Würfelwelt 70
Das Vermächtnis 2
(Der Bund von Torn)
von Christel Scheja
,
"Bei dem Giftatem der Sh'ar l" fluchte ich wütend, während ich die Benommenheit abschüttelte und mich langsam aufsetzte.
Über mir fiel das Tageslicht durch das Loch in eine unterirdische Höhlung. Der Rückweg, war mir versperrt, denn ich würde den Sand, der langsam durch die Öffnung rieselte in Massen mit mir reißen und darin ertrinken.
Instinktiv tastete ich nach dem Wassersack, der wie durch ein Wunder meinen Sturz überstanden hatte und auf einem Hügel aus Sand neben mir lag.
Ich holte tief Luft und sah mich um. Musste ich hier elendig sterben? War ich durch
meine eigene Dummheit ein Gefangener der Wüste?
Vielleicht nicht, denn jetzt entdeckte ich einen Gang, der in die Dunkelheit führte.
Hoffnung keimte in mir auf. Das war besser als nichts.
Im nächsten Moment zuckte ich jedoch zusammen und sprang auf, um meinen Kopf
verwirrt zu wenden.
War da nicht das Scharren eines Schlangenleibes zu hören gewesen? Angst stieg in mir auf. Die Vipern, die Todesboten der Wüste versteckten sich oft in den unterirdischen Höhlen der Wüste und
ich hatte nichts, um mich gegen sie zu wehren, nicht einmal einen' Stein!
Angestrengt lauschte ich noch einmal konnte aber nicht mehr als das Rieseln des
Sandes vernehmen. Vielleicht hatten mich meine Sinne getäuscht, aber ich wollte es als
Warnung nehmen. Mir blieb. Ja nichts anderes übrig, als mich ohne Licht in der Gang
zu wagen.
Schon nach wenigen vorsichtigen Schritten stand ich in der Dunkelheit. Langsam tastete
ich mich vorwärts, bis ich erleichtert
feststellte, dass es doch nicht so dunkel hier unten war. An den Wänden schimmerte grünliches Moos, in der Luft schwirrten kleine leuchtende Sporen, die sich alsbald an meiner Kleidung festsetzten. Ich sah genug, um Felsenvorsprüngen und Steinen auszuweichen oder über anderes, was ich lieber nicht betrachten wollte, hinweg zu steigen. Auch wurde es kühler, je weiter ich vordrang. Ich hatte, das Gefühl, dass dieser Pfad kein Ende nehmen wollte, obgleich ich verbissen weiterlief bis meine Füße schmerzten und mein Mund trocken brannte.
So suchte ich mir einen Felsbrocken, auf den ich mich setzen konnte und nahm einen tiefen Schluck aus meinem Wasserschlauch, lehnte mich gegen einen Teil der Wand, der nicht von dem Moos bedeckt war. Meine Glieder taten mir weh, und der Kopf fühlte sich bleischwer an. Für einen Augenblick
kämpfte ich noch gegen meine Erschöpfung an, dann sank ich, in einen leichten
Schlaf.
Eine Berührung schreckte mich auf. Instinktiv warf ich mich herum, packte zu
und umklammerte dann plötzlich eine kühles, sich feucht anfühlendes Wesen, das ich
zuerst für eine Echse hielt. Doch dann sah ich, dass in meinen Griff eine nackte Kreatur
zappelte, nicht größer als ein Neugeborenes.
Der haarlose Kopf wurde von zwei großen, schillernden Augen beherrscht, die in dem
schwachen Licht saß glitzerten. Es besaß einem lippenlosen Mund in dem silbrige
Reißzähne blinkten, die es in mein Fleisch zu graben suchte. Der Rest seines Körpers
war von schuppiger Haut bedeckt. Was war das? Was wollte es von mir?
Es biss mich in den rechten Arm.
"Au!" Mit einem Aufschrei ließ ich die Kreatur los und umklammerte die blutige
Wunde. Das Geschöpf stieß ein keckerndes Lachen aus, schnappte meinen Wasserschlauch und flitzte auf seinen kurzen Beinen davon.
Wut stieg in mir hoch. Ich ließ mich doch nicht verlachen und dann auch noch bestehlen. Das Wasser war mein kostbarstes Gut
Hastig sprang ich auf und rannte hinter dem Wesen her. Das würde ich mir nicht gefallen
lassen!
Immer wieder stolperte ich auf dem unebenen, Kiesel bedeckten Boden, doch ich verlor
es nicht aus den Augen - bis zu dem Augenblick, in dem klebrige Ranken von oben auf
mich herab fielen, wie Schlangen um mich wanden und nach oben rissen.. Ich wehrte
mich verzweifelt, aber sie umwickelten mich schneller, als ich sie abreißen konnte.
Der kalte schuppige Körper berührte meine Schenkel. Meine Muskeln verkrampften sich, aber sie gaben der Angst nicht nach.
Ich konnte mich noch immer nicht bewegen, aber jede Berührung des schuppigen Körpers jagte Krämpfe und Schauder durch meinen Körper. '
Ich schluchzte. Die Sh'ar verharrte auf meinem Bauch.
Mein Zittern verstärkte sich.. Verzweifelt schloss ich die Augen, um sie wenigstens
nicht mehr sehen zu müssen.
Die Viper rührte sich jedoch nicht. Auf was wartete sie? Für einen Moment glaubte ich,
sie nicht mehr zu spüren und beruhigte mich etwas. Lautlos flüsterte ich Gebete an die
Herrin und bat sie um Rettung oder Erlösung, bis ich mich soweit gefasst hatte, dass
ich die Augen wieder öffnen konnte. Wenn ich schon sterben musste, dann wollte ich
meinem Tod in die Augen sehen. Und das tat ich im wahrsten Sinne des Wortes. Die
Viper glitt über meinem Bauch und zwischen den Brüsten hindurch, so dass ich sie
sehen konnte.
Ich schluckte. Ich hatte nicht erwartet, dass die Sh'ar so schön war, so anmutig. Sie glitzerte so als bestände sie aus Gold und Juwelen und in dem Muster ihrer Schuppen
konnte sich mein Blick verlieren. Alle anderen Schlangen der Wüste waren hässliche Geschöpfe.
Die regenbogenfarbenen Augen der Sh'ar bannten mich.
Ich war nun wirklich gelähmt, konnte nicht einmal mehr die Lider bewegen, die schon
bald zu schmerzen begannen. Der flache Kopf der Schlange wiegte sich in meinem
Blickfeld hin und her. Ich spürte Gefühle, die nicht von mir selber stammen konnten -
Belustigung über meine Angst, freundliche Sorge um mein Wohlergehen, und Beruhigung...
Dann stieß die Viper blitzschnell vor. Messerscharfe Zähne bohrten sich in meinen
Hals, doch meine Stimme war gelähmt und ich konnte meinem Schmerz nicht mehr
heraus schreien. Wie Feuer flutete das Gift durch die Adern zu meinem Herzen.
Oh Göttin, ich spürte, wie sich die Dunkelheit über mich senkte ... wenn doch nur Kiman ... Die letzten Gedanken galten, meinem Bruder...
"Ah, nein!" Verzweifelt versuchte ich mich frei zu strampeln und zerrte, wütend an den
Ranken, erreichte jedoch nur, dass sie sich enger, um mich zogen und mich beinahe
erwürgten. Nur noch benommen bekam ich mit, wie sich die Ranken wieder absenkten,
als habe es ihnen jemand befohlen, und mich auf den Felsboden drückten.
Ich spürte feine kurze Bewegungen. Schnell waren die kleinen Wesen über mir, keckerten und quiekten schrill, so dass meine Ohren schmerzten. Sie krallten ihre Klauen in meine Gewänder und rissen daran, um mich neugierig zu untersuchen. Ihre Stimmen klangen enttäuscht, als sie nichts fanden.
Ich spürte, dass sich die Ranken unter ihren Berührungen lockerten. Schließlich gelang
es mir eine Hand zu befreien, doch kaum griff ich nach einem der Wesen, fielen die
anderen über mich her, krabbelten auf mir herum, rissen an meinen Haaren und bissen
in die Hand, so dass ich schließlich aufgeben musste. Energisch wickelten sie mich wieder
in die klebrigen Ranken ein wie in einen Kokon, so dass ich mich schließlich gar nicht
mehr rühren konnte.
Ich war verzweifelt!
Warum hatte mich keiner vor dieser Gefahr gewarnt? Weder mein Vater noch die Alten?
Aber mit einem Male begriff ich: Vielleicht waren diejenigen, die das s'kima überlebt
hatten, niemals in eine solche Lage geraten.
Ich erinnerte mich mit Schrecken daran, dass es schließlich auch Prüflinge unter dem
Bann des S'kima gegeben, die nicht zurück gekehrt waren, so wie der ältere Bruder meines Vaters. Ich schluckte, als ich mich der seltsamen Gegenstände entsann, die ich
im Gang ertastet hatte.
Waren das nicht vielleicht menschliche Knochen gewesen?
Dann hoben mich einige der Geschöpfe hoch, trugen und zerrten mich einen weiteren Gang hinunter. Ich riss die Augen weit
auf und bewegte den Kopf, um mich umzusehen, aber schon bald konnte ich in der
zunehmenden Dunkelheit nicht mehr viel erkennen. '
Meine Träger hingegen -schienen immer noch alles, erkennen zu können, denn sie
bewegten sich sehr zielstrebig, und ohne Stocken.
Ich biss die Zähne zusammen. Was hatten die Kreaturen nur vor? Wollten sie mich
etwa fressen, da ihre Reißzähne schlimmes erahnen ließen- Oder wollten sie mich einem
anderen unheimlichen Wesen der Wüste opfern?
Ich begann zu zittern, als ich mich an die Geschichten- der Alten erinnerten, mit denen
sie uns als Kinder immer erschreckt hatten:
Von den Kreaturen, den D'hasei der Wüste, die nur darauf lauerten, einen unachtsamen
Nomaden in die Irre zu fuhren und zu töten.
Sie sind böse bis zum Grund ihrer Seele, denn die D'hasei sind nicht weniger als die
Geister derjenigen, die sich gegen die Göttin versündigten und nicht mehr dem Untergang von Imai entkamen. Der s'tai hat sie verflucht und der Qual ewigen Lebens in der
Gefangenschaft überantwortet! wisperte es in, meinem Geist. Denkt immer daran- Auch
ihr werdet euch in einen D'hasei .verwandeln, wenn ihr die heiligen Gesetze des
Stammes nicht achtet!
Ich hatte das immer für Drohungen gehalten, die man an unartige Kinder richtete.
Aber nun begann ich daran zu glauben, dass sie vielleicht gar nicht so falsch waren.. Nur
zu gut erinnerte ich mich. an. meine, damalige
Angst, denn sie war nun zurückgekehrt. In unserer Kindheit war Kymarah immer die
Mutigere gewesen, sie hatte mich immer getröstet, und Erklärungen für das Wispern
des Sandes und andere unheimliche Dinge gefunden, wenn ich glaubte, dass die D'hasei
kämen, um mich zu holen.
Im nächsten Augenblick schreckte ich hoch. Was geschah jetzt?
Instinktiv spannte ich mich an.
Ein leises Rauschen und Säuseln erklang aus der Richtung, in die sie mich schleppten,
und ein schwacher Wind kühlte mein Gesicht, brachte den Duft der Wüste mit sich.
Warum trugen sie mich nach draußen?
Ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, legten mich die seltsamen Wesen nieder und
verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren. Ich- starrte, auf den wolkenlosen
Nachthimmel, an dem die vertrauten Sternbilder funkelten. Das der Schlangengöttin
schien heute besonders hell zu leuchten.
Ich war tatsächlich draußen. Die vertrauten Geräusche beruhigten mich, das Wispern
des Windes, das Knistern des Sandes, und...
Snik... snik.. .snik...
(Der Bund von Torn)
von Christel Scheja
,
"Bei dem Giftatem der Sh'ar l" fluchte ich wütend, während ich die Benommenheit abschüttelte und mich langsam aufsetzte.
Über mir fiel das Tageslicht durch das Loch in eine unterirdische Höhlung. Der Rückweg, war mir versperrt, denn ich würde den Sand, der langsam durch die Öffnung rieselte in Massen mit mir reißen und darin ertrinken.
Instinktiv tastete ich nach dem Wassersack, der wie durch ein Wunder meinen Sturz überstanden hatte und auf einem Hügel aus Sand neben mir lag.
Ich holte tief Luft und sah mich um. Musste ich hier elendig sterben? War ich durch
meine eigene Dummheit ein Gefangener der Wüste?
Vielleicht nicht, denn jetzt entdeckte ich einen Gang, der in die Dunkelheit führte.
Hoffnung keimte in mir auf. Das war besser als nichts.
Im nächsten Moment zuckte ich jedoch zusammen und sprang auf, um meinen Kopf
verwirrt zu wenden.
War da nicht das Scharren eines Schlangenleibes zu hören gewesen? Angst stieg in mir auf. Die Vipern, die Todesboten der Wüste versteckten sich oft in den unterirdischen Höhlen der Wüste und
ich hatte nichts, um mich gegen sie zu wehren, nicht einmal einen' Stein!
Angestrengt lauschte ich noch einmal konnte aber nicht mehr als das Rieseln des
Sandes vernehmen. Vielleicht hatten mich meine Sinne getäuscht, aber ich wollte es als
Warnung nehmen. Mir blieb. Ja nichts anderes übrig, als mich ohne Licht in der Gang
zu wagen.
Schon nach wenigen vorsichtigen Schritten stand ich in der Dunkelheit. Langsam tastete
ich mich vorwärts, bis ich erleichtert
feststellte, dass es doch nicht so dunkel hier unten war. An den Wänden schimmerte grünliches Moos, in der Luft schwirrten kleine leuchtende Sporen, die sich alsbald an meiner Kleidung festsetzten. Ich sah genug, um Felsenvorsprüngen und Steinen auszuweichen oder über anderes, was ich lieber nicht betrachten wollte, hinweg zu steigen. Auch wurde es kühler, je weiter ich vordrang. Ich hatte, das Gefühl, dass dieser Pfad kein Ende nehmen wollte, obgleich ich verbissen weiterlief bis meine Füße schmerzten und mein Mund trocken brannte.
So suchte ich mir einen Felsbrocken, auf den ich mich setzen konnte und nahm einen tiefen Schluck aus meinem Wasserschlauch, lehnte mich gegen einen Teil der Wand, der nicht von dem Moos bedeckt war. Meine Glieder taten mir weh, und der Kopf fühlte sich bleischwer an. Für einen Augenblick
kämpfte ich noch gegen meine Erschöpfung an, dann sank ich, in einen leichten
Schlaf.
Eine Berührung schreckte mich auf. Instinktiv warf ich mich herum, packte zu
und umklammerte dann plötzlich eine kühles, sich feucht anfühlendes Wesen, das ich
zuerst für eine Echse hielt. Doch dann sah ich, dass in meinen Griff eine nackte Kreatur
zappelte, nicht größer als ein Neugeborenes.
Der haarlose Kopf wurde von zwei großen, schillernden Augen beherrscht, die in dem
schwachen Licht saß glitzerten. Es besaß einem lippenlosen Mund in dem silbrige
Reißzähne blinkten, die es in mein Fleisch zu graben suchte. Der Rest seines Körpers
war von schuppiger Haut bedeckt. Was war das? Was wollte es von mir?
Es biss mich in den rechten Arm.
"Au!" Mit einem Aufschrei ließ ich die Kreatur los und umklammerte die blutige
Wunde. Das Geschöpf stieß ein keckerndes Lachen aus, schnappte meinen Wasserschlauch und flitzte auf seinen kurzen Beinen davon.
Wut stieg in mir hoch. Ich ließ mich doch nicht verlachen und dann auch noch bestehlen. Das Wasser war mein kostbarstes Gut
Hastig sprang ich auf und rannte hinter dem Wesen her. Das würde ich mir nicht gefallen
lassen!
Immer wieder stolperte ich auf dem unebenen, Kiesel bedeckten Boden, doch ich verlor
es nicht aus den Augen - bis zu dem Augenblick, in dem klebrige Ranken von oben auf
mich herab fielen, wie Schlangen um mich wanden und nach oben rissen.. Ich wehrte
mich verzweifelt, aber sie umwickelten mich schneller, als ich sie abreißen konnte.
Der kalte schuppige Körper berührte meine Schenkel. Meine Muskeln verkrampften sich, aber sie gaben der Angst nicht nach.
Ich konnte mich noch immer nicht bewegen, aber jede Berührung des schuppigen Körpers jagte Krämpfe und Schauder durch meinen Körper. '
Ich schluchzte. Die Sh'ar verharrte auf meinem Bauch.
Mein Zittern verstärkte sich.. Verzweifelt schloss ich die Augen, um sie wenigstens
nicht mehr sehen zu müssen.
Die Viper rührte sich jedoch nicht. Auf was wartete sie? Für einen Moment glaubte ich,
sie nicht mehr zu spüren und beruhigte mich etwas. Lautlos flüsterte ich Gebete an die
Herrin und bat sie um Rettung oder Erlösung, bis ich mich soweit gefasst hatte, dass
ich die Augen wieder öffnen konnte. Wenn ich schon sterben musste, dann wollte ich
meinem Tod in die Augen sehen. Und das tat ich im wahrsten Sinne des Wortes. Die
Viper glitt über meinem Bauch und zwischen den Brüsten hindurch, so dass ich sie
sehen konnte.
Ich schluckte. Ich hatte nicht erwartet, dass die Sh'ar so schön war, so anmutig. Sie glitzerte so als bestände sie aus Gold und Juwelen und in dem Muster ihrer Schuppen
konnte sich mein Blick verlieren. Alle anderen Schlangen der Wüste waren hässliche Geschöpfe.
Die regenbogenfarbenen Augen der Sh'ar bannten mich.
Ich war nun wirklich gelähmt, konnte nicht einmal mehr die Lider bewegen, die schon
bald zu schmerzen begannen. Der flache Kopf der Schlange wiegte sich in meinem
Blickfeld hin und her. Ich spürte Gefühle, die nicht von mir selber stammen konnten -
Belustigung über meine Angst, freundliche Sorge um mein Wohlergehen, und Beruhigung...
Dann stieß die Viper blitzschnell vor. Messerscharfe Zähne bohrten sich in meinen
Hals, doch meine Stimme war gelähmt und ich konnte meinem Schmerz nicht mehr
heraus schreien. Wie Feuer flutete das Gift durch die Adern zu meinem Herzen.
Oh Göttin, ich spürte, wie sich die Dunkelheit über mich senkte ... wenn doch nur Kiman ... Die letzten Gedanken galten, meinem Bruder...
"Ah, nein!" Verzweifelt versuchte ich mich frei zu strampeln und zerrte, wütend an den
Ranken, erreichte jedoch nur, dass sie sich enger, um mich zogen und mich beinahe
erwürgten. Nur noch benommen bekam ich mit, wie sich die Ranken wieder absenkten,
als habe es ihnen jemand befohlen, und mich auf den Felsboden drückten.
Ich spürte feine kurze Bewegungen. Schnell waren die kleinen Wesen über mir, keckerten und quiekten schrill, so dass meine Ohren schmerzten. Sie krallten ihre Klauen in meine Gewänder und rissen daran, um mich neugierig zu untersuchen. Ihre Stimmen klangen enttäuscht, als sie nichts fanden.
Ich spürte, dass sich die Ranken unter ihren Berührungen lockerten. Schließlich gelang
es mir eine Hand zu befreien, doch kaum griff ich nach einem der Wesen, fielen die
anderen über mich her, krabbelten auf mir herum, rissen an meinen Haaren und bissen
in die Hand, so dass ich schließlich aufgeben musste. Energisch wickelten sie mich wieder
in die klebrigen Ranken ein wie in einen Kokon, so dass ich mich schließlich gar nicht
mehr rühren konnte.
Ich war verzweifelt!
Warum hatte mich keiner vor dieser Gefahr gewarnt? Weder mein Vater noch die Alten?
Aber mit einem Male begriff ich: Vielleicht waren diejenigen, die das s'kima überlebt
hatten, niemals in eine solche Lage geraten.
Ich erinnerte mich mit Schrecken daran, dass es schließlich auch Prüflinge unter dem
Bann des S'kima gegeben, die nicht zurück gekehrt waren, so wie der ältere Bruder meines Vaters. Ich schluckte, als ich mich der seltsamen Gegenstände entsann, die ich
im Gang ertastet hatte.
Waren das nicht vielleicht menschliche Knochen gewesen?
Dann hoben mich einige der Geschöpfe hoch, trugen und zerrten mich einen weiteren Gang hinunter. Ich riss die Augen weit
auf und bewegte den Kopf, um mich umzusehen, aber schon bald konnte ich in der
zunehmenden Dunkelheit nicht mehr viel erkennen. '
Meine Träger hingegen -schienen immer noch alles, erkennen zu können, denn sie
bewegten sich sehr zielstrebig, und ohne Stocken.
Ich biss die Zähne zusammen. Was hatten die Kreaturen nur vor? Wollten sie mich
etwa fressen, da ihre Reißzähne schlimmes erahnen ließen- Oder wollten sie mich einem
anderen unheimlichen Wesen der Wüste opfern?
Ich begann zu zittern, als ich mich an die Geschichten- der Alten erinnerten, mit denen
sie uns als Kinder immer erschreckt hatten:
Von den Kreaturen, den D'hasei der Wüste, die nur darauf lauerten, einen unachtsamen
Nomaden in die Irre zu fuhren und zu töten.
Sie sind böse bis zum Grund ihrer Seele, denn die D'hasei sind nicht weniger als die
Geister derjenigen, die sich gegen die Göttin versündigten und nicht mehr dem Untergang von Imai entkamen. Der s'tai hat sie verflucht und der Qual ewigen Lebens in der
Gefangenschaft überantwortet! wisperte es in, meinem Geist. Denkt immer daran- Auch
ihr werdet euch in einen D'hasei .verwandeln, wenn ihr die heiligen Gesetze des
Stammes nicht achtet!
Ich hatte das immer für Drohungen gehalten, die man an unartige Kinder richtete.
Aber nun begann ich daran zu glauben, dass sie vielleicht gar nicht so falsch waren.. Nur
zu gut erinnerte ich mich. an. meine, damalige
Angst, denn sie war nun zurückgekehrt. In unserer Kindheit war Kymarah immer die
Mutigere gewesen, sie hatte mich immer getröstet, und Erklärungen für das Wispern
des Sandes und andere unheimliche Dinge gefunden, wenn ich glaubte, dass die D'hasei
kämen, um mich zu holen.
Im nächsten Augenblick schreckte ich hoch. Was geschah jetzt?
Instinktiv spannte ich mich an.
Ein leises Rauschen und Säuseln erklang aus der Richtung, in die sie mich schleppten,
und ein schwacher Wind kühlte mein Gesicht, brachte den Duft der Wüste mit sich.
Warum trugen sie mich nach draußen?
Ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, legten mich die seltsamen Wesen nieder und
verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren. Ich- starrte, auf den wolkenlosen
Nachthimmel, an dem die vertrauten Sternbilder funkelten. Das der Schlangengöttin
schien heute besonders hell zu leuchten.
Ich war tatsächlich draußen. Die vertrauten Geräusche beruhigten mich, das Wispern
des Windes, das Knistern des Sandes, und...
Snik... snik.. .snik...
Uwe Vitz - 20. Mai, 02:44
