Würfelwelt 21
Hexentanz
(Commervahn)
v. Michael Breuer
(Die Legende von Flammenlanze Teil3)
Der junge Kree-Abkömmling Hogan Flammenlanze stand im Thronsaal
des großen Tally-O-Dan und hatte gerade den Mund geöffnet, um den
Herrscher der Barbareninsel anzusprechen, als das Inferno über Patena hereinbrach.
Gleichzeitig spielten sich die bisherigen Ereignisse noch einmal vor Hogans geistigem Auge ab.
Vor wenigen Tagen war er aus einem Gefangenenlager auf der Insel
Lo-Pan ausgebrochen und hatte bei
seiner Flucht durch die Gollar-Ratth- Sümpfe in einem geheimen Tempel- Komplex eine seltsame Waffe entdeckt, die tödliche Blitze verschoß.
Mit dieser Waffe hatte Hogan sich seiner nichtmenschlichen Verfolger,
den Sumpfdämonen, entledigt, wobei der Tempel zerstört wurde.
Kurze Zeit später erschien ihm Sindra, eine der drei Hexen, die einige Jahre nach seiner Geburt aus unerfindlichen Gründen Anspruch auf ihn erhoben
und das Dorf mit einem Fluch belegt hatten, als Hogans Mutter den kleinen Junge nicht hergeben wollte.
Sie schworen, dereinst erneut zu kommen und ihr Recht zu fordern, wenn die Zeit dazu reif war. Nun schien es soweit zu sein. Sindra eröffnete Hogan, daß sie und ihre Schwestern ein Attentat auf den Herrscher Patenas planten,
um das kosmische Gleichgewicht wieder in Einklang zu bringen,
und aus diesem Grunde hatte Hogan sich auf den Weg gemacht , nämlich um Tally O Dan zu warnen.
Doch nun, nachdem er die grauenhafte Schädelstadt - eine Falle für unwillkommene Besucher der Barbareninsel - hinter sich gelassen hatte und endlich angekommen war,
sah es so aus, als sei er letztendlich doch zu spät gekommen.
Denn soeben materialisierten die drei Hexenschwestern mit einem Fauchen,
das aus den Rachen aller Dämonen der Hölle gleichzeitig zu kommen schien,
und zückten Widerhackenbesetzte Opferdolche.
Opferdolche, mit denen sie Tally-O Dan töten wollten!
Bisher hatte der Barbarenfürst regungslos am Fenster gestanden und auf sein Reich heruntergestarrt.
Als er jedoch das unirdische Fauchen hinter seinen Rücken vernahm, fuhr er blitzartig herum und erfaßte mit einem Blick die seltsame Szenerie. In flirrenden, alptraumhaften Farben hatte sich der Schlund der Hölle geöffnet und drei Hexen ausgespien,
die in Augenhöhe im Raum schwebten und höhnisch dabei kicherten.
Ihre Hände hielten Stich- waffen, die sie - ihrem Gesichtsausdruck nach zu schließen -
auch bedenkenlos benutzen würden.
In der Mitte des Raumes stand ein junger, muskelbepackter Krieger,
der aussah, als habe er den Großteil seines bisherigen Lebens in einem Strafgefangenenlager des Tyrannen Creagan verbracht.
Der Fremde hatte die Hand auf dem Schwertgriff liegen und starrte fassungslos auf das,
was zwischen ihm und dem Herrscher der Barbareninsel materialisiert war.
Tally-O Dan war nicht minder erschrocken; doch nicht umsonst nannte man ihn in manchen Kreisen auch
gern den „Sofortumschalter" . Der schlanke, durchtrainierte Barbarenfürst warf sich mit einem Hechtsprung nach vorne auf die Erscheinung zu und rollte darunter her,
um dann neben Hogan wieder zum Stehen zu kommen.
Knapp nickte er ihm zu, bevor sie beide ihre Blicke wieder den Hexen zuwandten.
Jetzt erst zuckte auch Dans Hand zum Schwertknauf . Aber selbst in diesem Augenblick schien er nicht aus der Ruhe zu kommen.
„Weißt du, was das zu bedeuten hat, werter Freund?" fragte er gut gelaunt.
Hogan stammelte etwas unverständliches, riß sich dann zusammen und erwiderte:
„Das ist eine lange Geschichte, Lord Dan! Ich fürchte, sie ist zu lang, um sie ausgerechnet jetzt zu erzählen!"
Dan nickte. Seine stahlblauen Augen funkelten vor Kampfeslust, als er die drei Kreaturen der Hölle betrachtete, die so unverhofft in seinem Thronsaal erschienen waren.
„Gebt Euch zu erkennen, Dienerinnen des Bösen!" rief er pathetisch.
Er haßte alles, was mit Zauberei zu tun hatte; er war ein bodenständiger Mann, der nur an das glaubte, was er leibhaftig vor sich sah.
Daß er sich dennoch der abtrünnigen Magier bediente, um der Schädelstadt
in der Teskidan-Bucht den Anschein von Leben zu geben, mochte daher wie ein Widerspruch erscheinen, doch um gewisse Zugeständnisse an die Kunst der Magie kam selbst Tally-O Dan nicht herum.
Nur auf diese Weise hatte er überhaupt so lange überleben können!
Nun wurden die schemenhaften Gestalten der drei Frauen fleischlich,
und die irritierenden Lichterscheinungen verschwanden.
Schweißtropfen traten auf Hogans Stirn, als er die Gestalt der Hexe Sindra erkannte,
zu welcher er sich schon bei ihrer letzten Begegnung im Gollar-Ratth hingezogen gefühlt hatte.
Die beiden anderen waren ihm jedoch ebenfalls nur all- zu gut bekannt.
„Das sind die Schwestern der Nacht, Lord Dan!" flüsterte der junge Barbar ehrfürchtig.
„Ihre Namen lauten Mahhra, Evenya und Sindra - und ihr Begehr ist, Euch zu töten!"
Dan lächelte sanft. Offensichtlich war er nicht sehr beeindruckt.
Mit einem fast schon gelangweilt zu nennenden Gesichtsausdruck musterte er die Frauen.
Eine von ihnen war eine Greisin von unbestimmbarem Alter.
Bei ihr handelte es sich offenbar auch um die Anführerin der Gruppe,
denn die beiden anderen blieben einige Schritte hinter ihr zurück.
Die zweite war eine Frau mittleren Alters, deren Mund einen harten, grausamen Zug zeigte.
Bei der letzten hingegen handelte es sich um ein rothaariges Mädchen in der Blüte ihres Lebens.
Das hatte jedoch nicht viel zu sagen, denn mit Sicherheit handelte es sich nicht um die richtigen Gestalten der drei Hexen.
„Ich fürchte, hier ist unsere Kampfposition nicht sehr gut, junger Freund!" sprach Dan nach kurzem Überlegen.
Noch immer hatten die drei Hexen kein Wort geäußert. Das sollte sich nun ändern.
„ Sie wird auch nicht besser werden. Barbarenfürst!" sagte die Greisin kichernd,
und in ihren schwarzer. Augen lag ein bösartiges Funkeln.
Dann begann sie zu gestikulieren. Hogan ahnte, was das bedeutete.
„Wir müssen hier raus!" flüsterte er gepreßt.
Tally-O Dan schien das- selbe gedacht zu haben,
denn im gleichen Moment griff er nach dem Arm des jungen Barbaren, um ihn mit sich zu ziehen.
Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte der Anblick ihrer Flucht vielleicht komisch gewirkt.
Doch nicht einmal die Hexen lachten, als die beiden Fersengeld gaben.
Schwarze Schatten wogten um die Greisin Mahhra, Schatten aus den unheiligen Klüften jenseits von Raum und Zeit.
Das Gesicht der Hexe war in tiefer Konzentration zu einer regungslosen Maske erstarrt;
nur auf der Stirn zeigten sich Schweißperlen und zeugten von ihrer übermenschlichen Anstrengung.
Sie war dabei einen Dämon zu beschwören
– jenen Dämon, den sie dazu auserkoren hatte Tally-O Dans Ableben herbeizuführen.
Ihre Schwestern, die bis jetzt regungslos neben ihr gestanden hatten,
sahen sie fragend an. Sie hüteten sich jedoch, sie anzusprechen, da dies verheerende Folgen haben konnte. „ Was tun wir, Evenya? „ , flüsterte die jüngste Hexe
und fuhr sich mit der Hand durch das feuerrote, hüftlange Haar, während die sich entfernenden Schritte von Hogan und Dan auf dem Korridor verhallten.
Die Ältere kicherte leise.
„Wir verfolgen die beiden natürlich, Sindra, was dachtest du denn?"
Langsam setzten sich die beiden Hexen in Bewegung,
Mahhra hinter sich zurücklassend,
deren dürre, faltige Gestalt immer stärker von den schwarzen Schatten umwogt wurde.
Die beiden Sonnen standen mittlerweile im Zenit, und es war heiß auf der Barbarenwelt.
Im Palast des Herrschers von Patena war jedoch nicht viel davon zu spüren.
„Wohin fliehen wir?" fragte Hogan gepreßt, während er neben Tally-O Dan durch die endlosen Korridore rannte.
„Wir schaffen uns eine günstigere Ausgangsposition!" erwiderte der Herrscher knapp.
Er wirkte unglaublich ruhig und gefaßt. Nur wenn man genauer hinsah, bemerkte man, daß
auch er sich nicht allzu wohl in seiner Haut fühlte.
Das war allerdings kein Wunder. Wann hatte man es auch schon einmal mit Hexen zu tun?
Wenn normalerweise jemand ein Attentat auf ihn plante, was recht häufig vorkam,
dann handelte es sich dabei um gewöhnliche Meuchelmörder,
nicht aber um Geschöpfe aus dem Reich der Nacht,
deren Akzeptanz Tally-O Dan nach wie vor schwer fiel. Unvermittelt kam der Anführer der Patena-Barbaren zum Stehenund öffnete eine faustgroße Klappe im Mauerwerk.
„Zoquar!" brüllte Dan in einer Lautstärke dort hinein, die Hogan zusammenzucken ließ. „Wir brauchen dich im Studierzimmer - sofort!"
Der Fürst ließ das Kläppchen wieder herunterfallen und grinste Hogan an
. „Diese Öffnung ist durch einen Kanal im Mauerwerk mit den Gemachem unterhalb des Palastes verbunden , und so kann ich Zoquar jeder- zeit rufen, wenn es mir beliebt", stellte Dan fest.
„Eine äußerst praktische Erfindung! Man nennt sie, glaube ich, Telefon!"
Sprach's und schloß eine schwere Holzbohlentür auf, die wohl zu dem erwähnten Studierzimmer führte.
Tatsächlich befanden sich dann in dem Raum auch hunderte und aber hunderte staubiger Bücher
- jedenfalls nahm Hogan an, daß es sich um solche handelte. Schließlich hatte er noch nie eines gesehen. Wie denn auch, als Barbar?
Nachdem beide eingetreten waren, schloß Dan die Tür wieder ab
und begrüßte Zoquar, der sie aus unerfindlichen Gründen schon erwartete,
obwohl es keinen anderen Eingang zu diesem Zimmer zu geben schien.
„Feinde sind eingedrungen!" erklärte der Barbarenfürst knapp.
„Welcher Art?" fragte der weißhaarige alte Mann,
dem Hogan bereits kurz zuvor begegnet war,
als er sich auf dem Weg zu Dans Gemächern befunden hatte.
„Alpha-Kategorie! Es handelt sich um Hexen..."
„Oh, heiliger Rumpelstilz!" entfuhr Zoquar ein unverständlicher Fluch.
Seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen,
hatte auch er nicht mit solch einem Ereignis gerechnet.
Dann schien er sich wieder gefaßt zu haben.
„Gehen wir mal logisch vor", sagte er. „Es handelt sich um schwarzmagische Geschöpfe -
also wäre es nur klug, wenn wir sie auch mit schwarzer Magie bekämpften."
„Das ist wahr!" erwiderten Hogan und Dan wie aus einem Mund.
„Ich werde mich also in die einschlägigen Werke vertiefen, auf daß wir baldigst eine Lösung finden!"
Ruckartig erhob sich der Alte aus dem Sessel,
in dem er gesessen hatte, und schritt auf eines der Bücherregale zu.
Während er verschiedene Werke herauszog,
um darin zu blättern, gab er leise Kommentare zu den Titeln von sich: „NECRONOMICON... Blödsinn, WARLOCK... nein,
Jungs, das ist es auch nicht, der
HEXENHAMMER... längst überholt...
Der LEITFADEN ZUM ÜBERLEBEN AUF HORROR-CONS..."
Letzteres Buch betrachtete Zoquar mit einem ungläubigen Kopfschütteln
und warf es dann achtlos in eine dunkle Ecke des Raumes, wobei ein Lächeln um seine Lippen spielte.
„Unglaublich, womit sich manche Leute die Zeit vertreiben!" murmelte der Alte,
um sich dann wieder in die verbliebenen Büchertitel zu vertiefen.
Nach unendlich lang erscheinender Zeit schien Zoquar dann endlich
das richtige Buch gefunden zu haben,
denn ein strahlendes Grinsen überzog sein Gesicht.
„Das ist es!" rief er aus
. „Die berühmte SCHWARZMAGISCHE ABHANDLUNG ÜBER HEXEREI UND DUNKLE KÜNSTE von Wmha-Ta-Glic!"
Gemessenen Schrittes begab sich Zoquar zu einem Studierpult und begann zu lesen.
Als Dan und Hogan nach einigen Minuten immer noch ratlos dastanden, sah der Alte noch einmal auf.
„ Ihr könnt schon einmal versuchen, die drei Hexen mit herkömmlichen Mitteln aufzuhalten, bis ich einen Weg gefunden habe! „
Dan, nun wieder ganz der Herrscher nickte.
-Gut!" sprach er mit fester Stim- me. „Wir werden tun, was in unserer Macht steht!"
Doch Zoquar war längst wieder in seine Studien vertieft.
Sindra, die rothaarige Hexe, die Hogan bereits im Gollar-Ratth begegnet war, fröstelte, als sie gemeinsam mit ihrer Gefährtin durch die Korridore schlich.
Sie ahnte bereits jetzt, daß die ganze Sache kein gutes Ende nehmen würde,
doch sah sie sich außerstande, etwas gegen diese Entwicklung zu tun.
Durch den Blutbund von Ssarkh war sie an ihre bösartigen Schwestern gebunden
und konnte nur gelegentlich versuchen, die positiven Eigenschaften der Barbarenwelt zu fördern
Die Resultate wurden allerdings meist sofort wieder zunichte gemacht;
was Sindra sehr frustrierte.
„ Hier müssen sie irgendwo sein! „, , zischte Evenya- jene Hexe,
die die Gestalt einer Frau im Alter von rund 40 Jahren angenommen hatte –
und ihr Gesicht nahm einen gierigen Ausdruck an.
Sindra nickte abwesend.
Sie hörte ihrer Schwester kaum zu.
Viel zu sehr war sie mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, als das sie sich konzentrieren können.
Hätte sie doch nur gewusst, wie der Blutbund von Ssarkh aufzulösen war!
Zehn Meter vor den beiden Hexen öffnete sich eine Tür, und Hogan und Dan traten auf den Flur.
Mahhra, die Greisin und Oberhaupt der drei Schwestern, wurde mittlerweile gänzlich von den schwarzen Schatten eingehüllt, als sie plötzlich eine Stimme vernahm.
Selbst ihr, die schon mehr Scheußlichkeiten erlebt und praktiziert hatte,
als es in einem normalen Menschenleben möglich war, rann ein Schauer über den Rücken.
„WOMIT KANN ICH DIENEN, HERRIN?"
fragte jemand, und aus den Schatten begann sich eine Gestalt herauszuschälen.
Mahhra betrachtete das unheilige Geschöpf, das sie beschworen hatte,
und nur mit Mühe schaffte sie es, einen Schrei zu unterdrücken.
„Verdammt!" fluchte Tally-O Dan, als er die beiden Hexenschwestern erblickte,
die ihnen in einiger Entfernung gegenüberstanden,
und Hogan konnte ihm das lebhaft nachfühlen,
Ohne weiter nachzudenken, brachte der Barbar seine ungewöhnliche Waffe in Anschlag,
die er nach wie vor als Zauberwerk betrachtete, obgleich sie lediglich das Produkt einer hoch stehenden Technologie darstellte.
Er wußte, die Waffe hatte ihn im Stich gelassen -
vor wenigen Stunden in der der Schädelstadt, als er einer Horde blutgieriger Untoter gegenübergestanden hatte- doch vielleicht handelte es sich dabei ja nur um einen Bedienungsfehler.
Hogan studierte das Display.
Die gelb leuchtende Anzeige, die dort erschienen war, als seine Waffe versagte, war wieder dem roten Symbol gewichen.
Wenn jetzt die Waffe tatsächlich funktionierte, dann würde er die Hexen vielleicht töten können.
Er hatte zwar im Gollar-Ratth einmal vergeblich auf Sindra gefeuert,
doch war sie ihm dort nur als Projektion erschienen, während ihm die beiden hier leibhaftig gegenüberstanden.
Ein Versuch kann ja nicht schaden, dachte sich unser Barbar, zielte auf Evenya und betätigte den Auslöser.
Und tatsächlich - das Energieelement im Inneren der Waffe hatte sich regeneriert!
Das Resultat war im wahrsten Sinne des Wortes umwerfend.
Die Hexe wurde von der unvermittelten Wucht des fingerbreiten Feuerstrahls von den Füßen gerissen und an eine Wand des Gebäudetraktes geschleudert,
wo sie reglos liegenblieb.
In ihrem Körper klaffte ein faustgroßes Loch.
„Bei den Göttern!" entfuhr es Tal- ly-O Dan, der Hogans Waffe ja noch nicht kannte. „Ist sie tot?"
„Nein", erwiderte Sindra leise. „Ihre Brust hebt sich noch!
Es wird allerdings eine Weile dauern, bis sie sich regeneriert hat..."
Hogan legte erneut an,
feuerte aber nicht, fühlte er doch wieder jenes seltsame Gefühl der Zuneigung für Sindra in sich aufsteigen, das es ihm einfach unmöglich machte, auf sie zu schießen.
„Mach schon!" murmelte Dan und stieß ihm in die Rippen.
Hogan schüttelte den Kopf.
„Sindra!" sprach er stattdessen.
Die rothaarige Hexe hob den Kopf und blickte dem Barbaren tief in die Augen.
„Du erweckst den Anschein, als wäre in dir noch ein Funken Menschlichkeit!" stellte dieser fest.
„Immerhin hast du mich vor diesem Attentat auf Dan gewarnt.
Darum werde ich dich jetzt nicht erschießen -
es sei denn, du machst Anstalten, uns anzugreifen!"
„Hogan...", begann die Hexe und machte einen Schritt nach vone.
Die Finger des Barbaren näher- ten sich dem Auslöser.
Traurig lächelnd schüttelte die Hexe den Kopf,
wandte sich um und wollte sich langsamen Schrittes entfernen,
als der Gang in pulsierendem Schwarz explodierte und den Blick auf eine Kreatur freigab,
die nur dem Alptraum eines Wahnsinnigen entsprungen sein konnte.
Gräßliche, mit eitrigen Schwären bedeckte Tentakel peitschten den Gang entlang,
als sich das monströse Geschöpf auf die kleine Gruppe zuwälzte,
wobei sie dumpfe Laute aus- stieß, die entfernt an menschliche Schreie erinnerten.
„Runter!" rief Hogan,
und Sindra, die reglos dagestanden hatte, warf sich gehorsam zu Boden.
Einen Sekundenbruchteil später raste ein breitgefächerter Energiestrahl über ihren Rücken hinweg und traf den amorphen Körper des Monstrums,
dem dies jedoch wenig auszumachen schien.
Im Gegenteil, es schien sogar zu wachsen, als würde es die Energie aus Hogans Waffe auf seltsame Weise absorbieren.
Hogan schien dies nicht zu bemerken, .er war in Panik geraten.
Mit weit aufgerissenen Augen betätigte er erneut den Auslöser
und schaltete auf Dauerfeuer.
Die Kreatur stieß ein Lachen aus, das die Ohren der Männer schmerzen ließ,
und wälzte sich weiter in den Gang, während sie unaufhaltsam zu wachsen schien.
„Feuer sofort einstellen!" befahl Dan, der die Sachlage bereits erkannt hatte.
Wie betäubt nahm Hogan den Finger vom Auslöser und blinzelte.
Immer näher wälzte sich der schwarzpulsierende Leib des Dämonen auf die Gruppe zu
und füllte fast den gesamten Gang aus.
Da kam Sindra, die sich mittlerweile vom Boden erhoben hatte,
die einzige rettende Idee: „Mahhra - ihr müßt Mahhra finden!"
Die greisenhafte Hexe stand immer noch in tiefer Konzentration
im Thronsaal Tally-O Dans und bemühte sich den Dämon in dieser Welt zu halten,
damit er seinen Auftrag ausführte
Doch ihre Macht. hatte bereits abgenommen,
die Beschwörung erforderte große Kraft. Außerdem musste etwas mit Evenya geschehen sein; ihr magisches Potential war anscheinend nicht mehr für Mahhra verfügbar.
Diese Tatsachen machten es der Hexe immer schwerer den Dämon nicht zu verlieren.
„ Du hast ausgespielt, Mahhra! „
sagte da eine harte Stimme hinter ihr, und ein Teil ihrer Persönlichkeit tauchte wieder an die Geistesoberfläche.
Entfernt nahm sie wahr, daß Sindra zusammen mit dem Barbaren und dem Fürsten Patenas in den Thronsaal getreten war.
Mahhra stieß eine Verwünschung aus und begann, den Dämon zurück in den Saal zu dirigieren.
Die drei Neuankömmlinge erschraken unwillkürlich,
als sie den Saal betraten, denn der Leib Mahhras war seltsam aufgedunsen,
als hätten Hogans Schüsse und das daraus resultierende Mutieren des Dämons
auch Auswirkungen auf den sterblichen Körper der Hexe gehabt.
Tally-O Dan stand mit geweiteten Augen da und betrachtete grauenerfüllt
die schreckliche Szenerie. Für einen Mann, der jede Art von Zauberei am liebsten zum Teufel gewünscht hätte, mußte er in den letzten Stunden ganz schön was durchstehen!
„Was machen wir jetzt?" fragte er schließlich an Hogan gerichtet.
Dieser gab die Frage an Sindra weiter.
Die Hexe lächelte traurig. „Du wirst auf Mahhra feuern, so daß sie außer Gefecht gesetzt wird. Das wird sie zwar nicht töten, aber der Dämon wird dadurch verschwinden, denn ohne Mahhras Zutun kann er sich nicht in unserer Daseinssphäre halten."
Mit ruhigen Bewegungen legte Hogan an.
-Zwischen die Augen!" forderte Sindra, in der die Hoffnung keimte,
sich auf diese Weise von dem verhängnisvollen Blutbund zu lösen.
Hinter ihnen wälzte sich mit einem abscheulichen Schmatzen der amorphe Dämonenleib in den Saal.
Hogan feuerte.
Der Energiestrahl aus der Waffe des Barbarenkriegers traf die Anführerin der Schwestern der Nacht tatsächlich genau zwischen die Augen.
Mit einem gräßlichen Schrei löste Mahhra sich aus ihrer Konzentration und wurde zu Boden geschleudert, während sich die schwarzen Schatten abrupt verflüchtigten.
Der Dämon stieß ein unirdisches Seufzen aus,
wobei er zusehends kleiner wurde, bis er nach einigen Minuten endgültig verschwand.
Hogan grinste erleichtert. Dann fiel sein Blick auf Sindra.
„Warum hast du uns geholfen?" fragte er.
Die Hexe lächelte.
„Ich gehörte ihnen nicht freiwillig an, aber das ist eine lange Geschichte,
die ich dir ein anderes Mal erzählen werde, Hogan. Ich habe nämlich beschlossen, bei dir zu bleiben!"
„Du meinst, du wirst nicht mit deinen Gefährtinnen fortgehen?"
fragte er ungläubig. Sindra nickte.
„Der Blutbund von Ssarkh - der Bund,
durch den ich vor langer Zeit ein Mitglied ihrer Gesellschaft wurde -
ist zwar längst nicht hinfällig, doch ich bin jetzt stark genug, um offen dagegen anzukämpfen...", sie machte eine bedeutungsvolle Pause,
bevor sie weitersprach, „...wenn ihr mir helft!"
Nun lächelte Hogan.
Nickend sagte er: „Natürlich tun wir das, Sindra, aber sei gewiß, daß
wir dich gut im Auge behalten werden!"
„Ich verstehe, daß es dir schwer fällt, mir zu trauen, doch die Zeit
wird zeigen, daß ich es ehrlich meine, Hogan!"
Zu ihren Füßen krabbelte Mahhra umher und stieß unverständliche Laute aus, als habe sie den Verstand verloren.
Es war vorbei. Hogan und Dan mochten es noch nicht so recht glauben,
doch es war tatsächlich vorbei.
Sie hatten den Bund der Hexen vorläufig zerschlagen
und sich eine der ihren zur Verbündeten gemacht.
Nun, nachdem die Verwüstungen
im Thronsaal beseitigt worden waren
und die Soldaten des Barbaren- fürsten Mahhra und Evenya eingekerkert hatten,
saßen unsere drei Gefährten in einem kleinen, aber
nichtsdestotrotz prunkvollen
Gemach im Westtrakt des Palastes und speisten zu Abend.
„Ich danke euch beiden für euer Eingreifen!"
sprach Tally-O Dan und lächelte Hogan und Sindra an,
die sich -jetzt, da der Alltag wieder ein- gekehrt war - vor der Gestalt dieses legendären Herrschers etwas unbe- haglich fühlten. „Das war selbstverständlich für mich, mein Lord!" erwiderte Hogan mit fester Stimme
und blickte dem Langen Dan in die Augen.
Der machte eine wegwerfende Geste.
„ Nenn mich Dan - diese Titel haben so etwas Übermenschliches
.Aber -sag mir Freund, möchtest du nicht an meinem Hof bleiben und als Berater Dienst tun?"
Hogans Augen wurden groß.
Mit einem solchen Angebot hatte er nicht gerechnet.
„Natürlich, mein Lord!" antwortete er unwillkürlich, u
m sich dann zu verbessern: „...Dan ! „
Somit war das Eis gebrochen -
und als völlig unvermittelt Zoquar hereinkam,
der endlich ein Mittel zur Bekämpfung der Hexenplage gefunden hatte,
brach sich ihre gelöste Stimmung in einem befreienden Lachen Bahn.
ENDE des dritten Teils
c 28.-30.04.1993 by Mike Breuer/
(Commervahn)
v. Michael Breuer
(Die Legende von Flammenlanze Teil3)
Der junge Kree-Abkömmling Hogan Flammenlanze stand im Thronsaal
des großen Tally-O-Dan und hatte gerade den Mund geöffnet, um den
Herrscher der Barbareninsel anzusprechen, als das Inferno über Patena hereinbrach.
Gleichzeitig spielten sich die bisherigen Ereignisse noch einmal vor Hogans geistigem Auge ab.
Vor wenigen Tagen war er aus einem Gefangenenlager auf der Insel
Lo-Pan ausgebrochen und hatte bei
seiner Flucht durch die Gollar-Ratth- Sümpfe in einem geheimen Tempel- Komplex eine seltsame Waffe entdeckt, die tödliche Blitze verschoß.
Mit dieser Waffe hatte Hogan sich seiner nichtmenschlichen Verfolger,
den Sumpfdämonen, entledigt, wobei der Tempel zerstört wurde.
Kurze Zeit später erschien ihm Sindra, eine der drei Hexen, die einige Jahre nach seiner Geburt aus unerfindlichen Gründen Anspruch auf ihn erhoben
und das Dorf mit einem Fluch belegt hatten, als Hogans Mutter den kleinen Junge nicht hergeben wollte.
Sie schworen, dereinst erneut zu kommen und ihr Recht zu fordern, wenn die Zeit dazu reif war. Nun schien es soweit zu sein. Sindra eröffnete Hogan, daß sie und ihre Schwestern ein Attentat auf den Herrscher Patenas planten,
um das kosmische Gleichgewicht wieder in Einklang zu bringen,
und aus diesem Grunde hatte Hogan sich auf den Weg gemacht , nämlich um Tally O Dan zu warnen.
Doch nun, nachdem er die grauenhafte Schädelstadt - eine Falle für unwillkommene Besucher der Barbareninsel - hinter sich gelassen hatte und endlich angekommen war,
sah es so aus, als sei er letztendlich doch zu spät gekommen.
Denn soeben materialisierten die drei Hexenschwestern mit einem Fauchen,
das aus den Rachen aller Dämonen der Hölle gleichzeitig zu kommen schien,
und zückten Widerhackenbesetzte Opferdolche.
Opferdolche, mit denen sie Tally-O Dan töten wollten!
Bisher hatte der Barbarenfürst regungslos am Fenster gestanden und auf sein Reich heruntergestarrt.
Als er jedoch das unirdische Fauchen hinter seinen Rücken vernahm, fuhr er blitzartig herum und erfaßte mit einem Blick die seltsame Szenerie. In flirrenden, alptraumhaften Farben hatte sich der Schlund der Hölle geöffnet und drei Hexen ausgespien,
die in Augenhöhe im Raum schwebten und höhnisch dabei kicherten.
Ihre Hände hielten Stich- waffen, die sie - ihrem Gesichtsausdruck nach zu schließen -
auch bedenkenlos benutzen würden.
In der Mitte des Raumes stand ein junger, muskelbepackter Krieger,
der aussah, als habe er den Großteil seines bisherigen Lebens in einem Strafgefangenenlager des Tyrannen Creagan verbracht.
Der Fremde hatte die Hand auf dem Schwertgriff liegen und starrte fassungslos auf das,
was zwischen ihm und dem Herrscher der Barbareninsel materialisiert war.
Tally-O Dan war nicht minder erschrocken; doch nicht umsonst nannte man ihn in manchen Kreisen auch
gern den „Sofortumschalter" . Der schlanke, durchtrainierte Barbarenfürst warf sich mit einem Hechtsprung nach vorne auf die Erscheinung zu und rollte darunter her,
um dann neben Hogan wieder zum Stehen zu kommen.
Knapp nickte er ihm zu, bevor sie beide ihre Blicke wieder den Hexen zuwandten.
Jetzt erst zuckte auch Dans Hand zum Schwertknauf . Aber selbst in diesem Augenblick schien er nicht aus der Ruhe zu kommen.
„Weißt du, was das zu bedeuten hat, werter Freund?" fragte er gut gelaunt.
Hogan stammelte etwas unverständliches, riß sich dann zusammen und erwiderte:
„Das ist eine lange Geschichte, Lord Dan! Ich fürchte, sie ist zu lang, um sie ausgerechnet jetzt zu erzählen!"
Dan nickte. Seine stahlblauen Augen funkelten vor Kampfeslust, als er die drei Kreaturen der Hölle betrachtete, die so unverhofft in seinem Thronsaal erschienen waren.
„Gebt Euch zu erkennen, Dienerinnen des Bösen!" rief er pathetisch.
Er haßte alles, was mit Zauberei zu tun hatte; er war ein bodenständiger Mann, der nur an das glaubte, was er leibhaftig vor sich sah.
Daß er sich dennoch der abtrünnigen Magier bediente, um der Schädelstadt
in der Teskidan-Bucht den Anschein von Leben zu geben, mochte daher wie ein Widerspruch erscheinen, doch um gewisse Zugeständnisse an die Kunst der Magie kam selbst Tally-O Dan nicht herum.
Nur auf diese Weise hatte er überhaupt so lange überleben können!
Nun wurden die schemenhaften Gestalten der drei Frauen fleischlich,
und die irritierenden Lichterscheinungen verschwanden.
Schweißtropfen traten auf Hogans Stirn, als er die Gestalt der Hexe Sindra erkannte,
zu welcher er sich schon bei ihrer letzten Begegnung im Gollar-Ratth hingezogen gefühlt hatte.
Die beiden anderen waren ihm jedoch ebenfalls nur all- zu gut bekannt.
„Das sind die Schwestern der Nacht, Lord Dan!" flüsterte der junge Barbar ehrfürchtig.
„Ihre Namen lauten Mahhra, Evenya und Sindra - und ihr Begehr ist, Euch zu töten!"
Dan lächelte sanft. Offensichtlich war er nicht sehr beeindruckt.
Mit einem fast schon gelangweilt zu nennenden Gesichtsausdruck musterte er die Frauen.
Eine von ihnen war eine Greisin von unbestimmbarem Alter.
Bei ihr handelte es sich offenbar auch um die Anführerin der Gruppe,
denn die beiden anderen blieben einige Schritte hinter ihr zurück.
Die zweite war eine Frau mittleren Alters, deren Mund einen harten, grausamen Zug zeigte.
Bei der letzten hingegen handelte es sich um ein rothaariges Mädchen in der Blüte ihres Lebens.
Das hatte jedoch nicht viel zu sagen, denn mit Sicherheit handelte es sich nicht um die richtigen Gestalten der drei Hexen.
„Ich fürchte, hier ist unsere Kampfposition nicht sehr gut, junger Freund!" sprach Dan nach kurzem Überlegen.
Noch immer hatten die drei Hexen kein Wort geäußert. Das sollte sich nun ändern.
„ Sie wird auch nicht besser werden. Barbarenfürst!" sagte die Greisin kichernd,
und in ihren schwarzer. Augen lag ein bösartiges Funkeln.
Dann begann sie zu gestikulieren. Hogan ahnte, was das bedeutete.
„Wir müssen hier raus!" flüsterte er gepreßt.
Tally-O Dan schien das- selbe gedacht zu haben,
denn im gleichen Moment griff er nach dem Arm des jungen Barbaren, um ihn mit sich zu ziehen.
Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte der Anblick ihrer Flucht vielleicht komisch gewirkt.
Doch nicht einmal die Hexen lachten, als die beiden Fersengeld gaben.
Schwarze Schatten wogten um die Greisin Mahhra, Schatten aus den unheiligen Klüften jenseits von Raum und Zeit.
Das Gesicht der Hexe war in tiefer Konzentration zu einer regungslosen Maske erstarrt;
nur auf der Stirn zeigten sich Schweißperlen und zeugten von ihrer übermenschlichen Anstrengung.
Sie war dabei einen Dämon zu beschwören
– jenen Dämon, den sie dazu auserkoren hatte Tally-O Dans Ableben herbeizuführen.
Ihre Schwestern, die bis jetzt regungslos neben ihr gestanden hatten,
sahen sie fragend an. Sie hüteten sich jedoch, sie anzusprechen, da dies verheerende Folgen haben konnte. „ Was tun wir, Evenya? „ , flüsterte die jüngste Hexe
und fuhr sich mit der Hand durch das feuerrote, hüftlange Haar, während die sich entfernenden Schritte von Hogan und Dan auf dem Korridor verhallten.
Die Ältere kicherte leise.
„Wir verfolgen die beiden natürlich, Sindra, was dachtest du denn?"
Langsam setzten sich die beiden Hexen in Bewegung,
Mahhra hinter sich zurücklassend,
deren dürre, faltige Gestalt immer stärker von den schwarzen Schatten umwogt wurde.
Die beiden Sonnen standen mittlerweile im Zenit, und es war heiß auf der Barbarenwelt.
Im Palast des Herrschers von Patena war jedoch nicht viel davon zu spüren.
„Wohin fliehen wir?" fragte Hogan gepreßt, während er neben Tally-O Dan durch die endlosen Korridore rannte.
„Wir schaffen uns eine günstigere Ausgangsposition!" erwiderte der Herrscher knapp.
Er wirkte unglaublich ruhig und gefaßt. Nur wenn man genauer hinsah, bemerkte man, daß
auch er sich nicht allzu wohl in seiner Haut fühlte.
Das war allerdings kein Wunder. Wann hatte man es auch schon einmal mit Hexen zu tun?
Wenn normalerweise jemand ein Attentat auf ihn plante, was recht häufig vorkam,
dann handelte es sich dabei um gewöhnliche Meuchelmörder,
nicht aber um Geschöpfe aus dem Reich der Nacht,
deren Akzeptanz Tally-O Dan nach wie vor schwer fiel. Unvermittelt kam der Anführer der Patena-Barbaren zum Stehenund öffnete eine faustgroße Klappe im Mauerwerk.
„Zoquar!" brüllte Dan in einer Lautstärke dort hinein, die Hogan zusammenzucken ließ. „Wir brauchen dich im Studierzimmer - sofort!"
Der Fürst ließ das Kläppchen wieder herunterfallen und grinste Hogan an
. „Diese Öffnung ist durch einen Kanal im Mauerwerk mit den Gemachem unterhalb des Palastes verbunden , und so kann ich Zoquar jeder- zeit rufen, wenn es mir beliebt", stellte Dan fest.
„Eine äußerst praktische Erfindung! Man nennt sie, glaube ich, Telefon!"
Sprach's und schloß eine schwere Holzbohlentür auf, die wohl zu dem erwähnten Studierzimmer führte.
Tatsächlich befanden sich dann in dem Raum auch hunderte und aber hunderte staubiger Bücher
- jedenfalls nahm Hogan an, daß es sich um solche handelte. Schließlich hatte er noch nie eines gesehen. Wie denn auch, als Barbar?
Nachdem beide eingetreten waren, schloß Dan die Tür wieder ab
und begrüßte Zoquar, der sie aus unerfindlichen Gründen schon erwartete,
obwohl es keinen anderen Eingang zu diesem Zimmer zu geben schien.
„Feinde sind eingedrungen!" erklärte der Barbarenfürst knapp.
„Welcher Art?" fragte der weißhaarige alte Mann,
dem Hogan bereits kurz zuvor begegnet war,
als er sich auf dem Weg zu Dans Gemächern befunden hatte.
„Alpha-Kategorie! Es handelt sich um Hexen..."
„Oh, heiliger Rumpelstilz!" entfuhr Zoquar ein unverständlicher Fluch.
Seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen,
hatte auch er nicht mit solch einem Ereignis gerechnet.
Dann schien er sich wieder gefaßt zu haben.
„Gehen wir mal logisch vor", sagte er. „Es handelt sich um schwarzmagische Geschöpfe -
also wäre es nur klug, wenn wir sie auch mit schwarzer Magie bekämpften."
„Das ist wahr!" erwiderten Hogan und Dan wie aus einem Mund.
„Ich werde mich also in die einschlägigen Werke vertiefen, auf daß wir baldigst eine Lösung finden!"
Ruckartig erhob sich der Alte aus dem Sessel,
in dem er gesessen hatte, und schritt auf eines der Bücherregale zu.
Während er verschiedene Werke herauszog,
um darin zu blättern, gab er leise Kommentare zu den Titeln von sich: „NECRONOMICON... Blödsinn, WARLOCK... nein,
Jungs, das ist es auch nicht, der
HEXENHAMMER... längst überholt...
Der LEITFADEN ZUM ÜBERLEBEN AUF HORROR-CONS..."
Letzteres Buch betrachtete Zoquar mit einem ungläubigen Kopfschütteln
und warf es dann achtlos in eine dunkle Ecke des Raumes, wobei ein Lächeln um seine Lippen spielte.
„Unglaublich, womit sich manche Leute die Zeit vertreiben!" murmelte der Alte,
um sich dann wieder in die verbliebenen Büchertitel zu vertiefen.
Nach unendlich lang erscheinender Zeit schien Zoquar dann endlich
das richtige Buch gefunden zu haben,
denn ein strahlendes Grinsen überzog sein Gesicht.
„Das ist es!" rief er aus
. „Die berühmte SCHWARZMAGISCHE ABHANDLUNG ÜBER HEXEREI UND DUNKLE KÜNSTE von Wmha-Ta-Glic!"
Gemessenen Schrittes begab sich Zoquar zu einem Studierpult und begann zu lesen.
Als Dan und Hogan nach einigen Minuten immer noch ratlos dastanden, sah der Alte noch einmal auf.
„ Ihr könnt schon einmal versuchen, die drei Hexen mit herkömmlichen Mitteln aufzuhalten, bis ich einen Weg gefunden habe! „
Dan, nun wieder ganz der Herrscher nickte.
-Gut!" sprach er mit fester Stim- me. „Wir werden tun, was in unserer Macht steht!"
Doch Zoquar war längst wieder in seine Studien vertieft.
Sindra, die rothaarige Hexe, die Hogan bereits im Gollar-Ratth begegnet war, fröstelte, als sie gemeinsam mit ihrer Gefährtin durch die Korridore schlich.
Sie ahnte bereits jetzt, daß die ganze Sache kein gutes Ende nehmen würde,
doch sah sie sich außerstande, etwas gegen diese Entwicklung zu tun.
Durch den Blutbund von Ssarkh war sie an ihre bösartigen Schwestern gebunden
und konnte nur gelegentlich versuchen, die positiven Eigenschaften der Barbarenwelt zu fördern
Die Resultate wurden allerdings meist sofort wieder zunichte gemacht;
was Sindra sehr frustrierte.
„ Hier müssen sie irgendwo sein! „, , zischte Evenya- jene Hexe,
die die Gestalt einer Frau im Alter von rund 40 Jahren angenommen hatte –
und ihr Gesicht nahm einen gierigen Ausdruck an.
Sindra nickte abwesend.
Sie hörte ihrer Schwester kaum zu.
Viel zu sehr war sie mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, als das sie sich konzentrieren können.
Hätte sie doch nur gewusst, wie der Blutbund von Ssarkh aufzulösen war!
Zehn Meter vor den beiden Hexen öffnete sich eine Tür, und Hogan und Dan traten auf den Flur.
Mahhra, die Greisin und Oberhaupt der drei Schwestern, wurde mittlerweile gänzlich von den schwarzen Schatten eingehüllt, als sie plötzlich eine Stimme vernahm.
Selbst ihr, die schon mehr Scheußlichkeiten erlebt und praktiziert hatte,
als es in einem normalen Menschenleben möglich war, rann ein Schauer über den Rücken.
„WOMIT KANN ICH DIENEN, HERRIN?"
fragte jemand, und aus den Schatten begann sich eine Gestalt herauszuschälen.
Mahhra betrachtete das unheilige Geschöpf, das sie beschworen hatte,
und nur mit Mühe schaffte sie es, einen Schrei zu unterdrücken.
„Verdammt!" fluchte Tally-O Dan, als er die beiden Hexenschwestern erblickte,
die ihnen in einiger Entfernung gegenüberstanden,
und Hogan konnte ihm das lebhaft nachfühlen,
Ohne weiter nachzudenken, brachte der Barbar seine ungewöhnliche Waffe in Anschlag,
die er nach wie vor als Zauberwerk betrachtete, obgleich sie lediglich das Produkt einer hoch stehenden Technologie darstellte.
Er wußte, die Waffe hatte ihn im Stich gelassen -
vor wenigen Stunden in der der Schädelstadt, als er einer Horde blutgieriger Untoter gegenübergestanden hatte- doch vielleicht handelte es sich dabei ja nur um einen Bedienungsfehler.
Hogan studierte das Display.
Die gelb leuchtende Anzeige, die dort erschienen war, als seine Waffe versagte, war wieder dem roten Symbol gewichen.
Wenn jetzt die Waffe tatsächlich funktionierte, dann würde er die Hexen vielleicht töten können.
Er hatte zwar im Gollar-Ratth einmal vergeblich auf Sindra gefeuert,
doch war sie ihm dort nur als Projektion erschienen, während ihm die beiden hier leibhaftig gegenüberstanden.
Ein Versuch kann ja nicht schaden, dachte sich unser Barbar, zielte auf Evenya und betätigte den Auslöser.
Und tatsächlich - das Energieelement im Inneren der Waffe hatte sich regeneriert!
Das Resultat war im wahrsten Sinne des Wortes umwerfend.
Die Hexe wurde von der unvermittelten Wucht des fingerbreiten Feuerstrahls von den Füßen gerissen und an eine Wand des Gebäudetraktes geschleudert,
wo sie reglos liegenblieb.
In ihrem Körper klaffte ein faustgroßes Loch.
„Bei den Göttern!" entfuhr es Tal- ly-O Dan, der Hogans Waffe ja noch nicht kannte. „Ist sie tot?"
„Nein", erwiderte Sindra leise. „Ihre Brust hebt sich noch!
Es wird allerdings eine Weile dauern, bis sie sich regeneriert hat..."
Hogan legte erneut an,
feuerte aber nicht, fühlte er doch wieder jenes seltsame Gefühl der Zuneigung für Sindra in sich aufsteigen, das es ihm einfach unmöglich machte, auf sie zu schießen.
„Mach schon!" murmelte Dan und stieß ihm in die Rippen.
Hogan schüttelte den Kopf.
„Sindra!" sprach er stattdessen.
Die rothaarige Hexe hob den Kopf und blickte dem Barbaren tief in die Augen.
„Du erweckst den Anschein, als wäre in dir noch ein Funken Menschlichkeit!" stellte dieser fest.
„Immerhin hast du mich vor diesem Attentat auf Dan gewarnt.
Darum werde ich dich jetzt nicht erschießen -
es sei denn, du machst Anstalten, uns anzugreifen!"
„Hogan...", begann die Hexe und machte einen Schritt nach vone.
Die Finger des Barbaren näher- ten sich dem Auslöser.
Traurig lächelnd schüttelte die Hexe den Kopf,
wandte sich um und wollte sich langsamen Schrittes entfernen,
als der Gang in pulsierendem Schwarz explodierte und den Blick auf eine Kreatur freigab,
die nur dem Alptraum eines Wahnsinnigen entsprungen sein konnte.
Gräßliche, mit eitrigen Schwären bedeckte Tentakel peitschten den Gang entlang,
als sich das monströse Geschöpf auf die kleine Gruppe zuwälzte,
wobei sie dumpfe Laute aus- stieß, die entfernt an menschliche Schreie erinnerten.
„Runter!" rief Hogan,
und Sindra, die reglos dagestanden hatte, warf sich gehorsam zu Boden.
Einen Sekundenbruchteil später raste ein breitgefächerter Energiestrahl über ihren Rücken hinweg und traf den amorphen Körper des Monstrums,
dem dies jedoch wenig auszumachen schien.
Im Gegenteil, es schien sogar zu wachsen, als würde es die Energie aus Hogans Waffe auf seltsame Weise absorbieren.
Hogan schien dies nicht zu bemerken, .er war in Panik geraten.
Mit weit aufgerissenen Augen betätigte er erneut den Auslöser
und schaltete auf Dauerfeuer.
Die Kreatur stieß ein Lachen aus, das die Ohren der Männer schmerzen ließ,
und wälzte sich weiter in den Gang, während sie unaufhaltsam zu wachsen schien.
„Feuer sofort einstellen!" befahl Dan, der die Sachlage bereits erkannt hatte.
Wie betäubt nahm Hogan den Finger vom Auslöser und blinzelte.
Immer näher wälzte sich der schwarzpulsierende Leib des Dämonen auf die Gruppe zu
und füllte fast den gesamten Gang aus.
Da kam Sindra, die sich mittlerweile vom Boden erhoben hatte,
die einzige rettende Idee: „Mahhra - ihr müßt Mahhra finden!"
Die greisenhafte Hexe stand immer noch in tiefer Konzentration
im Thronsaal Tally-O Dans und bemühte sich den Dämon in dieser Welt zu halten,
damit er seinen Auftrag ausführte
Doch ihre Macht. hatte bereits abgenommen,
die Beschwörung erforderte große Kraft. Außerdem musste etwas mit Evenya geschehen sein; ihr magisches Potential war anscheinend nicht mehr für Mahhra verfügbar.
Diese Tatsachen machten es der Hexe immer schwerer den Dämon nicht zu verlieren.
„ Du hast ausgespielt, Mahhra! „
sagte da eine harte Stimme hinter ihr, und ein Teil ihrer Persönlichkeit tauchte wieder an die Geistesoberfläche.
Entfernt nahm sie wahr, daß Sindra zusammen mit dem Barbaren und dem Fürsten Patenas in den Thronsaal getreten war.
Mahhra stieß eine Verwünschung aus und begann, den Dämon zurück in den Saal zu dirigieren.
Die drei Neuankömmlinge erschraken unwillkürlich,
als sie den Saal betraten, denn der Leib Mahhras war seltsam aufgedunsen,
als hätten Hogans Schüsse und das daraus resultierende Mutieren des Dämons
auch Auswirkungen auf den sterblichen Körper der Hexe gehabt.
Tally-O Dan stand mit geweiteten Augen da und betrachtete grauenerfüllt
die schreckliche Szenerie. Für einen Mann, der jede Art von Zauberei am liebsten zum Teufel gewünscht hätte, mußte er in den letzten Stunden ganz schön was durchstehen!
„Was machen wir jetzt?" fragte er schließlich an Hogan gerichtet.
Dieser gab die Frage an Sindra weiter.
Die Hexe lächelte traurig. „Du wirst auf Mahhra feuern, so daß sie außer Gefecht gesetzt wird. Das wird sie zwar nicht töten, aber der Dämon wird dadurch verschwinden, denn ohne Mahhras Zutun kann er sich nicht in unserer Daseinssphäre halten."
Mit ruhigen Bewegungen legte Hogan an.
-Zwischen die Augen!" forderte Sindra, in der die Hoffnung keimte,
sich auf diese Weise von dem verhängnisvollen Blutbund zu lösen.
Hinter ihnen wälzte sich mit einem abscheulichen Schmatzen der amorphe Dämonenleib in den Saal.
Hogan feuerte.
Der Energiestrahl aus der Waffe des Barbarenkriegers traf die Anführerin der Schwestern der Nacht tatsächlich genau zwischen die Augen.
Mit einem gräßlichen Schrei löste Mahhra sich aus ihrer Konzentration und wurde zu Boden geschleudert, während sich die schwarzen Schatten abrupt verflüchtigten.
Der Dämon stieß ein unirdisches Seufzen aus,
wobei er zusehends kleiner wurde, bis er nach einigen Minuten endgültig verschwand.
Hogan grinste erleichtert. Dann fiel sein Blick auf Sindra.
„Warum hast du uns geholfen?" fragte er.
Die Hexe lächelte.
„Ich gehörte ihnen nicht freiwillig an, aber das ist eine lange Geschichte,
die ich dir ein anderes Mal erzählen werde, Hogan. Ich habe nämlich beschlossen, bei dir zu bleiben!"
„Du meinst, du wirst nicht mit deinen Gefährtinnen fortgehen?"
fragte er ungläubig. Sindra nickte.
„Der Blutbund von Ssarkh - der Bund,
durch den ich vor langer Zeit ein Mitglied ihrer Gesellschaft wurde -
ist zwar längst nicht hinfällig, doch ich bin jetzt stark genug, um offen dagegen anzukämpfen...", sie machte eine bedeutungsvolle Pause,
bevor sie weitersprach, „...wenn ihr mir helft!"
Nun lächelte Hogan.
Nickend sagte er: „Natürlich tun wir das, Sindra, aber sei gewiß, daß
wir dich gut im Auge behalten werden!"
„Ich verstehe, daß es dir schwer fällt, mir zu trauen, doch die Zeit
wird zeigen, daß ich es ehrlich meine, Hogan!"
Zu ihren Füßen krabbelte Mahhra umher und stieß unverständliche Laute aus, als habe sie den Verstand verloren.
Es war vorbei. Hogan und Dan mochten es noch nicht so recht glauben,
doch es war tatsächlich vorbei.
Sie hatten den Bund der Hexen vorläufig zerschlagen
und sich eine der ihren zur Verbündeten gemacht.
Nun, nachdem die Verwüstungen
im Thronsaal beseitigt worden waren
und die Soldaten des Barbaren- fürsten Mahhra und Evenya eingekerkert hatten,
saßen unsere drei Gefährten in einem kleinen, aber
nichtsdestotrotz prunkvollen
Gemach im Westtrakt des Palastes und speisten zu Abend.
„Ich danke euch beiden für euer Eingreifen!"
sprach Tally-O Dan und lächelte Hogan und Sindra an,
die sich -jetzt, da der Alltag wieder ein- gekehrt war - vor der Gestalt dieses legendären Herrschers etwas unbe- haglich fühlten. „Das war selbstverständlich für mich, mein Lord!" erwiderte Hogan mit fester Stimme
und blickte dem Langen Dan in die Augen.
Der machte eine wegwerfende Geste.
„ Nenn mich Dan - diese Titel haben so etwas Übermenschliches
.Aber -sag mir Freund, möchtest du nicht an meinem Hof bleiben und als Berater Dienst tun?"
Hogans Augen wurden groß.
Mit einem solchen Angebot hatte er nicht gerechnet.
„Natürlich, mein Lord!" antwortete er unwillkürlich, u
m sich dann zu verbessern: „...Dan ! „
Somit war das Eis gebrochen -
und als völlig unvermittelt Zoquar hereinkam,
der endlich ein Mittel zur Bekämpfung der Hexenplage gefunden hatte,
brach sich ihre gelöste Stimmung in einem befreienden Lachen Bahn.
ENDE des dritten Teils
c 28.-30.04.1993 by Mike Breuer/
Uwe Vitz - 1. Feb, 15:11
