Würfelwelt 19
Flammenprinz
v. Michael Breuer
(Commervahn)
Die Legende von Flammenlanze 1
Dunkelheit lag über dem ausgedehnten tropischen Sumpfgebiet, das von
den Bewohnern des Kontinents den
Namen Gollar-Ratth erhalten hatte;
und zum ersten Mal seit seiner
Flucht von Lo-Pan glaubte sich der
junge Barbar Hogan endlich in Sicherheit.
Aus diesem Grund hatte er beschlossen, sich ein wenig Ruhe zu
gönnen. So saß er nun hier, mit dem breiten Rücken gegen einen Baum
gelehnt, während er erschöpft zurückdachte.
Eine Woche war es jetzt her, daß
er den Ausbruch gewagt hatte, nach-
dem er fast zwei Jahrzehnte - also
seine gesamte Kindheit und Jugend
- an diesem furchtbaren Ort hatte
verbringen müssen. Er erinnerte sich
nicht gern daran.
Lo-Pan war früher einmal ein Ort
blühenden Lebens gewesen, bis vor
vielen Jahren der caanitische Tyrann
Creagan die Macht ergriffen und die
kleine Insel seinem Reich einverleibt
hatte. Alte Leute, Frauen und Kinder,
die noch nicht alt genug waren,
um körperlich zu arbeiten, starben einen grausigen Tod unter den
Schwertern der Soldaten, und die
verbliebenen Männer und Jugendlichen bauten fortan jenes Rauschgift
für den König an, mit dem dieser so
schwunghaften Handel trieb.
An diesem Ort war Hogan aufgewachsen.
Er war der Sohn eines
Kree-Kriegers und einer Malorin,
was man ihm durchaus ansah. Er
trug die gleichen Gesichtszüge wie sein Vater und hatte auch dessen
stahlgraue Augen geerbt. Von seiner
malerischen Mutter hatte er hingegen das tiefschwarze
Haar mitbe- kommen und auch die Geschicklichkeit im Sattel.
Das verwunderte nicht, denn die Maloren waren ein
tartarenähnliches Reitervolk, das die
weiten Steppen des Kontinents Irrgh bevölkerte
und des öfteren kleinere Auseinandersetzungen mit den
Kree hatte, welche an Wikinger erinnerten und sich auf See
heimisch fühlten .Hogan hatte nach seiner Geburt
einige Jahre zusammen mit seiner
Mutter innerhalb ihres Stammes
gelebt, als eines Tages aus unerfindlichen Gründen
drei Hexen Anspruch auf ihn erhoben und das Dorf
mit einem Fluch belegten, als Hogans
Mutter den kleinen Jungen nicht
hergeben wollte. Sie schworen, dereinst erneut zu
kommen und ihr Recht zu fordern, wenn die Zeit reif
war, doch wurden sie nie wieder gesehen. Ihr Fluch erfüllte sich dennoch.
Ein plündernder Kree-Stamm war wie der Sturmwind über das
Dorf gekommen und hatte es den Erdboden gleichgemacht.
Seine Mutter war einen grausigen Tod in den Flammen ihres Hauses gestorben
während man den weinenden Knaben
an die Caaniter verkaufte, die
ihn nach Lo-Pan verschifften, wo er bis vor einer Woche Zwangsarbeit für
den Tyrannen Creagan hatte leisten
müssen.
Dann, an seinem fünfundzwanzigsten Geburtstag, hatte er sich endlich entschlossen,
seine lange gehegten Fluchtpläne in die Tat umzusetzen.
Gemeinsam mit einigen anderen Strafarbeitem hatte er die Wächter
auf eine falsche Fährte gelenkt, indem ein Gefangenenaufruhr inszeniert
wurde. Währenddessen hatten
die Ausbrecher genug Zeit gehabt, sich ein Boot zu kapern und in See
zu stechen. Am zweiten Tag ihrer Flucht waren sie dann in der Nähe der Küste
von Irrgh in einen Sturm geraten,
wobei das Boot an den Klippen zerschellte. Als Hogan, der hierbei das
Bewusstsein verloren hatte, wieder
erwachte, befand er sich an einem
Sandstrand unmittelbar vor den undurchdringlichen Wäldern des Gol- lar-Ratth.
In diesem Augenblick hatte er gewußt, daß er es geschafft hatte -
daß er gerettet war!
In die Wälder würde ihm niemand folgen. Kein Caaniter würde es wagen, das Risiko einzugehen, mit den
Daaih-Ta Bekanntschaft zu machen
- ganz zu schweigen von der Tatsache, daß sie wegen einer Handvoll
Flüchtlinge nicht die Strapazen ei- ner mehrtägigen Seereise in Kauf nehmen würden.
Nun war er also schon seit einer Woche auf der Flucht, doch ungeachtet dessen,
daß ihn die Caaniter endlich in Ruhe ließen, war Hogan kein
Frieden vergönnt.
Sofort, nachdem er den Dschungel des Gollar-Ratth betreten hatte,
vernahm er leises Wispern aus den Büschen - ein Wispern, das nur be-
deuten konnte, daß sich die Daaih- Ta auf seine Spur gesetzt hatten.
Schaudernd dachte Hogan daran, was ihm zustoßen würde, wenn er
diesen Kreaturen in die Hände fiel, und beschleunigte seine Schritte.
Über die Sumpfbewohner war Außenstehenden nur sehr wenig bekannt,
da kaum jemand das Gollar- Ratth lebend durchquert hatte. Es
handelte sich jedenfalls um degenerierte
Kreaturen, die von einem unstillbaren Hunger
nach Menschen- fleisch getrieben wurden und jeden
zerfleischten, der ihnen zu nahe kam.
Hogan erinnerte sich daran,
daß sein Vater ihm einmal eine Geschichte erzählt hatte. Damals hatte
noch Gunter der Grausame über das
Volk der Kree geherrscht. Eines Tages hatte dieser sich entschlossen,
eine Armee in das Gollar-Ratth zu entsenden,
von der nur wenige Männer zurückkehren sollten.
Hoffnungslos wahnsinnig und dem Tode nahe, berichteten sie von hageren,
braungrünen Dämonen des Sumpfes,
doch Gunter schob die Verantwortung für den Tod der Männer in seiner
Dummheit auf das Volk der Maloren, die am Rand des Gollar-Ratth
einen Tempel besaßen. So erklärte er
dem Reitervolk den Krieg - einen
Krieg, der andauern sollte, bis etwa 100 Jahre später der Wilde Isir an
die Macht kam.
Hogan stieß einen wilden Fluch aus, als er plötzlich nach Stunden der
Ruhe erneut jenes grauenerregende Wispern vernahm, und sprang blitzartig auf.
Suchend blickte er umher, um in einiger Entfernung rotleuchtende
Augen aufblitzen zu sehen, die nur den Daaih-Ta gehören konnten.
Hogan erschauerte, als er erkannte, daß die Monstren sich bereits in
seiner Sichtweite befanden, und tat das einzig Richtige - er rannte los!
Doch allzu schnell machte sich die Erschöpfung in Form von Seitenstechen und Atemnot
bemerkbar. Immer wieder verschwamm der Dschungel vor Hogans Augen, und
gern hätte er sich einfach fallen lassen, um den Dingen ihren Lauf zu
lassen, aber das barbarische Kreeblut seines Vaters protestierte dagegen.
So rannte er also weiter.
Augenblicke später blieb er jedoch wie angewurzelt stehen
. Grelles Tageslicht blendete seine Augen, als er
so unvermittelt auf einer gigantischen Lichtung innehielt,
denn im Dschungel herrschte ein trübes
Halbdunkel.
Als sich seine Augen einen Sekundenbruchteil später an das Licht der zwei Sonnen gewöhnten,
sog er den Atem tief ein, denn das,was er nun sah, entsprach ganz
und gar nicht dem, was er im Gol- lar-Ratth vorzufinden gedacht hatte.
Vor ihm ragte ein riesiger Tempel aus schwarzem Basaltgestein in den
Himmel. Hogan staunte. Er fragte sich, wie viele Generationen von
Sklaven wohl über dem Bau dieses Gebäudes ihr Leben gelassen hatten,
und ob die Erbauer vielleicht die Daaih-Ta sein mochten, schob diesen
Gedanken aber sofort wieder weit von sich.
Er hatte auch gar keine
Zeit, über solche Dinge nachzugrübeln.
Immer noch waren ihm die Sumpfdämonen auf den Fersen - und
sie würden nicht eher von ihm ab- lassen, bis er völlig zerfleischt zu ihren Füßen lag.
Immer lauter wurden die blutgierigen Rufe in Hogans Rücken, und
blitzartig setzte er sich wieder in Bewegung, um zielstrebig in Richtung Tempel zu laufen.
Wenn es im Sumpf überhaupt irgendeinen Ort
gab, an dem er sich verstecken konnte, dann war es dieser!
Mit weit ausgreifenden Schritten
hastete der junge Barbar die steilen Stufen empor, die zahlreiche bräunliche Flecken aufwiesen,
an getrocknetes Blut erinnernd.
Unangenehme Gedanken an Menschenopfer drängten sich in sein Bewußtsein.
Immer näher kam er dem dunklen, unheilverkündenden Schlund, der das Eingangsportal des Tempels darstellte.
Furchtbare Dämonenfratzen waren in den schwarzen Stein über dem Tor
gemeißelt worden, und wieder fragte sich Hogan, welch grauenerregenden Kreaturen hier gehuldigt worden sein mochte.
Unter den Strafgefangenen von Lo-Pan gab es Angehörige vieler
Glaubensgemeinschalten, und Hogan hatte dort mancherlei Dinge kennengelernt,
die andere Leute abgestoßen hätten. Dies hier jedoch ging
selbst über sein Fassungsvermögen hinaus!
Ein Daaih-Ta-Speer sirrte an sei- nem rechten Ohr vorbei,
und mit einem Hechtsprung rettete sich der junge Barbar in die kühle Dunkelheit des Tempels.
Sekundenlang blieb Hogan am Boden liegen und orientierte sich.
Die Halle, in der er sich nun befand, maß
etwa 100 x 100 Meter und hatte eine Deckenhöhe von ca. 5 Metern.
Links und rechts von Hogan ragten hohe Basaltsäulen auf, welche das Gewölbe stützten,
und sowohl die Decke als auch der Tempelboden waren mit
reichen Ornamenten und Mosaike-
verziert, die abstoßende Szenen darstellten, an die sich der Barbar später in seinen Alpträumen noch lange
erinnern sollte. Der Boden war dick mit Staub bedeckt, ein untrügliches
Zeichen dafür, daß dieser Ort schon seit langem verlassen war.
Das erfüllte ihn mit einer gewissen Zufriedenheit.
Vielleicht hatte er ja Glück, und die Daaih-Ta sahen diesen Tempel als
einen tabuisierten Ort an.
Andererseits jedoch würden sie sich dann mit Sicherheit vor den Tempel setzen und
warten, bis der Hunger ihn wieder hinaustrieb.
So oder so - es war eine ausweglose Lage, in der er steckte.
Hogan fluchte, als er die reglosen Schatten der Sumpfgeschöpfe im Eingangsportal erblickte.
Ihre Augen funkelten immer noch rot, doch schienen sie von einer gewissen
Nachdenklichkeit ergriffen worden zu sein.
Zumindest wagten sie nicht, in den Tempel einzutreten.
Das gab Hogan Zeit, sich eine neue Flucht- strategie zu überlegen.
Seufzend erhob er sich vom Boden und klopfte den Staub ab.
Langsam schritt er ins Innere des Tempels, der sich schier endlos auszudehnen schien.
Ab und zu drehte sich der junge Kree-Abkömmling um und betrachtete die Sumpfgeschöpfe, die nach
wie vor reglos vor dem Portal standen.
Hogan erschauerte, als er immer tiefer in den Tempel vordrang und
am anderen Ende des Gewölbes eine Art Sarkophag entdeckte.
Zumindest stellte es für den Kree einen Sarkophag dar.
Als er sich dem seltsamen Kasten bis auf zehn Schritte genähert hatte,
wurde seine Neugierde plötzlich größer als seine Angst, und kopfschüttelnd trat er heran
. Er frage sich, was er hier vor sich hatte, denn um einen Sarg schien es sich wohl doch
nicht zu handeln. Viel wahrscheinlicher war, daß dieses Behältnis etwas mit Zauberei und - Schwarzer Magie zu tun hatte.
An der Frontseite des Kastens befanden sich seltsame Schalter und
Kipphebel, an denen Hogan gerne einmal herumgespielt hätte, wäre er nicht so von Ehrfurcht ergriffen gewesen.
Einige Stellen waren matt, und dort blinkten seltsame Leuchtanzeigen, die sich ständig veränderten.
Nun erst wagte Hogan den Blick ins Innere des Kastens. Unwillkürlich hielt der junge Barbar den Atem an.
Vor ihm, innerhalb des sargähnlichen Behältnisses, lag
eine dunkelgekleidete, humanoide Gestalt mit der eindrucksvollen Körpergröße von
2,10 Metern. Der Anblick des Gesichts wurde Hogan verwehrt,
da der Kopf von einem undurchsichtigen, kugelförmigen Helm
umschlossen war, in den von allen
Seiten Schläuche und Kanülen hin- einführten.
Allerdings hatte der Barbar auch keine sonderliche Lust, das Gesicht
dieses fremdartigen Wesens zu erblicken, bei dem es sich um alles
mögliche handeln mochte, aber mit
Sicherheit nicht um einen natürlichen Bewohner der Barbarenwelt.
Wäre Hogan auf einer Welt aufgewachsen, wo man sich mit den Geheimnissen
der Raumfahrt beschäftigte, so hätte er zu Recht vermutet,
daß es sich bei dem reglosen Fremden um einen Außerirdischen handelte
- aber so hielt er ihn nur für einen Dämonen.
. Unfähig, sich länger zurückzuhalten, streckte der Barbar die rechte
Hand aus und legte sie zögernd auf die warme Glasplatte, welche leicht zu vibrieren begann.
Gleichzeitig begannen die Leuchtanzeigen an der Seite des Gerätes hektischer zu blinken.
Sekundenlang war ein durch- dringender Piepton zu hören
. Kurz sah Hogan nach hinten und erblickte dort die Daaih-Ta, die sich zögernd in den Tempel hineinwagten,
um sich ratlos umzuschauen.
Er fluchte abermals und nahm seine Hand von der Platte herunter.
Was er jetzt brauchte, war eine Waffe! Blitzschnell ließ der Kree-Ab- kömmling seine Augen durch den
Raum schweifen und erblickte an der Wand eines Seitentraktes eine kleine Tür.
Sofort rannte er darauf zu, fand jedoch keine Klinke oder etwas ähnliches.
Stattdessen befand sich an der rechten Seite des Rahmens ein kleines Bedienungsfeld mit mehreren Tasten.
Hogan überlegte. Nach einem kurzen Augenblick tippte er wahllos
auf den verschiedenen Knöpfen herum, bis die
Tür plötzlich mit einem metallischen Scharren zur Seite glitt.
Langsam betrat er den Raum. Seltsame Gerätschaften hingen an
den fensterlosen Wänden des dunklen Gewölbes, das nur von einem
schwachen Dämmerschein erhellt wurde, dessen Quellen nicht auszumachen waren.
Nachdenklich sah Hogan sich um und erkannte, daß es sich wohl um
eine Art Waffenkammer zu handeln schien. Da waren Kriegskeulen, wie
er selbst zwar nie eine besessen hatte, von denen er aber wußte,
daß sein Volk sie benutzte, prachtvolle Schwerter und andere Dinge, deren
Bestimmungszweck sich der Barbar beim besten Willen nicht vorstellen
konnte. Kurzerhand hängte er sich einige der kunstvoll gefertigten Waffen um
und widmete sich dann den Dingen, die ihm fremdartig erschienen.
Interessiert nahm Hogan eines der Geräte aus der Wandhalterung
und wog es in den Händen.
Es war relativ leicht, bestand jedoch aus einem ihm unbekannten Metall.
Die Waffe hatte an einem Ende einen Kolben, an welchem ein Schultergurt
befestigt war, während ihn die vordere Hälfte an einen Stock erinnerte.
Allerdings war dieser „Stock" hohl und innen von einem stetigen dunkelroten Glühen erfüllt.
Auch diese Waffe verlügte, ebenso wie der Sarkophag und die Tür zu diesem Raum
über mehrere Tasten und Bedienungsfeldanzeigen, deren Sinn der
Barbar freilich nicht verstand, da sie in einer für ihn fremden Sprache beschriftet waren.
Die einzige Tatsache, über die er sich im klaren war
war die, daß es sich bei diesem Gegenstand um eine Waffe handelte, die
ihn möglicherweise vor den blutgierigen Daaih-Ta retten konnte.
Neugierig auf die Funktionsweise des Gerätes preßte Hogan der
breiten Kolben gegen seine Schulter und aktivierte eines der Bedienungsfelder.
Ein fingerbreiter Feuerstrahl schoß aus dem dünnen Ende der
Waffe, um die gegenüberliegende Wand zu treffen. Das Ergebnis war umwerfend.
Die Explosion, die Hogans Schuß auslöste, schien desser Trommelfelle platzen zu lassen.
Erschrocken schleuderte er die Waffe von sich, die er nun als Teufelswerkzeug ansah.
Gleich darauf sah er jedoch lauernde Schatten in der Türöffnung
stehen und stellte fest, daß es keine schlechte Idee war, diese Waffe des Teufels
gegen seine eigenen Geschöpfe einzusetzen.
Er war erschöpft; er hatte in den
letzten Tagen kaum geschlafen. Er war war hungrig, und er hatte Angst.
Mit einer blitzartigen Bewegung griff er nach dem Gewehr, brachte
es in Anschlag und feuerte auf' die dunklen Gestalten im Türrahmen.
Schrille Schreie drangen an. seine Ohren, als die Daaih-Ta in einem Ball aus Feuer verglühten und so in die
Hölle zurückkehrten, die sie vor Jahrhunderten ausgespuckt hatte.
Hogan stieß ein irres Kichern aus. Die Ereignisse schienen zuviel für seinen Geist zu sein.
Langsam tastete er sich durch den Türrahmen und wurde weiterer Sumpfwesen gewahr,
die dichtgedrängt um den Sarkophag standen und dumpfe, rasselnde Laute ausstießen.
Der Barbar runzelte die Stirn, als er bemerkte, wie sie sich an dem
Gerät zu schaffen machten und wahllos Knöpfe drückten,
bis er dem Spiel schließlich mit einem gezielten Schuß ein Ende bereitete.
Sekunden später mußte er feststellen, daß dieser Schuß keine gute
Idee gewesen war, denn mit den Daaih-Ta hatte er auch den Sarkophag beschädigt,
und die daraus resultierende Explosion schleuderte den Barbaren quer durch den Raum.
Der Aufprall brachte ihn wieder etwas zur Besinnung.
So registrierte er jetzt auch die Stimme, die monoton irgendwelche
sinnlos erscheinenden Worte einer fremden Sprache aufsagte - ganz so,
als würde sie zählen. Gleichzeitig breitete sich ein beißender Flammengeruch im Tempel aus.
Hogan blickte sich um. Innerhalb des Gewölbes befanden sich zwar
keine Daaih-Ta mehr, doch er hatte ein äußerst ungutes Gefühl bei der
Sache. Am besten, so befand er, war es, wenn er den Tempel schnellstens
verließ. Das tat Hogan dann auch, doch im Eingangsportal blieb er wie angewurzelt stehen,
denn was er dort vor sich sah, das konnte - nein, das
DURFTE nicht sein!
Nur zu gut erinnerte er sich noch
an die drei Hexen, die seinerzeit den Fluch über sein Heimatdorf verhängt
hatten, doch hatte er nicht damit gerechnet, irgendwann einmal eine
von ihnen wiederzusehen.
Er hatte sich immer gefragt, warum die drei Frauen ihn wohl damals forderten, war aber stets zu dem
Schluß gekommen, daß sie ihn wohl einem ihrer unheiligen Götzen opfern wollten.
Offensichtlich war dies jedoch nicht so.
Eine von ihnen stand nun leibhaftig vor ihm.
Ohne mit den Füßen den Boden zu berühren, schwebte die Hexe im Eingang des
Tempelgebäudes und lächelte ihn provozierend an.
„Du?" rief er ungläubig, während
hinter ihm die Flammen immer höher züngelten und seinen Rücken versengten.
„Ich bin es, Flammenprinz!" bestätigte die Hexe,
die das Aussehen einer wunderschönen, rothaarigen
Frau im Alter von rund 20 Jahren angenommen hatte.
Hogan stieß einen grollenden Laut aus und brachte sein Gewehr in Anschlag.
Die Hexe kicherte.
„Ich bin nicht tatsächlich hier,
Hogan. Was du vor dir siehst, ist eine schwarzmagische Projektion."
Der Barbar ließ sie nicht ausreden, sondern feuerte auf ihre Körpermitte.
Der Schuß ging mitten hindurch, trat auf der anderen Seite
wieder aus und verbrannte in einiger Entfernung eine Baumkrone.
Abermals stieß die Hexe, deren Name Sindra lautete, ein gutgelauntes Kichern aus.
„Was willst du von mir?" presste Hogan hervor.
„Genüge euch dreien der Tod meiner Eltern nicht?"
Die Hexe lächelte und schlug- die Beine ineinander, um dann gewissermaßen im Schneidersitz vor ihm zu schweben.
Mit kalten Augen ließ der Barbar seine Blicke über ihren unbekleideten, üppigen Körper schweifen,
doch vermochte ihre Blöße ihn nicht zu reizen.
Immerhin hatte er hier kein menschliches Wesen vor sich!
„Es gibt Mächte auf dieser Ebene, Hogan, die an deinem Tod interessiert sind
-jetzt mehr denn je! Zukunft und Vergangenheit sind eins für diese Wesen, und so wußten sie,
daß du eines Tages hierher ins Gollar-Ratth kommen würdest.
Jetzt, da du in den Besitz dieser Waffe gelangt
bist, Flammenprinz, haben die Mächte des Guten auf der
COMMAR-VAHN einen entscheidenden
Trumpf, und das darf nicht sein! Das
Gleichgewicht der Kräfte muß stets
ausgeglichen sein - so wollen es die Götter..."
„Es ist mir gleich, was die Götter
- gute wie böse - von mir erwarten!" stellte Hogan klar. „Solange ich auf Lo-Pan war, haben sie sich auch nicht um mich gekümmert!"
„Da warst du auch nicht interessant für sie!"
erwiderte die Frau. „Erst jetzt, nach deinem Fund, bist du wichtig geworden.
Vormals war deine Rolle im kosmischen Gleichgewicht absolut unbedeutend,
du warst lediglich ein Statist in unserem Spiel -jetzt ist das anders!"
„Warum erzählst du mir das alles, Sindra?" rief er.
„Wer weiß, vielleicht möchte ich dich auf das vorbereiten, was dir nun bevorsteht.
Die Macht ist ein zweischneidiges Schwert, Hogan. Sie kommt und geht und hat auch große Nachteile.
Nie wieder wirst du dich sicher fühlen können."
Der Barbar runzelte die Stirn.
Die Worte der Hexe klangen ehrlich, und was Vor- und Nachteile der Macht betraf, mochte sie nur zu recht haben.
Die Frage blieb nach wie vor, was sie damit bezweckte.
„Ich werde jetzt gehen, Hogan". verkündete die schöne Hexe. „Meine Schwestern und ich haben den Auftrag erhalten, das Gleichgewicht wiederherzustellen – auf Patena!"
Auf Patena - der Insel der Barbaren!
Hogan, den Sindra den Flammenprinzen genannt hatte, erschauerte.
als er beobachtete, wie sich der Leib der Hexe in eine dünne Rauchsäule
verwandelte, die langsam vom Wind fortgetragen wurde.
Während hinter ihm der Tempel in Flammen aufging,
stieg der Barbar langsam die Stufen hinunter.
Unmenschlicher Gestank breitete sich über der Lichtung aus,
während Hogan sich fragte, wie die Hexen auf Patena wohl
das Gleichgewicht wiederherstellen wollten.
Dabei fiel ihm nur eine Möglichkeit ein.
Wenn er jetzt ein wichtiger Trumpf des Guten war, so mußte ein anderer dafür abtreten -
und da fiel Hogan nur eine Person ein, die hierfür in Frage kam.
Tally-O Dan - der Lange Dan! Der unumstrittene Anführer der auf Patena lebenden Barbaren,
bei denen es sich um jene Menschen handelte, die aus irgendeinem Grund
von Creagan und seinesgleichen geächtet worden waren - zu Unrecht
Verfolgte, die dort ihre neue Heimat gefunden hatten.
Hogan schulterte sein Gewehr und beschleunigte seine Schritte.
Er würde dieses Attentat zu verhindern wissen. Tally-O-
Dan durfte nicht sterben; er bedeutete Hoffnung
für tausende unschuldig verfolgte Menschen.
Während der Barbar im Dschungel verschwand, explodierte hinter
ihm der Tempelkomplex in einem gewaltigen Ball aus Feuer und
Rauch, doch er achtete nicht darauf. Das war jetzt Vergangenheit, es
zählte nicht mehr. Wichtigeres stand im Raum.
Dennoch mußte er jetzt wieder an Sindra denken.
Was hatte die Hexe mit ihren Warnungen bezweckt?
Kopfschüttelnd mußte der Barbar feststellen, daß er sich für einen kurzen Augenblick zu ihr hingezogen gefühlt hatte.
Aber das durfte nicht sein -
sie war eine Hexe, und seine Bestimmung war es, für das Gute einzutreten.
Wie hatte sie ihn doch gleich genannt?
Flammenprinz – Hogan lächelte angesichts dieses hochtrabenden Namens.
Nein, er war kein Prinz, beileibe nicht
. Er war nur ein einfacher Krieger mit einer besonderen Waffe,
von der er gerade mal wußte, wie er sie bedienen konnte.
Er war ein Kind, das mit dem Handwerkszeug eines Riesen hantierte.
Er war Hogan Flammenlanze.
ENDE des ersten Teils © Mittwoch, 07.04.1993, 10.24.15-15.00.55 Uhr by Mike Breuer/
v. Michael Breuer
(Commervahn)
Die Legende von Flammenlanze 1
Dunkelheit lag über dem ausgedehnten tropischen Sumpfgebiet, das von
den Bewohnern des Kontinents den
Namen Gollar-Ratth erhalten hatte;
und zum ersten Mal seit seiner
Flucht von Lo-Pan glaubte sich der
junge Barbar Hogan endlich in Sicherheit.
Aus diesem Grund hatte er beschlossen, sich ein wenig Ruhe zu
gönnen. So saß er nun hier, mit dem breiten Rücken gegen einen Baum
gelehnt, während er erschöpft zurückdachte.
Eine Woche war es jetzt her, daß
er den Ausbruch gewagt hatte, nach-
dem er fast zwei Jahrzehnte - also
seine gesamte Kindheit und Jugend
- an diesem furchtbaren Ort hatte
verbringen müssen. Er erinnerte sich
nicht gern daran.
Lo-Pan war früher einmal ein Ort
blühenden Lebens gewesen, bis vor
vielen Jahren der caanitische Tyrann
Creagan die Macht ergriffen und die
kleine Insel seinem Reich einverleibt
hatte. Alte Leute, Frauen und Kinder,
die noch nicht alt genug waren,
um körperlich zu arbeiten, starben einen grausigen Tod unter den
Schwertern der Soldaten, und die
verbliebenen Männer und Jugendlichen bauten fortan jenes Rauschgift
für den König an, mit dem dieser so
schwunghaften Handel trieb.
An diesem Ort war Hogan aufgewachsen.
Er war der Sohn eines
Kree-Kriegers und einer Malorin,
was man ihm durchaus ansah. Er
trug die gleichen Gesichtszüge wie sein Vater und hatte auch dessen
stahlgraue Augen geerbt. Von seiner
malerischen Mutter hatte er hingegen das tiefschwarze
Haar mitbe- kommen und auch die Geschicklichkeit im Sattel.
Das verwunderte nicht, denn die Maloren waren ein
tartarenähnliches Reitervolk, das die
weiten Steppen des Kontinents Irrgh bevölkerte
und des öfteren kleinere Auseinandersetzungen mit den
Kree hatte, welche an Wikinger erinnerten und sich auf See
heimisch fühlten .Hogan hatte nach seiner Geburt
einige Jahre zusammen mit seiner
Mutter innerhalb ihres Stammes
gelebt, als eines Tages aus unerfindlichen Gründen
drei Hexen Anspruch auf ihn erhoben und das Dorf
mit einem Fluch belegten, als Hogans
Mutter den kleinen Jungen nicht
hergeben wollte. Sie schworen, dereinst erneut zu
kommen und ihr Recht zu fordern, wenn die Zeit reif
war, doch wurden sie nie wieder gesehen. Ihr Fluch erfüllte sich dennoch.
Ein plündernder Kree-Stamm war wie der Sturmwind über das
Dorf gekommen und hatte es den Erdboden gleichgemacht.
Seine Mutter war einen grausigen Tod in den Flammen ihres Hauses gestorben
während man den weinenden Knaben
an die Caaniter verkaufte, die
ihn nach Lo-Pan verschifften, wo er bis vor einer Woche Zwangsarbeit für
den Tyrannen Creagan hatte leisten
müssen.
Dann, an seinem fünfundzwanzigsten Geburtstag, hatte er sich endlich entschlossen,
seine lange gehegten Fluchtpläne in die Tat umzusetzen.
Gemeinsam mit einigen anderen Strafarbeitem hatte er die Wächter
auf eine falsche Fährte gelenkt, indem ein Gefangenenaufruhr inszeniert
wurde. Währenddessen hatten
die Ausbrecher genug Zeit gehabt, sich ein Boot zu kapern und in See
zu stechen. Am zweiten Tag ihrer Flucht waren sie dann in der Nähe der Küste
von Irrgh in einen Sturm geraten,
wobei das Boot an den Klippen zerschellte. Als Hogan, der hierbei das
Bewusstsein verloren hatte, wieder
erwachte, befand er sich an einem
Sandstrand unmittelbar vor den undurchdringlichen Wäldern des Gol- lar-Ratth.
In diesem Augenblick hatte er gewußt, daß er es geschafft hatte -
daß er gerettet war!
In die Wälder würde ihm niemand folgen. Kein Caaniter würde es wagen, das Risiko einzugehen, mit den
Daaih-Ta Bekanntschaft zu machen
- ganz zu schweigen von der Tatsache, daß sie wegen einer Handvoll
Flüchtlinge nicht die Strapazen ei- ner mehrtägigen Seereise in Kauf nehmen würden.
Nun war er also schon seit einer Woche auf der Flucht, doch ungeachtet dessen,
daß ihn die Caaniter endlich in Ruhe ließen, war Hogan kein
Frieden vergönnt.
Sofort, nachdem er den Dschungel des Gollar-Ratth betreten hatte,
vernahm er leises Wispern aus den Büschen - ein Wispern, das nur be-
deuten konnte, daß sich die Daaih- Ta auf seine Spur gesetzt hatten.
Schaudernd dachte Hogan daran, was ihm zustoßen würde, wenn er
diesen Kreaturen in die Hände fiel, und beschleunigte seine Schritte.
Über die Sumpfbewohner war Außenstehenden nur sehr wenig bekannt,
da kaum jemand das Gollar- Ratth lebend durchquert hatte. Es
handelte sich jedenfalls um degenerierte
Kreaturen, die von einem unstillbaren Hunger
nach Menschen- fleisch getrieben wurden und jeden
zerfleischten, der ihnen zu nahe kam.
Hogan erinnerte sich daran,
daß sein Vater ihm einmal eine Geschichte erzählt hatte. Damals hatte
noch Gunter der Grausame über das
Volk der Kree geherrscht. Eines Tages hatte dieser sich entschlossen,
eine Armee in das Gollar-Ratth zu entsenden,
von der nur wenige Männer zurückkehren sollten.
Hoffnungslos wahnsinnig und dem Tode nahe, berichteten sie von hageren,
braungrünen Dämonen des Sumpfes,
doch Gunter schob die Verantwortung für den Tod der Männer in seiner
Dummheit auf das Volk der Maloren, die am Rand des Gollar-Ratth
einen Tempel besaßen. So erklärte er
dem Reitervolk den Krieg - einen
Krieg, der andauern sollte, bis etwa 100 Jahre später der Wilde Isir an
die Macht kam.
Hogan stieß einen wilden Fluch aus, als er plötzlich nach Stunden der
Ruhe erneut jenes grauenerregende Wispern vernahm, und sprang blitzartig auf.
Suchend blickte er umher, um in einiger Entfernung rotleuchtende
Augen aufblitzen zu sehen, die nur den Daaih-Ta gehören konnten.
Hogan erschauerte, als er erkannte, daß die Monstren sich bereits in
seiner Sichtweite befanden, und tat das einzig Richtige - er rannte los!
Doch allzu schnell machte sich die Erschöpfung in Form von Seitenstechen und Atemnot
bemerkbar. Immer wieder verschwamm der Dschungel vor Hogans Augen, und
gern hätte er sich einfach fallen lassen, um den Dingen ihren Lauf zu
lassen, aber das barbarische Kreeblut seines Vaters protestierte dagegen.
So rannte er also weiter.
Augenblicke später blieb er jedoch wie angewurzelt stehen
. Grelles Tageslicht blendete seine Augen, als er
so unvermittelt auf einer gigantischen Lichtung innehielt,
denn im Dschungel herrschte ein trübes
Halbdunkel.
Als sich seine Augen einen Sekundenbruchteil später an das Licht der zwei Sonnen gewöhnten,
sog er den Atem tief ein, denn das,was er nun sah, entsprach ganz
und gar nicht dem, was er im Gol- lar-Ratth vorzufinden gedacht hatte.
Vor ihm ragte ein riesiger Tempel aus schwarzem Basaltgestein in den
Himmel. Hogan staunte. Er fragte sich, wie viele Generationen von
Sklaven wohl über dem Bau dieses Gebäudes ihr Leben gelassen hatten,
und ob die Erbauer vielleicht die Daaih-Ta sein mochten, schob diesen
Gedanken aber sofort wieder weit von sich.
Er hatte auch gar keine
Zeit, über solche Dinge nachzugrübeln.
Immer noch waren ihm die Sumpfdämonen auf den Fersen - und
sie würden nicht eher von ihm ab- lassen, bis er völlig zerfleischt zu ihren Füßen lag.
Immer lauter wurden die blutgierigen Rufe in Hogans Rücken, und
blitzartig setzte er sich wieder in Bewegung, um zielstrebig in Richtung Tempel zu laufen.
Wenn es im Sumpf überhaupt irgendeinen Ort
gab, an dem er sich verstecken konnte, dann war es dieser!
Mit weit ausgreifenden Schritten
hastete der junge Barbar die steilen Stufen empor, die zahlreiche bräunliche Flecken aufwiesen,
an getrocknetes Blut erinnernd.
Unangenehme Gedanken an Menschenopfer drängten sich in sein Bewußtsein.
Immer näher kam er dem dunklen, unheilverkündenden Schlund, der das Eingangsportal des Tempels darstellte.
Furchtbare Dämonenfratzen waren in den schwarzen Stein über dem Tor
gemeißelt worden, und wieder fragte sich Hogan, welch grauenerregenden Kreaturen hier gehuldigt worden sein mochte.
Unter den Strafgefangenen von Lo-Pan gab es Angehörige vieler
Glaubensgemeinschalten, und Hogan hatte dort mancherlei Dinge kennengelernt,
die andere Leute abgestoßen hätten. Dies hier jedoch ging
selbst über sein Fassungsvermögen hinaus!
Ein Daaih-Ta-Speer sirrte an sei- nem rechten Ohr vorbei,
und mit einem Hechtsprung rettete sich der junge Barbar in die kühle Dunkelheit des Tempels.
Sekundenlang blieb Hogan am Boden liegen und orientierte sich.
Die Halle, in der er sich nun befand, maß
etwa 100 x 100 Meter und hatte eine Deckenhöhe von ca. 5 Metern.
Links und rechts von Hogan ragten hohe Basaltsäulen auf, welche das Gewölbe stützten,
und sowohl die Decke als auch der Tempelboden waren mit
reichen Ornamenten und Mosaike-
verziert, die abstoßende Szenen darstellten, an die sich der Barbar später in seinen Alpträumen noch lange
erinnern sollte. Der Boden war dick mit Staub bedeckt, ein untrügliches
Zeichen dafür, daß dieser Ort schon seit langem verlassen war.
Das erfüllte ihn mit einer gewissen Zufriedenheit.
Vielleicht hatte er ja Glück, und die Daaih-Ta sahen diesen Tempel als
einen tabuisierten Ort an.
Andererseits jedoch würden sie sich dann mit Sicherheit vor den Tempel setzen und
warten, bis der Hunger ihn wieder hinaustrieb.
So oder so - es war eine ausweglose Lage, in der er steckte.
Hogan fluchte, als er die reglosen Schatten der Sumpfgeschöpfe im Eingangsportal erblickte.
Ihre Augen funkelten immer noch rot, doch schienen sie von einer gewissen
Nachdenklichkeit ergriffen worden zu sein.
Zumindest wagten sie nicht, in den Tempel einzutreten.
Das gab Hogan Zeit, sich eine neue Flucht- strategie zu überlegen.
Seufzend erhob er sich vom Boden und klopfte den Staub ab.
Langsam schritt er ins Innere des Tempels, der sich schier endlos auszudehnen schien.
Ab und zu drehte sich der junge Kree-Abkömmling um und betrachtete die Sumpfgeschöpfe, die nach
wie vor reglos vor dem Portal standen.
Hogan erschauerte, als er immer tiefer in den Tempel vordrang und
am anderen Ende des Gewölbes eine Art Sarkophag entdeckte.
Zumindest stellte es für den Kree einen Sarkophag dar.
Als er sich dem seltsamen Kasten bis auf zehn Schritte genähert hatte,
wurde seine Neugierde plötzlich größer als seine Angst, und kopfschüttelnd trat er heran
. Er frage sich, was er hier vor sich hatte, denn um einen Sarg schien es sich wohl doch
nicht zu handeln. Viel wahrscheinlicher war, daß dieses Behältnis etwas mit Zauberei und - Schwarzer Magie zu tun hatte.
An der Frontseite des Kastens befanden sich seltsame Schalter und
Kipphebel, an denen Hogan gerne einmal herumgespielt hätte, wäre er nicht so von Ehrfurcht ergriffen gewesen.
Einige Stellen waren matt, und dort blinkten seltsame Leuchtanzeigen, die sich ständig veränderten.
Nun erst wagte Hogan den Blick ins Innere des Kastens. Unwillkürlich hielt der junge Barbar den Atem an.
Vor ihm, innerhalb des sargähnlichen Behältnisses, lag
eine dunkelgekleidete, humanoide Gestalt mit der eindrucksvollen Körpergröße von
2,10 Metern. Der Anblick des Gesichts wurde Hogan verwehrt,
da der Kopf von einem undurchsichtigen, kugelförmigen Helm
umschlossen war, in den von allen
Seiten Schläuche und Kanülen hin- einführten.
Allerdings hatte der Barbar auch keine sonderliche Lust, das Gesicht
dieses fremdartigen Wesens zu erblicken, bei dem es sich um alles
mögliche handeln mochte, aber mit
Sicherheit nicht um einen natürlichen Bewohner der Barbarenwelt.
Wäre Hogan auf einer Welt aufgewachsen, wo man sich mit den Geheimnissen
der Raumfahrt beschäftigte, so hätte er zu Recht vermutet,
daß es sich bei dem reglosen Fremden um einen Außerirdischen handelte
- aber so hielt er ihn nur für einen Dämonen.
. Unfähig, sich länger zurückzuhalten, streckte der Barbar die rechte
Hand aus und legte sie zögernd auf die warme Glasplatte, welche leicht zu vibrieren begann.
Gleichzeitig begannen die Leuchtanzeigen an der Seite des Gerätes hektischer zu blinken.
Sekundenlang war ein durch- dringender Piepton zu hören
. Kurz sah Hogan nach hinten und erblickte dort die Daaih-Ta, die sich zögernd in den Tempel hineinwagten,
um sich ratlos umzuschauen.
Er fluchte abermals und nahm seine Hand von der Platte herunter.
Was er jetzt brauchte, war eine Waffe! Blitzschnell ließ der Kree-Ab- kömmling seine Augen durch den
Raum schweifen und erblickte an der Wand eines Seitentraktes eine kleine Tür.
Sofort rannte er darauf zu, fand jedoch keine Klinke oder etwas ähnliches.
Stattdessen befand sich an der rechten Seite des Rahmens ein kleines Bedienungsfeld mit mehreren Tasten.
Hogan überlegte. Nach einem kurzen Augenblick tippte er wahllos
auf den verschiedenen Knöpfen herum, bis die
Tür plötzlich mit einem metallischen Scharren zur Seite glitt.
Langsam betrat er den Raum. Seltsame Gerätschaften hingen an
den fensterlosen Wänden des dunklen Gewölbes, das nur von einem
schwachen Dämmerschein erhellt wurde, dessen Quellen nicht auszumachen waren.
Nachdenklich sah Hogan sich um und erkannte, daß es sich wohl um
eine Art Waffenkammer zu handeln schien. Da waren Kriegskeulen, wie
er selbst zwar nie eine besessen hatte, von denen er aber wußte,
daß sein Volk sie benutzte, prachtvolle Schwerter und andere Dinge, deren
Bestimmungszweck sich der Barbar beim besten Willen nicht vorstellen
konnte. Kurzerhand hängte er sich einige der kunstvoll gefertigten Waffen um
und widmete sich dann den Dingen, die ihm fremdartig erschienen.
Interessiert nahm Hogan eines der Geräte aus der Wandhalterung
und wog es in den Händen.
Es war relativ leicht, bestand jedoch aus einem ihm unbekannten Metall.
Die Waffe hatte an einem Ende einen Kolben, an welchem ein Schultergurt
befestigt war, während ihn die vordere Hälfte an einen Stock erinnerte.
Allerdings war dieser „Stock" hohl und innen von einem stetigen dunkelroten Glühen erfüllt.
Auch diese Waffe verlügte, ebenso wie der Sarkophag und die Tür zu diesem Raum
über mehrere Tasten und Bedienungsfeldanzeigen, deren Sinn der
Barbar freilich nicht verstand, da sie in einer für ihn fremden Sprache beschriftet waren.
Die einzige Tatsache, über die er sich im klaren war
war die, daß es sich bei diesem Gegenstand um eine Waffe handelte, die
ihn möglicherweise vor den blutgierigen Daaih-Ta retten konnte.
Neugierig auf die Funktionsweise des Gerätes preßte Hogan der
breiten Kolben gegen seine Schulter und aktivierte eines der Bedienungsfelder.
Ein fingerbreiter Feuerstrahl schoß aus dem dünnen Ende der
Waffe, um die gegenüberliegende Wand zu treffen. Das Ergebnis war umwerfend.
Die Explosion, die Hogans Schuß auslöste, schien desser Trommelfelle platzen zu lassen.
Erschrocken schleuderte er die Waffe von sich, die er nun als Teufelswerkzeug ansah.
Gleich darauf sah er jedoch lauernde Schatten in der Türöffnung
stehen und stellte fest, daß es keine schlechte Idee war, diese Waffe des Teufels
gegen seine eigenen Geschöpfe einzusetzen.
Er war erschöpft; er hatte in den
letzten Tagen kaum geschlafen. Er war war hungrig, und er hatte Angst.
Mit einer blitzartigen Bewegung griff er nach dem Gewehr, brachte
es in Anschlag und feuerte auf' die dunklen Gestalten im Türrahmen.
Schrille Schreie drangen an. seine Ohren, als die Daaih-Ta in einem Ball aus Feuer verglühten und so in die
Hölle zurückkehrten, die sie vor Jahrhunderten ausgespuckt hatte.
Hogan stieß ein irres Kichern aus. Die Ereignisse schienen zuviel für seinen Geist zu sein.
Langsam tastete er sich durch den Türrahmen und wurde weiterer Sumpfwesen gewahr,
die dichtgedrängt um den Sarkophag standen und dumpfe, rasselnde Laute ausstießen.
Der Barbar runzelte die Stirn, als er bemerkte, wie sie sich an dem
Gerät zu schaffen machten und wahllos Knöpfe drückten,
bis er dem Spiel schließlich mit einem gezielten Schuß ein Ende bereitete.
Sekunden später mußte er feststellen, daß dieser Schuß keine gute
Idee gewesen war, denn mit den Daaih-Ta hatte er auch den Sarkophag beschädigt,
und die daraus resultierende Explosion schleuderte den Barbaren quer durch den Raum.
Der Aufprall brachte ihn wieder etwas zur Besinnung.
So registrierte er jetzt auch die Stimme, die monoton irgendwelche
sinnlos erscheinenden Worte einer fremden Sprache aufsagte - ganz so,
als würde sie zählen. Gleichzeitig breitete sich ein beißender Flammengeruch im Tempel aus.
Hogan blickte sich um. Innerhalb des Gewölbes befanden sich zwar
keine Daaih-Ta mehr, doch er hatte ein äußerst ungutes Gefühl bei der
Sache. Am besten, so befand er, war es, wenn er den Tempel schnellstens
verließ. Das tat Hogan dann auch, doch im Eingangsportal blieb er wie angewurzelt stehen,
denn was er dort vor sich sah, das konnte - nein, das
DURFTE nicht sein!
Nur zu gut erinnerte er sich noch
an die drei Hexen, die seinerzeit den Fluch über sein Heimatdorf verhängt
hatten, doch hatte er nicht damit gerechnet, irgendwann einmal eine
von ihnen wiederzusehen.
Er hatte sich immer gefragt, warum die drei Frauen ihn wohl damals forderten, war aber stets zu dem
Schluß gekommen, daß sie ihn wohl einem ihrer unheiligen Götzen opfern wollten.
Offensichtlich war dies jedoch nicht so.
Eine von ihnen stand nun leibhaftig vor ihm.
Ohne mit den Füßen den Boden zu berühren, schwebte die Hexe im Eingang des
Tempelgebäudes und lächelte ihn provozierend an.
„Du?" rief er ungläubig, während
hinter ihm die Flammen immer höher züngelten und seinen Rücken versengten.
„Ich bin es, Flammenprinz!" bestätigte die Hexe,
die das Aussehen einer wunderschönen, rothaarigen
Frau im Alter von rund 20 Jahren angenommen hatte.
Hogan stieß einen grollenden Laut aus und brachte sein Gewehr in Anschlag.
Die Hexe kicherte.
„Ich bin nicht tatsächlich hier,
Hogan. Was du vor dir siehst, ist eine schwarzmagische Projektion."
Der Barbar ließ sie nicht ausreden, sondern feuerte auf ihre Körpermitte.
Der Schuß ging mitten hindurch, trat auf der anderen Seite
wieder aus und verbrannte in einiger Entfernung eine Baumkrone.
Abermals stieß die Hexe, deren Name Sindra lautete, ein gutgelauntes Kichern aus.
„Was willst du von mir?" presste Hogan hervor.
„Genüge euch dreien der Tod meiner Eltern nicht?"
Die Hexe lächelte und schlug- die Beine ineinander, um dann gewissermaßen im Schneidersitz vor ihm zu schweben.
Mit kalten Augen ließ der Barbar seine Blicke über ihren unbekleideten, üppigen Körper schweifen,
doch vermochte ihre Blöße ihn nicht zu reizen.
Immerhin hatte er hier kein menschliches Wesen vor sich!
„Es gibt Mächte auf dieser Ebene, Hogan, die an deinem Tod interessiert sind
-jetzt mehr denn je! Zukunft und Vergangenheit sind eins für diese Wesen, und so wußten sie,
daß du eines Tages hierher ins Gollar-Ratth kommen würdest.
Jetzt, da du in den Besitz dieser Waffe gelangt
bist, Flammenprinz, haben die Mächte des Guten auf der
COMMAR-VAHN einen entscheidenden
Trumpf, und das darf nicht sein! Das
Gleichgewicht der Kräfte muß stets
ausgeglichen sein - so wollen es die Götter..."
„Es ist mir gleich, was die Götter
- gute wie böse - von mir erwarten!" stellte Hogan klar. „Solange ich auf Lo-Pan war, haben sie sich auch nicht um mich gekümmert!"
„Da warst du auch nicht interessant für sie!"
erwiderte die Frau. „Erst jetzt, nach deinem Fund, bist du wichtig geworden.
Vormals war deine Rolle im kosmischen Gleichgewicht absolut unbedeutend,
du warst lediglich ein Statist in unserem Spiel -jetzt ist das anders!"
„Warum erzählst du mir das alles, Sindra?" rief er.
„Wer weiß, vielleicht möchte ich dich auf das vorbereiten, was dir nun bevorsteht.
Die Macht ist ein zweischneidiges Schwert, Hogan. Sie kommt und geht und hat auch große Nachteile.
Nie wieder wirst du dich sicher fühlen können."
Der Barbar runzelte die Stirn.
Die Worte der Hexe klangen ehrlich, und was Vor- und Nachteile der Macht betraf, mochte sie nur zu recht haben.
Die Frage blieb nach wie vor, was sie damit bezweckte.
„Ich werde jetzt gehen, Hogan". verkündete die schöne Hexe. „Meine Schwestern und ich haben den Auftrag erhalten, das Gleichgewicht wiederherzustellen – auf Patena!"
Auf Patena - der Insel der Barbaren!
Hogan, den Sindra den Flammenprinzen genannt hatte, erschauerte.
als er beobachtete, wie sich der Leib der Hexe in eine dünne Rauchsäule
verwandelte, die langsam vom Wind fortgetragen wurde.
Während hinter ihm der Tempel in Flammen aufging,
stieg der Barbar langsam die Stufen hinunter.
Unmenschlicher Gestank breitete sich über der Lichtung aus,
während Hogan sich fragte, wie die Hexen auf Patena wohl
das Gleichgewicht wiederherstellen wollten.
Dabei fiel ihm nur eine Möglichkeit ein.
Wenn er jetzt ein wichtiger Trumpf des Guten war, so mußte ein anderer dafür abtreten -
und da fiel Hogan nur eine Person ein, die hierfür in Frage kam.
Tally-O Dan - der Lange Dan! Der unumstrittene Anführer der auf Patena lebenden Barbaren,
bei denen es sich um jene Menschen handelte, die aus irgendeinem Grund
von Creagan und seinesgleichen geächtet worden waren - zu Unrecht
Verfolgte, die dort ihre neue Heimat gefunden hatten.
Hogan schulterte sein Gewehr und beschleunigte seine Schritte.
Er würde dieses Attentat zu verhindern wissen. Tally-O-
Dan durfte nicht sterben; er bedeutete Hoffnung
für tausende unschuldig verfolgte Menschen.
Während der Barbar im Dschungel verschwand, explodierte hinter
ihm der Tempelkomplex in einem gewaltigen Ball aus Feuer und
Rauch, doch er achtete nicht darauf. Das war jetzt Vergangenheit, es
zählte nicht mehr. Wichtigeres stand im Raum.
Dennoch mußte er jetzt wieder an Sindra denken.
Was hatte die Hexe mit ihren Warnungen bezweckt?
Kopfschüttelnd mußte der Barbar feststellen, daß er sich für einen kurzen Augenblick zu ihr hingezogen gefühlt hatte.
Aber das durfte nicht sein -
sie war eine Hexe, und seine Bestimmung war es, für das Gute einzutreten.
Wie hatte sie ihn doch gleich genannt?
Flammenprinz – Hogan lächelte angesichts dieses hochtrabenden Namens.
Nein, er war kein Prinz, beileibe nicht
. Er war nur ein einfacher Krieger mit einer besonderen Waffe,
von der er gerade mal wußte, wie er sie bedienen konnte.
Er war ein Kind, das mit dem Handwerkszeug eines Riesen hantierte.
Er war Hogan Flammenlanze.
ENDE des ersten Teils © Mittwoch, 07.04.1993, 10.24.15-15.00.55 Uhr by Mike Breuer/
Uwe Vitz - 1. Feb, 15:08
