Sonntag, 23. Mai 2010

Würfelwelt 73

Das Vermächtnis 5
(Der Bund von Torn)
v. Christel Scheja
Wie konnte ich Kiman erklären, dass ich tot war, gestorben durch den Biß einer Sh'ar?
Dass mein Mal nur die Endgültigkeit unserer Trennung bezeichnete? Ich wandte mich von ihm ab. Und um nicht weiter darüber nachzudenken, betrat ich entschlossen den Eingang.
Drinnen war es wie erwartet dunkel, aber durch einige Risse in der Decke fiel Tageslicht und meine Augen gewöhnten sich rasch an das Dämmerlicht. Ich erkannte Bilder und Zeichen in den Wänden, hielt mich jedoch nicht damit auf, sie genauer zu betrachten. Diese Grotte war offensichtlich nur der Beginn eines Systems Gängen - aber
irgendwie hatte ich nichts anderes erwartet.
War Imai doch eine Stadt im Herzen der Würfelwelt, in einem von der Göttin als Heimstatt
geformten Felsen. Uns gegenüber waren gleich drei Öffnungen zu sehen und wieder
befanden sich über ihnen Symbole: Ein Stern, zwei zu einer Schale geformte Hände
... und eine, einem Kristall entspringende Flamme.
Ich runzelte die Stirn. Meine alte Lehrmeisterin hatte oft von der Bildersprache, unserer Vorfahren gesprochen.
„ Es sind jedoch nicht nur bloße Wörter mein Kind, sondern heilige Symbole, denn jeder Schritt in Imai,
war einer in dem Leib der großen Mutter.
Mit Jedem Tor das du beschreitest kommst du Ihr näher- oder aber entfernst dich von
ihr.“
Ich schrak aus meinen Gedanken, als mein Bruder über einen Stein stolperte und ihn
gegen die Wand trat.Das Klacken hallte
mehrfach wieder. Auch er betrachtete Stirn runzelnd die Symbole. "Wir müssen uns
schon wieder entscheiden.“ Kiman blickte mich Hilfe suchend an und suchte vertrauensvoll den Griff meiner Hand. "Weißt du auch jetzt noch weiter? Ich bin wirklich froh, dass du hier bist. Ohne dich wäre Ich
schon längst verloren ...".
Er sah mich an. "Es ist seltsam ... von klein auf sind wir unzertrennlich, und obwohl wir
glaubten, dass es mit der Schwelle zum Erwachsensein ein Ende hätte ... führte das
Schicksal uns auch jetzt wieder zusammen."
"Ich weiß!" Ein seltsames Kribbeln durcheilte meinen Astralkörper, der sich nur in
einer dünnen Hülle in der wirklichen Welt zeigte. "Vielleicht hat die Göttin uns das
vorherbestimmt."
Aber warum war ich. dann tot?
Energisch vertrieb ich, meine Zweifel und meine Angst und betrachtete die Symbole.
"Lass uns dem Weg des Glaubens folgen!"
meinte ich und führte Kiman durch das Portal unter den Händen.
Wir durchschritten dunkle Gänge, in denen
wir uns manchmal nur voran tasten konnten, die aber immer wieder in erhellten Räumen
endeten. Wieder und wieder musste ich die Zeichen über den Toren deuten, um uns
weiter zu bringen. Wann immer wir einen
Irrweg nahmen, erkannten wir das an unseren Fußspuren im Staub, die wir kreuzten.
Wie konnten hier einst Menschen gelebt haben?
Einige der Hallen wirkten wie Wohnräume, aber jedes Anzeichen von Leben war verschwunden oder zu dem grauen Staub zerfallen, der den Boden knöchelhoch bedeckte? Manchmal meinte ich behauene Nischen und die Andeutung von
kleinen Fensteröffnungen zu erkennen, aber der Fels war in sie geflossen und hatte sie
wieder verschlossen.
Schließlich schwanden meine Zweifel- Wir
erreichten eine Halle, die die Zelte unseres
gesamten Stammes aufzunehmen vermochte. Der Boden war mit bunten Steinplatten
bedeckt, die ich auch aus dem Tempel der Flussleute kannte. Nur mit dem Unterschied,
das unsere Zeichen auf ihnen abgebildet waren!
An der Stirnwand erblickten wir reglose Gestalten, die eine riesige Schale aus weißem Stein- umstanden. Das Feuer, das in ihr waberte schien nicht wirklich zu sein, denn
ich sah es auch mit meinen anderen Sinnen
Es ließ für die Augen die Gestalten lebendig erscheinen, aber es waren, nur Statuen aus
grauem Stein.
Erstaunt holte ich Luft. "Das ist ein heiliger Ort, Kiman. Die Menschen des Flussvolkes
nennen, einen solchen Ort auch Tempel. Und dieser hier ist der unserer Vorfahren.".
Mein Bruder schwieg. Ich konnte nicht erkennen, ob er erstaunt, neugierig oder bstürzt war. Er stützte eine Hand in die Hüfte und starrte hinüber, unschlüssig, ob er sich
die Schale genauer ansehen sollte. Ich überließ ihm die Entscheidung. Mit meinem
Wissen hatte ich ihn an. diesen Ort geführt- nun musste er bestimmen, was wir tun sollten.
Die Magie dieser Halle durchflutete mich,
strömte durch mich wie die Wasser des Lebensstromes durch sein Bett. Niemals hatte ich mich der Großen Mutter näher gefühlt als jetzt. Vielleicht weil sie in Ihrem Heiligsten gegenwärtig war?
Ich schloss für einen Moment die Augen.
Göttin, ich danke dir, dass du mich den Ort schauen ließest, an dem du einst unseren
Ahnen erschienen bist.
"Wir sehen uns das genauer an!" entschied Kiman nach einer langen Zeit des Schweigens.
"Du musst nicht mitkommen, denn meine Aufgabe ist es, das Unbekannte zu ergründen, um den Stamm einst sicher zu führen, ich darf jetzt nicht verzagen. Begleitest du mich?“
Ich blickte auf unsere ineinander verschlungenen Finger.
„ Ja!“Nachdem wir so weit gekommen waren, wollte ich das letzte Geheimnis der Höhlen
nicht unerkundet lassen. Ich wusste ja nicht, ob wir jemals noch einmal einen Ausgang
finden würden, trotzdem wollte ich nicht unwissend sterben. Kymarah würde mir
sicher zustimmen, und ich merkte an ihrem
Blick, dass sie mich nun auch noch ermunterte. " Achte jedoch auf die Steinplatten. Ich.
bin mir sicher, dass der Weg durch die Halle eine weitere Prüfung für uns ist!"
Sie deutete auf einige Staubhaufen, am Rande der Halle, die mir bisher nicht aufgefallen, waren Ich schluckte, besaßen diese doch ungefähr die Form in sich zusammengesunkener
Menschen.
So musterte ich nachdenklich, die Steinplatten, versuchte einen Sinn in den Symbolen
zu finden. Wie musste ich denken? Sollte ich meinen Gefühlen vertrauen oder alten Traditionen folgen?
Was hatte mich mein Vater gelehrt?
„ Viele Dinge wiederholen sich, ob du nun zum Himmel siehst oder die Wüste betrachtest.
Und wenn du die Zeichen zu lesen verstehst, wirst du immer deinen Weg finden.“
Und so erinnerte ich mich an die Symbole, denen wir gefolgt waren und tat den ersten
Schritt.
Nichts geschah, und so wurde ich immer mutiger. Wenn ich mich nicht mehr an das
nächste Symbol erinnerte, oder unsicher war welches folgte, lenkte mich Kymarah
sanft in die richtige Richtung.
Wir waren in unser Tun so versunken, dass wir erstaunt aufsahen und bemerkten, dass
wir unser Ziel erreicht hatten, als wir vor der Steinschale standen.
Meine Schwester und ich hoben die Köpfe und blickten in die Juwelenaugen und das
bewegungslose Gesicht einer Statue.
So stellten sich die Flussleute ihre Götter, aber doch nicht wir? Unsicher blickte ich zu
Kymarah, deren Augen sich erstaunt weiteten, denn das Antlitz der Statue, die ihre
Hände über das Feuer hielt spiegelten sich in den Zügen meiner Schwester wieder und
der Mann mit dem Speer an ihrer rechten Seite in den meinen.
"Das sind wir!" wisperte Kymarah und trat einen Schritt vor. Gebannt beobachtete ich,
wie sie ihre Hände auf den Rand der Schale legte und in das Feuer blickte. Ich musste es
ihr gleichtun, denn es erschien mir als das einzig Richtige.
Ein seltsames Gefühl durcheilte meinen Körper, als ich im Feuer eine zerbrochene
Scheibe aus grünem Metall sah. Sie war vielleicht so groß wie das Rad an. einem
Wagen der Flussleute und schmucklos.
Wenn sie einmal Verzierungen besessen hatte, dann waren die sicher weg gebrannt
worden.
Eine innere Stimme in mir wisperte, plötzlich, dass ich danach greifen solle und heilen,
was durch Unachtsamkeit und Missgunst zerbrochen sei. Kymarah schien das gleiche
zu denken, denn ihre Hand hob sich gleichzeitig mit der meinem. Für einen Moment
fürchtete ich noch, dass die Flammen mich
verbrennen würden, doch nur ein warmer Hauch umschmeichelte unsere Arme.
Jeder von uns berührte eine Hälfte der Metallscheibe, die sich leichter bewegen ließ,
als ich vermutet hatte. In. dem Moment, da
wir sie zusammen schoben und ein wahrer Strom von ineinander fließenden Bildern
und Mustern vor unseren Augen erschienen, schwanden, mir jedoch die Sinne.

Die Würfelwelt

Ein Fantasy-Projekt zum Mitmachen

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Würfelwelt 2401
Hallo Leser, Vorerst geht es hier nicht weiter, da...
Uwe Vitz - 5. Feb, 03:54
Würfelwelt 2401
Björns Weg (Erste Ebene vor 301 Jahren) Von Uwe Vitz Epilog So...
Uwe Vitz - 31. Jan, 21:07
Würfelwelt 2401
Björns Weg 16 (Erste Ebene vor 301 Jahren) Von Uwe...
Uwe Vitz - 30. Jan, 20:46
Würfelwelt 2400
Björns Weg 15 (Erste Ebene vor 301 Jahren) Von Uwe...
Uwe Vitz - 29. Jan, 03:52
Würfelwelt 2399
Björns Weg 14 (Erste Ebene vor 301 Jahren) Von Uwe...
Uwe Vitz - 28. Jan, 10:37

Web Counter-Modul

Suche

 

Status

Online seit 6150 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 5. Feb, 03:55

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren