauptet,
sie stände mit dem Sheitan im Bunde.

Opaka liegt nun am Ufer des Ewigen Flusses,
welcher aus dem Meer der Zeit in die Innere See, fließt.
Der Ewige Fluss trit einmal im Jahr über die Ufer und sorgt
so für eine gute Ernte.
Aber zwei Jahre hintereinander fiel ein großer Heuschreckenschwarm über die Ernte her.
Auch der Großkönig von Ophiru konnte seinem Volk nicht mehr helfen.
Da, der Heuschreckenschwarm im ganzen Königreich gewütet hatte,
blieb dem Großkönig gerade genug, um seinen Hof und die Hauptstadt Oph zu versorgen.
Die Priester lehren uns, dass Ra den Hunger erschuf,
damit wir den Weizen und den Reis ehren.
Trotzdem ist der Hunger ein schlimmer Gast.
Als den Bewohnern Opakas das Futter für ihre Haustiere ausging,
mussten sie die abgemagerten Tiere schlachten und mit ihnen, wie sie
wussten, auch ihre eigene Zukunft.

` Wir müssen etwas unternehmen. ´ , sprach der Häuptling zu den Ältesten.
` Wenn wir nicht bald irgendwo Nahrung finden, müssen wir alle verhungern. ´
` Ich habe einen Vorschlag. ´ , sagte ein bärtiger Alter.
` Wir werden die alte Negehu um Rat fragen.
Ich kann mich noch an die Worte meines Großvaters, kurz vor seinem Tod erinnern:
` Mazoya ´, sagte er: ` Wenn du einmal in Not kommen solltest, dann gehe zu der alten Negehu.
Wenn du ihren Befehlen gehorsam folgst, wird sie dir aus jeder Not helfen. ´
Nun sind wir wirklich in großer Not. Wollen wir die Alte nicht um Hilfe bitten?´
` In unserer Lage müssen wir nach jeden Strohhalm greifen, Mazoja. ´, antwortete der Häuptling .
` Wenn sich ein paar Männer dazu bereit erklären, die Alte um Hilfe zu bitten,
so will ich gerne meinen Segen dazu geben.´

So machte sich am nächsten Morgen eine Abordnung von zwölf furchtlosen Jünglingen auf den Weg.
Als diese in der Frühe, die weit draußen im Wald gelegene Hütte erreichten,
war die alte Negehu gerade auf der Jagd.
In ihrem hohen Alter verstand sie es noch meisterhaft, mit Pfeil und Bogen und dem Speer umzugehen.
Da die Jünglinge nicht unaufgefordert einzutreten wagten,
ließen sie sich im Schatten eines Sialabaumes nieder.
Sie warteten geduldig, bis die Alte gegen Mittag plötzlich vor ihnen stand.
Da keiner von ihnen sie bis dahin gehört hatte, erschracken sie alle heftig.
` Was wollt ihr bei der alten Negehu? ´ , krächzte sie mit hohler Stimme
und stieß mit dem Fuß, die aus Schilfrohr geflochtene Tür auf.
Nachdem sie im Inneren der Hütte, ihre Jagdbeute ein Antilopenkitz,
zu Boden hatte gleiten lassen, hieß sie die Jünglinge ein zu treten.
Verwundert sahen die Männer, dass die kleine Hütte vollgestopft war mit Tierschädeln,
Bambusrohren, Kalebassen und vielen seltsamen Geräten,
die sie nicht kannten.
Fast schien es ihnen, dass das Innere der Hütte größer sei,
als die Hütte selbst.
` Sagt mir nun endlich, warum ihr zu mir gekommen seid.´
, forderte die Hexe.
So erzählten sie ihr, von der Not des Dorfes.
` Ich habe Mitleid mit euch armen Würmern. ´ ,sprach die Alte.
` Deshalb bin ich bereut, euch zu helfen, wenn ihr alles tut, was ich von euch verlange. ´
Was blieb den jungen Männern anderes übrig?

Die Zauberin ließ ihre Besucher zunächst Holz zusammentragen und ein Feuer anzünden.
Während sich die Jünglinge eifrig an die Arbeit machten, ließ sich die Alte stöhnend
auf einen Holzschemel in der Nähe der Herdstelle nieder.
Sie zog ihr zerschlissenes Gewand ein wenig hoch und
streckte ihr rechtes Bein aus.
Die Jünglinge erschraken.
Auf dem Bein saß ein Schwarm Fliegen.
Das Bein der Hexe war über und über mit Grind und eitrigen Geschwüren bedeckt.
` Seht ihr die Fliegen auf meinen Bein? , krächzte die Alte.
` Wenn ich euch helfen soll, dann müsst ihr mir diese verfluchten Quälgeister fangen! ´
Die eitrigen Geschwüre verbreiteten einen üblen Geruch in der Hütte,
so dass sich die Männer maßlos eckelten.
Sie fühlten, dass nur die Sorge, um das Leben ihrer Lieben, sie zu solch einer Tat befähigte.
Zu ihrer eigenen Überraschung, hatten sie bald alle Fliegen getötet.

` Nun hat die alte Negehu eine weitere Aufgabe für euch, nehmt die neben
der Herdstelle liegende Pfanne, gebt die getöteten Fliegen hinein,
bratet sie auf dem Feuer und verspeist sie. ´

Die Männer sahen sich betroffen an.
` Sollen wir wirklich die Fliegen, die wir von dem eitrigen Bein des alten Weibes gefangen haben, aufessen? ´
sprachen sie leise zueinander.
Aber die Zauberin sprach mahnend:
` Wenn ihr mir nicht gehorcht, muss euer Dorf verhungern,
bedenkt also, was ihr tut, meine Lieben. ´
Um ihrer Familien willen, brieten sie die zahllosen Fliegen und aßen sie mit Todesverachtung.
` Nun habt ihr eure Aufgabe erfüllt. ´ sagte die Alte freundlich
Legt noch. etwas Holz aufs Feuer und setzt euch an die Hinterwand meiner Hütte. ´
Bei diesen Worten atmeten die Männer erleichtert auf,
denn sie hatten mit noch mehr Prüfungen gerechnet.
Jetzt dachten sie, hätten sie das Schlimmste überstanden.
Als sie getan hatten, was die Zauberin verlagte, setzte sich Negehu zu ihnen und sprach:
` Schon seit einiger Zeit, spüre ich, dass sich eine neue zauberische Macht in Zaranda ausbreitet.
Vielleicht ist auch der teuflische Heuschreckenschwarm von dieser Macht erschaffen worden,
vielleicht auch nicht.
Aber ich werde eure Hilfe brauchen, um dieses Geheimnis zu lösen.´
` Und wie können wir dir helfen, oh weise Frau? ´
` Ah meine Kleinen, erst einmal nehmt diese drei Kalebassen und bringt sie in euer Dorf,
in der Ersten werdet ihr immer Wasser finden,
in der Zweiten Reis und in der Dritten Brot,
so mag euer Dorf vorerst dem Hunger entgehen,
morgen früh kommt zu mir zurück,
dann werde ich euch sagen, was zu tun ist,
um den bösen Zauber entgegen zu treten. ´

Als die Jünglinge am nächsten Morgen zurückehrten, fragte Negehu sie nach ihren Träumen.
Die Jünglinge waren über die Frage der Alten zwar erstaunt,
berichteten ihre Träume aber so gut es ihnen möglich war.
Aber kaum ein Traum fand die Gnade der Hexe.
` Ach geh nach Haus. ´
, brummte sie nach jeden Traumbericht.
Bis ihr der junge Magunga von seinem Traum erzählte.
Er hatte von einer ausgehungerten, mageren Frau geträumt, welche ein noch dünneres und elenderes Kind,
mit ihren welken Brüsten stillte; während ein bösartiger, fetter Kerl mit einem Stock auf sie einschlug.
` Du hast den richtigen Traum gehabt. ´, sagte Negehu zufrieden.
` Die ausgehungerte Mutter ist das Königreich Ophiru das magere Kind
unser unglückliches Volk und der widerliche, fette Kerl,
ist der Zauberer, der den Heuschreckenschwarm gegen unsere Heimat schickt.´

` Was soll ich jetzt tun? ´fragte Magunga.
` Bleib für eine Nacht bei mir, dann sieht am Morgen alles besser aus. ´ , antwortete die Hexe.
Magunga war bei diesen Gedanken gar nicht wohl in seiner Haut.
Doch dann dachte er an das dünne Kind und wusste, dass er der Hexe helfen musste.
Als es Abend wurde, befahl Negehu Magunga sich auf ein Schlaflager in ihrer Hütte zu legen.
Mitten in der Nacht jedoch erwachte er.
Die Hexe kniete vor ihn und hielt eine einzelne, zappelnde Heuschrecke in der Hand.
` Dies ist eine Heuschrecke aus dem Schwarm, Magunga, ich habe sie eingefangen,
als der Schwarm zum zweiten mal die Felder verwüstete,
folge ihr nun.
Aber sei vorsichtig.
Sie wird dich zu dem bösen Zauberer führen.
Wage es ja nicht sein Haus zu betreten, sonst bist du verloren.
Wenn du verfolg wirst, schau ja nicht zurück, sonst bist du verloren. ´

Negehu ließ die Heuschrecke los, die sofort davon sprang, Magunga folgte ihr.
Mit einer Mischung aus Erschrecken und Erstaunen bemerkte er,
dass auch er jetzt eine Heuschrecke war.
Die andere Heuschrecke flog davon, Magunga flog dicht hinter ihr und alles war seltsam unwirklich.
Höher und höher ging es hinauf.
Weit über die Dächer des heimatlichen Dorfes, bis hinauf zu den Wolken.
Unter sich sah er, den Ewigen Fluss und die Innere See.
Weit entfernt im Südwesten, sah er ein rotes Glühen, welches von Xandu,
dem Kontinent, welcher von einem Flammenring eingeschlossen ist, stammte.
Ja, Magunga konnte sogar die gigantischen sechs Türme sehen.
Auf jeden Kontinent steht bekanntlich einer, selbst auf Xandu.
Aber sie flogen nicht nach Südwesten, sondern nach Norden nach Munukutu.
Magunga sah unter sich die seltsamen Schiffe der Schlangenanbeter und der Krokodilmenschen
auf der Inneren See.
Er und die andere Heuschrecke flogen über die geheimnisvolle, namenlose Stadt der Froschmenschen.
Diese Stadt hatte einen einzigen großen Turm.
Magunga hörte aus diesen Turm das Wehklagen einer Frau und
sah die wunderschöne Prinzessin Nwamaka,
die in einem goldenen Käfig saß und um ihre verlorene Freiheit weinte.
Immer weiter flogen sie nach Norden, bis sie ihre Richtung änderten und nach Westen flogen.
Ja, sie flogen sogar über den Palast des Gehörnten Kaisers von Munukutu.
Dieser Palast besteht nur aus lebenden Bäumen, Lianen und anderen Pflanzen,
doch es gibt keinen größeren Palast auf dieser Ebene, bis auf jenen des Drachenkaisers von Hykno.
Dessen Palast ist vielleicht dem des Gehörnten Kaisers ebenbürtig.
Immer schneller flogen die beiden Heuschrecken. Magunga ahnte,
Magie half ihnen beiden ihr Ziel noch in dieser Nacht zu erreichen.
Dann flogen sie auch schon über die Grenze von Munukutu.
Obwohl er eine Heuschrecke war, erzitterte Magunga, denn sie flogen in das schlimme Land Okoa;
in das finstere Reich der übelsten Sklavernhändler dieser Ebene.
Sie näherten sich der Küste zur Westsee.
Magunga sah eines der furchtbaren Sklavenschiffe,
aus dem Heck ragten die Tentakel eines Riesenkraken,
welche die Okoner züchten, um sie als Antrieb für ihre Schiffe zu nutzen.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Okoner die treuesten Verbündeten der Schwertländer sind,
jener Piraten, die alle Völker dieser Ebene in Angst und Schrecken versetzen.
Magunga sah die schrecklichen Knochenhäuser,
in denen die Okoner ungehorsame Sklaven mit dämonischen Methoden foltern.

Sie flogen zu einer Plantage und der kühne Magunga wurde von noch größeren Schrecken erfasst,
als er sah, dass auf den Feldern, bleiche Gestalten sich schwerfällig bewegten.
Hier mussten Zombies als Sklaven arbeiten.
Diese große Plantage war das Heim eines bösartigen Zauberers,
dem es nicht reichte lebende Sklaven zu peinigen.
Solche Hexer kaufen sich lebende Menschen,
töten sie und erwecken sie dann wieder als Zombies.
Welche Qualen die Seelen der Zombies dabei erleiden,
ist ihnen egal. In den meisten anderen Ländern dieser Ebene ,
ist solche üble Magie verpönt,
in Okoa aber werden solche finsteren Zauberer hoch geehrt.
Ausgerechnet in diese Plantage des Bösen flog die Heuschrecke,
der Magunga noch folgte.
Er fühlte einen starken Drang ihr ins Haus zu folgen,
erinnerte sich jedoch gerade noch rechzeitig an die Warnung der Hexe.
Da trat der Zauberer selbst aus seinem großen Haus,
es war der wiederliche, fette Kerl aus Magungas Träumen.
Er hatte weiße Haare und einen Spitzbart,
seine Augen glühten vor magischer Macht.
Obwohl er hoch oben zwischen den Wolken war,
spürte Magunga, dass der Zauberer zu ihn herauf blickte.
Konnte der Hexer die kleine Heuschrecke erkennen?
Der Zauberer öffnete den Mund und etwas flog aus ihm heraus.
Eine große, schwarze Raubwespe.
Entsetzt ergriff Magunga die Flucht.

Er hörte das Summen der Raubwespe hinter sich immer näher kommen,
wagte es jedoch nicht einen Blick zurück zu riskieren.
Wie lange die Jagd dauerte?
Später hätte Magunga es nicht mehr sagen können.
Als die Raubwespe ihn fast erreicht hatte,
kam er wieder bei Negehus Hütte an
und stürzte sich im letzten Augenblick herab.
Als Magunga wieder zur Besinnung kam,
lag er auf dem Strohlager von Negehus Hütte und war wieder ein Mensch.
` Was ist geschehen?´ , fragte der Jüngling erschrocken.
` Du hattes einen schlimmen Traum, aber jetzt ist er vorbei und alles wird wieder gut. ´, erklärte Negehu
und schickte ihm nach Hause. ´
" Ob Magunga nur einen bösen Traum hatte oder ob er ein Zauberabenteuer erlebt hat,
wer will das sagen?
Heißt es denn nicht, dass jeder Traum Wahrheit und alle Zauberei nur ein Traum sei?
Ach guter Mann, du meinst also wir wären besser dran,
wenn man alle Zauberer und Hexen auf unserer Ebene erschlagen würde.
Ich glaube du irrst dich,
denn nur wenige Zauberer sind so böse,
wie der Zauberer aus Okoa oder die berüchtigten Meister des ` Magischen Quadrates ´ in Westania.
Natürlich sind auch nur wenige so weise, wie die berühmte Zauberin Negehu oder die Zauberer aus Zha-Khyr in Sahuria.
Die meisten Zauberer sind viel menschlicher und manchmal auch dümmer, als sie uns glauben machen wollen,
darüber erzählte mir einst ein seltsamer Wanderer aus dem Reich Munukutu eine merkwürdige Geschichte. "

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