Mittwoch, 4. Februar 2009

Würfelwelt 38

Affentanz
(Die Ebene der Sechs Türme)
von Winfried Brand
Es dämmerte bereits, als sie im tiefen Dschungel von Tandia
endlich einen geeigneten Platz fanden, wo sie ihr Lager aufschlagen konnten.
Müde ließ sich Jago auf einen Moos bewachsenen Felsen sinken,
zog seine Schuhe aus und begann,
seine Füße zu massieren,
die er nach dem langen Marsch dieses Tages kaum noch spüren konnte.
Das war einer der Nachteile, einen berühmten Wissenschaftler zum Vater zu haben.

Zuhause in Oststadt war ja alles ganz wunderbar; dort genoß er es regelrecht, von den anderen Jugendlichen bewundert zu werden,
wenn er wieder einmal von all den Abenteuern erzählte,
die er mit seinem Vater auf dessen Forschungsreisen erlebt hatte.
Und irgendwie klangen die Geschichten auch viel aufregender,
wenn sie aus seinem Mund kamen.
Doch die Wahrheit war eigentlich ziemlich ernüchternd.
Keine wilden Tiere, vor denen er die Expedition retten mußte;
noch nicht einmal die legendären Menschen fressenden Affen
hatten sie bisher zu Gesicht bekommen,
und es war auch keine seiner verwegenen Heldentaten vonnöten,
die er seinen Freunden immer wieder erzählte.

Leise betete er, daß sie die sagenumwobene Stadt Ankia bald finden würden, so wie es ihnen ihr Führer Devos versprochen hatte,
denn dann würde dieses ewige Herumgelaufe endlich ein Ende haben.
Aber inzwischen zweifelte er am Wahrheitsgehalt der Worte des Führers,
der sie in diesen Urwald gelockt
hatte.
Angeblich hatte er die Stadt gesehen, war sogar in ihr gewesen.
So jedenfalls hatte er erzählt,
als er vor fast zwei Monaten halb verhungert
und verdurstet in Oststadt
bei Jagos Vater an die Tür geklopft hatte.
Sein Vater war natürlich sofort begeistert von der Aussicht,
die legendäre Stadt Ankia zu finden und
gründlich zu untersuchen, so daß er
nichts eiligeres zu tun hatte, als
schnellstens eine Expedition auszurüsten,
um auf die Suche nach der Stadt zu gehen.
Jago würde es nicht wundern,
wenn sich herausstellen würde,
daß ihr Führer gar keine Ahnung hatte, wo die Stadt zu finden war;
daß er diese Geschichte nur erfunden hatte,
um bei Jagos Vater für ein paar Tage Unterschlupf zu finden.

Jago warf einen kurzen Blick hinüber zu Devos,
der auch nicht gerade glücklich zu sein schien.
Seine dunkle Miene sprach Bände, während er zusammen mit den Trägern, die Jagos Vater für diese Expedition angeheuert hatte,
den Platz für die Nacht herrichtete.
Während Jago weiter seine wunden Füße massierte,
schweiften seine Gedanken immer weiter ab.
Seit mehr als sieben Jahren begleitete er seinen Vater nun schon auf dessen Expeditionen.
Früher war das alles anders gewesen, war sein Vater allein losgezogen.
Doch dann passierte das mit seiner Mutter.
Sie wurde krank, als sein Vater wieder einmal unterwegs war,
und keiner wußte, um was für eine Krankheit es sich handelte.
Als er endlich wieder heimkehrte,
wurde er mit der Nachricht empfangen, daß seine Frau am Fleckenfieber gestorben war,
einer Krankheit, die durchaus heilbar war,
wenn man sie rechtzeitig erkannte.
Jagos Vater schwor sich, daß er nie wieder einen Menschen verlieren sollte,
weil er nicht anwesend war.
Statt jetzt jedoch auf die Expeditionen zu verzichten,
nahm er seinen damals 8jährigen Sohn mit -
eine Tradition, die er bis heute beibehalten hatte
und auf die Jago inzwischen eigentlich ganz gut verzichten konnte.
Schließlich hatte er inzwischen genügend Stoff für seine Erzählungen zusammen
und war es satt, sich dauernd die Füße wund zu laufen.
Er schreckte aus seinen Gedanken hoch,
als er eine Berührung an seiner rechten Schulter spürte.
Der Geruch von gebratenem Fleisch stieg in seine Nase.
“ Komm, Sohn. Es wird Zeit zu essen. " hörte er seinen Vater,
der sich bereits wieder dem Lager zuwandte.
Jago mußte eine ganze Weile in Gedanken versunken sein,
denn an seinem Vater vorbei sah er bereits
die fertigen Unterstände für die Nacht,
und mitten zwischen ihnen drehte ein Träger
den ersten der drei großen Vögel,
die sie im Laufe des heutigen Tages hatten erlegen können,
über dem Feuer.
Wenigstens gab es heute etwas Ordentliches zu essen
- und nicht nur die Wurzeln,
die sie die letzten drei Tage bekommen hatten.
Sein Vater hätte ruhig noch den einen oder anderen Jäger auf die Expedition mitnehmen können,
dann hätten sie wesentlich mehr Fleisch zu essen bekommen,
dachte Jago, während er seine Schuhe wieder anzog
und zum Lager hinüberschlenderte.
Weder er noch einer der anderen Expeditionsteilnehmer bemerkte das Augenpaar,
welches sie aus dem Dikkicht, das die Lichtung umgab,
noch eine ganze Zeitlang beobachtete.

Am nächsten Morgen machten sie sich bereits früh wieder auf den Weg,
obwohl auch Jagos Vater inzwischen die Geschichte ihres Führers anzuzweifeln begann,
wie Jago vermutete.
Kurz bevor er am letzten Abend eingeschlafen war,
hatte er noch mitbekommen,
wie sich sein Vater mit ihrem Führer unterhielt,
zwar leise, aber doch unüberhörbar in einem zornigen Tonfall.
Jagos Meinung nach waren diese Zweifel längst überfällig,
aber wenn sich sein Vater einmal in seinen Forschungsdrang hineingesteigert hatte,
hielt ihn so schnell nichts mehr auf.
Jagos Füße hatten in dieser Nacht wohl zu wenig Zeit gehabt,
sich richtig zu erholen, denn bereits nach weniger als drei Stunden begannen sie wieder heftig zu schmerzen.
" Verdammter Tag/Nacht/Rhythmus ", dachte Jago,
der sich nichts sehnlicher gewünscht hätte als eine längere Nacht.
Doch diese war erst am Abend des heutigen Tages wieder zu erwarten.
Diese Expedition war aber auch eine ziemliche Zumutung,
fand Jago.
Er setzte sich auf eine Baumwurzel am Rand des Weges,
den die Gruppe förmlich aus dem Urwald geschnitten hatte,
und ließ die anderen erst einmal an sich vorbeiziehen.
Er mußte einfach ein wenig ausruhen, und wenn es nur fünf Minuten waren.
Die Gruppe würde er schon wieder einholen, und verlaufen konnte er sich auch nicht. Der von ihnen geschaffene Weg war schließlich der einzig gangbare Teil in diesem Urwald.
Jagos Vater nickte ihm noch zu, als er an ihm vorbeiwanderte,
zuckte dann mit den Schultern
und verschwand im dichten Unterholz.

Kurz nachdem die Gruppe außer Sicht war,
fühlte sich Jago schon wieder besser.
Vielleicht hatte er die Einsamkeit auch einfach mal gebraucht.
Drei Wochen nur in Begleitung der Expedition konnten einem schon auf den Geist gehen.
Er sehnte sich zurück nach Oststadt und seinen Freunden. Plötzlich schien es ihm, als ob sich die Baumwurzel,
auf der er saß, bewegen würde.
Vor Schreck erstarrte er förmlich,
was sein Fehler gewesen war.
Die Wurzel rutschte nach hinten,
und während sie ihn mitriß,
bemerkte er, daß das Gebüsch hinter seinem Rücken nur wenige Zentimeter dick war.
Danach ging es einen steilen Abhang hinunter.
Auch saß er nicht, wie vermutet, auf einer Wurzel,
sondern auf einem abgestorbenen Ast,
der sich an beiden Enden ein bißchen in den Waldboden gegraben hatte.
Dieser Ast hatte durch das Gewicht des Jungen seinen Halt verloren
und rutschte nun unaufhaltsam den Ab- hang hinunter
- und Jago mit ihm.
Das letzte, was er wahrnahm, war ein pelzbedeckter Kopf, der ihm durch das Gebüsch am oberen Ende des Abhangs nachsah,
dann wurde ihm schwarz vor Augen.
Sein ganzer Körper schmerzte,
als er erwachte.
Und noch etwas anderes spürte er.
Es war, als ob sein Körper von irgendjemandem von oben bis unten abgetastet würde.
" Salemon sei Dank, sie haben mich gefunden ", dachte er,
dann schlug er unter lautem Stöhnen die Augen auf.
" Mir geht es..."., fing er an,
doch dann verstummte er.
Nicht etwa sein Vater oder einer der anderen Expeditionsteilnehmer hatte sich über ihn gebeugt,
sondern ein großer Affe, der fast menschlich aussah.
Mit einem leisen Schrei sank er zurück in die Ohnmacht.
Als er das nächste Mal erwachte, bemerkte er etwas Kühles auf seinen Beinen.
Vorsichtig schlug er die Augen wieder auf.
Diesmal war er nicht mehr überrascht,
den Affen zu erblicken, der wenige Meter neben ihm auf dem Boden des Urwaldes saß
und auf irgendwelchen Blättern herumkaute.
Vorsichtig versuchte Jago, sich zu bewegen.
Seine Beine schmerzten zwar noch immer,
aber er schien sich glücklicherweise nichts gebrochen zu haben.
Vielleicht konnte er fliehen, ohne daß der Affe ihn bemerken würde;
denn er zweifelte nicht daran, einen der Menschen fressenden Affen vor sich zu haben,
die hier im Urwald ihr Unwesen treiben sollten,
von denen sie bisher jedoch noch nichts gesehen hatten.
Als er sich vorsichtig auf die Seite rollte,
konnte er jedoch ein leises Stöhnen nicht unterdrücken.
Der Affe sah ruckartig auf und kam dann zu ihm herüber.
Er griff nach Jagos Beinen,
die dieser in einer Reflexreaktion zur Seite zog.
Der Affe war jedoch schneller.
Mit seinen Händen hielt er Jagos Beine wie in einem Schraubstock.
" Soviel also zu deinem Fluchtversuch. Schöner Held bist du...".,
verspottete sich Jago in seinen Gedanken selbst.
Dann sah er sich den Affen genauer an.
Eigentlich sah er ja recht friedlich aus,
nur das Gefühl des harten Griffs um seine Beine
und der grünliche Saft,
der dem Affen aus den Mundwinkeln lief,
gaben ihm ein Furcht erregendes Aussehen.
Als könnte ihn Jagos Fluchtversuch nicht aus der Ruhe bringen,
kaute der Affe in aller Seelenruhe weiter auf den seltsamen Blättern herum.
Jago beschloß, sich still zu verhalten
und später eine neue Fluchtchance besser zu nutzen,
die sich sicherlich bieten würde.
Schließlich schien der Affe das Kauen leid zu sein,
denn er griff mit einer Hand nach seinem Mund und holte die Blätter daraus hervor.
Völlig überraschend für Jago klatschte er den grünlichen Brei jedoch auf Jagos Unterschenkel
und verrieb ihn dort.
Starr vor Schreck wagte es Jago nicht,
sich weiter zu bewegen.
Erst jetzt entdeckte er,
daß sein anderer Unterschenkel ebenfalls von einer grünlichen Paste bedeckt war.
Das war also das feuchtkühle Gefühl auf seinen Beinen gewesen.
Aber was, um Salemons Willen, machte der Affe denn eigentlich mit ihm?
" Ich heile deine Beine, was glaubst du denn? ",
erklang eine Stimme in Jagos Kopf.
Jago vergaß vor Schreck sogar fast das Atmen.
Was war das für ein Zauber?
" Kein Zauber.
Das ist nur meine Art, mich zu unterhalten.."
Die Stimme in seinem Kopf schien amüsiert zu sein.
" Wer... wer bist du? " fragte Jago laut,
froh, wenigstens ein Geräusch zu hören,
das nicht zu dem ewigen Rauschen des Urwaldes gehörte.
" Kannst du dir das nicht denken? "
Fast schien es Jago,
als ob die Stimme in seinem Kopf sich über ihn lustig machte.
Dann riß ein fremdes Geräusch ihn aus seiner Konzentration.
Der Affe schien zu lachen.
Jedenfalls konnte man die Geräusche,
die er von sich gab,
als solches interpretieren
- mit viel Phantasie zumindest.
Auch konnten die verzogenen Mundwinkel nicht etwa auf eine grimmige Gesinnung hindeuten
, wie man vermuten könnte,
sondern vielmehr auch das äffische Gegenstück eines Grinsens sein.

Jago kannte sich in der Mimik der Affen nicht allzugut aus,
was ihn jedoch nicht daran hinderte,
erst einmal erstaunt zu schauen und dann ebenfalls breit vor sich hin zu grinsen.
" Dir gehört die Stimme in meinem Kopf, nicht wahr? "
redete er auf den Affen ein.
" Gut erkannt.."
" Wieso hilfst du mir eigentlich? "

" Hm, ich weiß auch nicht so recht. " Ich habe eure Gruppe schon eine Weile beobachtet,
das ist interessanter als mit den anderen zu spielen.
Denen fallen sowieso keine neuen Spiele mehr ein,
und immer das gleiche... Na ja, jedenfalls wart ihr eine Abwechslung für mich.
Und als ich dann gesehen habe, wie du hier runtergerutscht
und liegen geblieben bist... Ich rutsche hier ja auch öfter runter,
ist ein schönes Spiel,
aber du hast das wohl eher unfreiwillig gemacht,
und dann kann man sich schließlich verletzen...."
Jago begriff langsam, daß er wohl eher ein Affenkind vor sich hatte.
Wie groß würde es eigentlich noch werden,
wenn es einmal erwachsen wäre?
Schon jetzt war das Affenkind fast so groß wie er selbst...
" Danke ", stammelte er,
immer noch überrascht von der unvermuteten Mitteilsamkeit des Affen.
" Aber gern geschehen.
Meine Mutter hat mir gezeigt,
wie man kleine Wunden behandeln kann.
Und deshalb hab ich das bei dir auch gemacht.."
" Wie kommt es eigentlich, daß du reden kannst
- oder wie man das auch nennen will, wenn deine Stimme in meinem Kopf erscheint? "
Jago spürte, schon als er diese Worte aussprach,
daß er einen Fehler gemacht hatte.

Das Affenkind wich mit einem Satz von ihm zurück,
das Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden.
" Oh je, jetzt habe ich doch glatt das wichtigste vergessen,
was mir mein Vater gesagt hat."
" Und was ist das? "
Immer noch war Jagos Stimme die einzige,
die die natürliche Geräuschkulisse des Urwaldes durchdrang.
Der Affe gab nur ab und zu ein leises Grunzen von sich,
doch seine Stimme erklang in Jagos Kopf so klar,
als ob er laut sprechen würde.
" Sprich nie mit Menschen. "
" Oh ", machte Jago.
Er begann zu verstehen.
Die Affen wollten nichts mit ihrer Nahrung zu tun haben.
Aber dieses Affenkind schien doch eigentlich freundlich zu sein.
Wieso hatte es ihm geholfen?
" Nein, du verstehst überhaupt nichts. " vernahm er wieder die Stimme in seinem Kopf.
Konnte der Affe etwa seine Gedanken erkennen?
" So in etwa. Wenn du richtig fest an etwas denkst,
kann ich erkennen, was es ist."
Na, das war ja eine nette Überraschung.
" Na, jetzt ist es ja eigentlich egal.
Du weißt es ja sowieso schon.
Auch wenn es meinem Vater gar nicht gefallen wird.
Du darfst ihm auf keinen Fall etwas davon erzählen,
sonst wird er böse."
" Keine Angst, ich kann schweigen wie ein Grab."
Jago kam kurz der Gedanke,
daß diese Redewendung gar nicht mal so falsch sein könnte,
wenn der Vater oder einer der anderen Affen herausfinden würde,
daß er das Geheimnis ihrer Art kannte.
Sollte er nicht wirklich schweigen,
konnte es durchaus dazu kommen, daß er für immer schweigen würde.
Schließlich waren diese Affen ja Menschenfresser,
auch wenn er das jetzt nicht mehr so ganz glauben konnte.
Dann sprach wieder die Stimme des Affenkindes in seinem Kopf:
" Komm mit, ich zeig dir was..."
Der Affe winkte Jago zu, ihm zu folgen.
Verwundert stellte Jago fest,
daß er fast keine Schmerzen mehr in seinen Beinen hatte.
Selbst seine wunden Füße schienen geheilt zu sein.
Dieses grünliche Zeug schien Wunder zu wirken.
Vorsichtig folgte er dem Affen, der stets ein paar Meter vor ihm ging,
gerade so weit, daß er ihn durch das dichte Unterholz noch erkennen konnte.
Nach vielleicht einer Viertelstunde hielt der Affe abrupt inne.
Er bedeutete Jago, jetzt ganz leise zu sein,
dann schlich er behutsam weiter bis
zu einer undurchdringlich erscheinenden Wand aus Gestrüpp,
wo er sich niederließ.
Jago versuchte,
jedes Geräusch zu vermeiden,
als er sich an die Seite des Affen begab.
Vorsichtig schob der Affe ein paar Zweige auseinander.
Jago erkannte erstaunt,
daß sich sein Freund,
so glaubte er den Affen inzwischen bezeichnen zu können,
hier eine Art Versteck geschaffen hatte,
wo er wohl des öfteren saß
und irgendetwas beobachtete.
Neugierig blickte Jago durch die entstandene Öffnung
und konnte nur mit Mühe einen Ausruf des Erstaunens unterdrücken.
Er blickte direkt auf die Gemäuer einer uralten Stadt.
Teilweise schien sie zerfallen
und vom Urwald zurückerobert zu sein,
doch war sie alles in allem in einem erstaunlich guten Zustand.
Dies mußte Ankia sein, die Stadt,
nach der sein Vater die ganze Zeit gesucht hatte.
Dann konnte er einen Laut des Erstaunens doch nicht unterdrücken,
als er einiger Affen gewahr wurde,
die sich durch die teilweise zerfallenen Straßen der Stadt bewegten.
Die Affen mußten zur Art seines Freundes gehören,
nur waren sie größer, ein ganzes Stück größer
als das Affenkind neben ihm.
Und die Affen gingen aufrecht,
ganz so wie Menschen.
Seinen Vater hätte das sicherlich sehr interessiert.
Genau nach so etwas suchte er schon seit Jahren:
Den Beweis, daß Menschen und Affen irgendwie verwandt miteinander waren.
Seine Kollegen hatten ihn immer wieder ausgelacht,
wenn er auf diese Theorie zu sprechen kam,
doch er hatte nicht aufgegeben.
Daß sie ihn überhaupt noch ernstnahmen,
hatte er nur seinen anderen Forschungen zu verdanken
- und der Tatsache,
daß er von seiner speziellen Theorie nur noch sehr selten sprach.
Das hier würde seinen Vater sicherlich begeistern.
Als Jago genauer hinsah,
konnte er erkennen,
daß die Affen noch menschenähnlicher schienen,
als er auf den ersten Blick glaubte.
Ihr Fell war nicht so dicht wie bei den anderen Affenarten,
die er bisher zu sehen bekommen hatte.
Was sie jedoch fast auf unheimliche Art menschenähnlich machte,
war die Art, wie sie ihre Hände gebrauchten.
Staunend sah Jago zu,
wie einer der Affen mit Hilfe von einigen Werkzeugen
den Eingang eines der Häuser zu reparieren schien.
Wenn das doch nur sein Vater sehen könnte.
Staunend beobachtete er weiter,
als er plötzlich zurückgerissen wurde.
" He", beschwerte er sich in der Annahme,
daß er seinen Affenfreund vor sich hatte,
doch dann erkannte er die Gestalt hinter sich.
Es war einer der ausgewachsenen Affen,
der nun in drohender Gebärde über ihm stand.
Ende des 1. Teils
Winfried Brand
Affentanz
(Die Ebene der 6 Türme)
2. Teil
Der Affe holte zu einem Schlag aus,
als ihm das Affenkind in den Arm fiel.
" Laß ihn, er ist mein Freund! "
erklang die inzwischen vertraute Stimme des Kindes in seinen Gedanken.
Der ältere Affe hielt inne.
Dann packte er entschlossen nach dem Affenkind und Jago.
Mit unbarmherzigem Griff zerrte er die beiden aus dem dichten Unterholz
ins Freie auf die Stadt zu.
Die anderen Affen sahen erstaunt auf,
als sie den freien Platz betraten.
Eine Sekunde lang schien der Dschungel den Atem anzuhalten,
dann brach die Hölle los.
Die Affen rannten aufgescheucht durcheinander,
und es dauerte Minuten, bis sie sich wieder beruhigt hatten.
Schließlich kam einer der Affen auf sie zu.
Das Affenkind neben Jago schien sich wie in Schmerzen zu winden;
dann erklang wieder die bekannte Stimme in Jagos Kopf,
diesmal jedoch schien sie dem Weinen nah zu sein.
" Vater, bitte sprich auch zu ihm.
Er hat ein Recht darauf, dich auch zu hören."
Jago begriff zuerst nicht,
doch dann erklang eine andere, zornige Stimme in seinen Gedanken.
" .Was hast du nur getan, Tela?
Du weißt doch, daß kein Mensch von uns wissen darf. "
Tela?
Jago glaubte, sich verhört zu haben.
Oder war dies Affenkind neben ihm wirklich ein Mädchen?
" Aber Vater, er hatte sich verletzt,

und ich wollte ihm doch nur helfen. Außerdem ist er wirklich nett...."
" Na, das werden wir ja sehen.
Du weißt doch, wie die Gesetze lauten? "
" Ja, Vater."
Die Stimme Telas schien gedrückt.
Jago wurde zornig.
" Aber ich weiß es nicht.
Würde mir vielleicht jemand erklären,
um was es hier eigentlich geht? "
" Na gut ", erklang die Stimme von Telas Vater in seinem Kopf.
" Du hast ein Recht darauf, es zu erfahren.
Außerdem wirst du es sowieso nicht weitererzählen können.."
" Was soll das denn heißen? "
" Alles zu seiner Zeit. Kommt erst mal mit. "
Telas Vater gab dem Affen,
der die beiden hielt, einen Wink,
sie loszulassen.
Dann bedeutete er ihnen, ihm zu folgen.
Kurze Zeit später saßen sie zusammen an einem Tisch
in einem der Häuser der Stadt
. Jago kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.
Alles wirkte zwar ein wenig primitiv,
aber irgendwie... menschlich.
" Ja, du hast gar nicht mal so unrecht.
Aber setz dich erstmal."
Die Stimme von Telas Vater war ruhiger geworden.
Fast schien es Jago, als könne er eine Spur von Mitleid aus ihr herauslesen,
aber sicher war er sich nicht.
Nachdem sie sich an den roh zusammen gezimmerten Tisch gesetzt hatten,
erzählte Telas Vater:
" Es ist schon lange her,
Jahrhunderte, da lebten unsere Vorfahren mitten unter den Menschen.
Ja, sie waren sogar Menschen wie du.
Doch irgendwie waren sie auch anders.
Sie hatten die Gabe, ihre Stimme durch
die Geister der anderen Menschen wandern zu lassen
. Diese Gabe machte sie zu etwas Besonderem, doch die anderen Menschen fürchteten sich
vor ihnen und wollten sie töten,
sobald sie einen von unseren Vorfahren erkannten.
Es gelang dreizehn von ihnen,
sich in den Urwald zu flüchten,
wo sie vor den Menschen sicher waren.
Hier fanden sie ein neues Zuhause,
ohne Furcht und Neid.
Denn der Neid war es gewesen
, der die anderen Menschen dazu trieb, unsere Vorfahren zu fürchten.
Irgendwann fanden sie schließlich diese Stadt, und sie machten sich daran,
sie in Teilen wieder bewohnbar zu machen.
Während all der Jahrhunderte jedoch
haben wir uns an unsere Umgebung angepaßt,
uns weiterentwickelt, bis wir schließlich immer weniger
wie Menschen aussahen.
Und unsere Gesetze verbieten uns,
uns mit Menschen einzulassen.
Sollten die Menschen von uns erfahren,
werden sie die Jagd wieder aufnehmen und uns diesmal endgültig vernichten.
Deshalb darf niemals ein Mensch von unserem Geheimnis erfahren.
Und wenn doch einer davon erfährt, darf er uns nie wieder verlassen.
Wir werden also auch dir nicht erlauben können,
wieder zu den Deinen zurückzukehren.."

" Aber ich dachte, ihr seid Menschenfresser..."
" Ja ", erklang die Stimme von neuem in Jagos Kopf.
" In diesem Urwald gibt es viele dieser Menschen fressenden Affen,
und auch wir müssen uns vor ihnen in Acht nehmen.
Doch wir können sie uns vom Leib halten.
Außerdem legen wir großen Wert darauf, mit ihnen verwechselt zu werden,
denn dies hält uns die neugierigen Menschen vom Hals.
Eigentlich sind wir über diese Affen sehr froh,
auch wenn sie manchmal zum Problem werden.
Aber keine Angst,
wir werden dich jedenfalls nicht auffressen.
Vielleicht wirst du dir jedoch irgendwann einmal wünschen,
daß wir es doch tun würden."
Telas Vater gab dem Affen,
der den Eingang des Hauses bewachte, einen Wink.
Er kam näher und griff nach Jago.
" Wir werden dich jetzt erst einmal einsperren müssen.
Wenn du irgendetwas benötigen solltest,
kannst du ja nach uns rufen.
Schließlich sind wir ja keine Unmenschen..."
Jago wußte, daß Gegenwehr zu diesem Zeitpunkt nichts bringen würde,
und so ließ er sich widerstandslos abführen.
Der Affe brachte ihn zu einem Haus, das außergewöhnlich gut erhalten war.
Nirgendwo waren Spuren von Verfall zu sehen,
die Mauern schienen sehr stabil zu sein,
und auch die Tür, durch die er ins Innere gebracht wurde,
war alles andere als morsch.
Er hörte, wie die Tür hinter ihm geschlossen wurde;
dann wurde ein Riegel vorgelegt. Als er sich in dem kleinen Raum umsah, in dem er nun gefangen war und in dem er wohl den Rest seines Lebens verbringen sollte,
wenn es nach dem Willen der Affenmenschen ging,
stellte er fest, daß er wenigstens
einigermaßen gemütlich eingerichtet war.
Lediglich die Gitter vor den Fenstern gefielen ihm nicht so besonders,
was kein Wunder war, denn noch hatte er die Hoffnung, fliehen zu können, nicht aufgegeben.
Die Affen würden es nicht schaffen, ihn hier zu behalten.
Schließlich hatte er sich schon oft aus ausweglosen Situationen befreien können.
Während dieser Gedanken kam ihm gar nicht richtig zu Bewußtsein,
daß diese Rettungsaktionen eigentlich nur in seiner Phantasie stattgefunden hatten,
in den Geschichten, die er seinen Freunden in Oststadt erzählt hatte.

In diesem Moment glaubte er daran,
daß er sie wirklich erlebt hatte.
Und er wußte, daß es ihm irgendwie gelingen würde,
sich zu befreien. Wenig später klopfte jemand an die Tür
. Dann wurde der Riegel zurückgeschoben, und Tela kam herein.
" Es tut mir leid, das wollte ich nicht.",
erklang ihre Stimme in seinem Kopf. " Ist schon gut."
" Weißt du, ich kann dich richtig gut leiden,
und ich hoffe, daß ich meinen Vater vielleicht irgendwann überreden kann,
dich doch gehen zu lassen. Du würdest doch nichts über uns verraten, oder? "
" Nein, natürlich nicht
. Schließlich bist du doch meine Freundin."
Jago meinte dies ernst,
denn er konnte durchaus die Gefahr sehen,
in der die Affenmenschen schwebten,
wenn sie von den Menschen entdeckt würden,
ihre Existenz bekannt würde.
Tela schien seinen Gedankengängen gefolgt zu sein,
denn sie wurde ruhiger.
Gleichzeitig schien sie einen entschlossenen Gesichtsausdruck aufzusetzen,
soweit Jago dies bei ihr erkennen konnte.
" Ich wollte dir eigentlich nur etwas zu essen und trinken bringen. ", sagte Tela
und setzte ihm eine Art Tablett aus Baumrinde auf den Tisch,
auf dem eine Schale mit einer dampfenden Flüssigkeit
und ein Krug mit Wasser stand;
dann verließ sie ihn wieder.
Jago hörte, wie von draußen der schwere Riegel wieder vorgelegt wurde; dann spürte er,
daß er tatsächlich Hunger hatte. Eigentlich kein Wunder,
denn er hatte schon seit heute morgen nichts mehr gegessen,
was immerhin schon fast zehn Stunden her war.
Draußen begann es schon wieder zu dämmern. So setzte er sich also an den Tisch,
der dem in dem Haus von Telas Vater ähnelte,
und begann, seinen Hunger zu stillen.
Die dampfende Flüssigkeit erwies sich als eine sehr schmackhafte
und sättigende Suppe,
die Jago nur mit Mühe restlos verspeisen konnte.
Nach der reichhaltigen Mahlzeit fühlte er sich schlapp und müde,
und so legte er sich auf die Matratze aus Stroh,
die er in einer Ecke des Raumes erblickt hatte.
Das war doch schon etwas ganz anderes als der Waldboden,
auf dem er die letzten drei Wochen hatte nächtigen müssen.
Kurze Zeit später war er eingeschlafen.
Als er erwachte, war es dunkel.

Nur ein schwacher Lichtschein fiel durch eines der Fenster in den Raum.
Zuerst wußte er nicht, was ihn geweckt hatte, doch dann hörte er leise Geräusche von draußen.
Verwundert stand er auf und ging zu dem vergitterten Fenster,

das auf eine Art Platz hinausführte. Erstaunt stieß er den Atem aus, als er erkannte,
was dort vor sich ging.
Die Menschenaffen hatten sich um mehrere kleine Feuer herum versammelt,
deren Lichtschein kaum ausreichte,
die Szenerie wirklich zu erhellen.
Viele der Affenmenschen waren auch jetzt noch von der Dunkelheit mehr oder weniger verschluckt,
und er konnte nur erahnen,
daß sie sich wirklich dort befanden,
wo er sie vermutete.
Es waren vielleicht an die fünfzig Affenmenschen,
die sich hier versammelt hatten,
wahrscheinlich die gesamte Bevölkerung der Stadt,
wie Jago vermutete.
Und sie schienen irgendetwas zu feiern.
Jedenfalls tanzten einige von ihnen in einem Kreis
um eins der Feuer herum,
während die anderen dazu im Takt in die Hände klatschten.
Es war ein wahrer Affentanz,
den er hier beobachtete.

Was die Affen jedoch feierten,
entzog sich seinem Vorstellungsvermögen.
Seine Festnahme konnte es ja wohl nicht sein, oder?Nein, sicherlich nicht, beruhigte er sich.
Diese Affenmenschen waren friedlich und froh,
wenn sie mit den Menschen nichts zu tun hatten.
Jago gähnte intensiv
und beschloß, sich wieder hinzulegen.
Vielleicht konnte er am nächsten Morgen näheres
über dieses seltsame Fest herausfinden.
Es war immer noch dunkel, als er zum zweiten mal aufwachte.
Das Fest schien bereits zu Ende zu sein,
denn diesmal war die Dunkelheit fast vollkommen.
Nur das schwache Licht der Sterne ließ ihn einige Umrisse in seiner Umgebung erkennen.
Er zuckte zusammen,
als er eine Berührung an einem rechten Arm fühlte.
" Psst ", erklang Telas Stimme in seinem Kopf.
" Versuche, nicht intensiv zu denken,
sonst könnten sie vielleicht aufwachen."
" Was..." Jago schlief noch mehr, als daß er wach war.
" Schschscht! " machte Tela,
" Ruhe. "

Dann zog sie ihn vorsichtig auf die sperrangelweit offen stehende Tür zu.
Wenige Minuten später war sie mit
ihm in der Dunkelheit des Dschungels verschwunden.
" So, jetzt sind wir weit genug weg. "
" Was machst du eigentlich? "
" Ich will dich befreien, du Dummkopf! "
" Aber dein Vater...."
" Ach, der wird sich schon wieder beruhigen. Ich weiß,
daß du uns niemals verraten würdest, auch deinem Vater gegenüber nicht.
Und ich mag dich und möchte nicht mit ansehen,
wie du langsam, aber sicher in deinem Gefängnis
Tag für Tag ein Stück mehr stirbst."
Jago schwieg.
Es war auch gar nicht nötig, daß er ein Wort sagte,
denn Tela konnte schließlich seine Gedanken verstehen.
Schweigend drangen sie Hand in Hand weiter in den Urwald vor.
Schließlich hielt Tela inne.
" Hier müssen sich unsere Wege trennen.
Dort vorne ", sie zeigte in die Richtung,
in die sie bisher vorgestoßen waren,
" liegt das Lager der Leute deines Vaters.
Sie suchen dich schon seit gestern Mittag,
als sie feststellten, daß du ihnen nicht mehr gefolgt bist.
Dein Vater ist sehr in Sorge um dich. " Jago schwieg noch immer.
Er konnte Telas Reaktion immer noch nicht begreifen.
" Dummkopf! " ertönte wieder ihre Stimme, doch klang sie irgendwie liebevoll.
Schließlich verstand Jago, was Tela dazu getrieben hatte, ihn zu befreien.
Er wollte noch etwas sagen, doch da war Tela schon von seiner Seite verschwunden.
" Nein, du brauchst nichts zu sagen, ich weiß es schon.
Und ich kann auch nicht mit dir kommen. Die Menschen würden das Geheimnis unseres Volkes erkennen,
und das wäre wahrscheinlich unser Untergang."
Jago wollte es zuerst nicht wahrhaben,
doch dann sah er ein, daß Tela recht hatte.
Sie konnte ihn nicht begleiten.
Schwermütig machte er sich auf in die Richtung,
die Tela ihm gewiesen hatte.
Kurz bevor er das Lager erreichte, spürte er noch einmal ihre Hand
kurz über seinen Arm streichen.
" Denke an dein Versprechen... Auf Wiedersehen...".,
die letzten Worte Telas verklangen leise in seinem Kopf,
dann durchbrach er das letzte Gebüsch,
das ihn noch vom Lager seines Vaters getrennt hatte.

Die Morgendämmerung zog bereits auf,
als sich die Aufregung im Lager langsam wieder legte.
Sein Vater hatte sich tatsächlich um ihn gesorgt
und hatte in seiner Sorge die anderen Männer der Expedition fast verrückt gemacht.
Und so waren auch sie mehr als froh,
daß Jago wieder bei ihnen war.
Seinem Vater hatte er einen Teil der Wahrheit erzählt.
Daß er mit dem Baumstamm den Abhang hinuntergerutscht war,
danach bewußtlos gewesen und erst vor vielleicht zwei Stunden wieder zu sich gekommen sei.
Er sei den Abhang wieder hinaufgeklettert und hatte schließlich den Weg
zum Lager gefunden
. In seiner Freude hatte sein Vater den kleinen Schwachpunkt der Geschichte nicht bemerkt.
Denn die Gruppe hatte den abgerutschten Baumstamm gefunden,
jedoch keine Spur von Jago.
Aber das konnte er immer noch damit erklären,
daß er etwas weiter gerollt war, unter einen Busch oder so,
wenn es denn nötig werden sollte.
Sein Vater hatte sich übrigens entschlossen,
die Suche nach der legendären Stadt Ankia aufzugeben.
Er war jetzt davon überzeugt, daß Devos gelogen hatte,
als er von ihr erzählte.
Heute würde man sich also auf den Rückweg machen
und die Expedition als gescheitert erklären.
Gern hätte Jago seinem Vater erzählt,
daß es die Stadt doch gab, daß er sie gesehen hatte,
und auch von den Affenmenschen;
doch er erinnerte sich an sein Versprechen, das Versprechen, das er sein Lebtag nicht brechen würde.
Und er erinnerte sich an die letzten Worte Telas.
" Auf Wiedersehen. ", hatte sie gesagt.
" Ja, auf Wiedersehen, Tela. Und wir werden uns wieder sehen - irgendwann...."
ENDE
© 15.02.96 by Winfried Brand /

Würfelwelt 37

Die Ehre des Henkers
(Die Ebene der Sechs Türme)
von Uwe Vitz
Im Heerlager der Thulaner, an der Nordküste des Sauren Meers, wimmelten Ritter, Knappen und Kriegsknechte durcheinander.
Einer dieser Kriegsknechte war der Cymre Camlan. Er war Matrose auf einem Handelsschiff im Sauren Meer gewesen,
das von den Bullemännern geentert wurde.
Sie verkauften alle wehrtauglichen Matrosen und Passagiere an die Thulaner,
die ständig Nachschub für ihren Krieg gegen die Nordianer brauchten.

Der Krieg war grausam, die Thulaner wurden in den Sümpfen und den Wäldern so rasch getötet,
dass ihr Kaiser Mühe hatte, genug Nachschub zu finden.
Sie rächten sich, indem sie das Land so gründlich nieder brannten , wie es Menschen möglich war.
General Wigard hatte gleich zu Beginn des Krieges seinen inzwischen berüchtigten "Keine-Gnade-Befehl" gegeben,
der nichts weiter besagte, als dass jeder Nordianer, egal ob Mann, Frau oder Kind, zu töten sei,
denn Kaiser Sieghardt hatte sich entschlossen, das ganze Nordiansiche Volk auszurotten.
Für solch einen hohen Herren war ein solcher Befehl rasch gegeben,
denn er musste die Gesichter seiner Opfer nie sehen.
Der Kaiser saß sicher in der Hauptstadt von Thula hielt dort große Reden über die Zivilisation.
Camlan fragte sich, seit er im Thulanischer Krieg kämpfen musste,
ob es nicht besser sei, alle Könige und Kaiser zu enthaupten und die Zivilisation zu vergessen.

Heute war wieder einer dieser großartigen " Siege der Zivilisation " gewesen.
Die Thulaner hatten ein Nordianisches Dorf in den Wäldern entdeckt und niedergebrannt.
Sie hatten sogar ein paar Gefangene gemacht, eine kleine Familie, die so dumm gewesen war, sich erwischen zu lassen.
Morgen früh sollten die Gefangenen gevierteilt werden, als kleine Aufmunterung für die Truppe.
Camlan jedenfalls fühlte sich nicht aufgemuntert.
Noch viel weniger, als er erfuhr, dass man ihn dazu ausgewählt hatte,
die Hinrichtung zu vollstrecken.
" Ich bin kein Henker. „protestierte er.
" Doch ab heute. "erklärte ihm sein Vorgesetzter sachlich.
" Unser alter Henker ist beim letzten Anschlag der Nordianer ums Leben gekommen.
Betrachte dieses Amt als eine Ehre Soldat. "
" Welche Ehre soll es sein, diese hilflosen Menschen abzuschlachten? "
" Das hast du nicht zu beurteilen, Soldat. " ermahnte ihn sein Vorgesetzter streng.
" Bedenke dennoch, dass sie Nordianer sind,
primitive Barbaren, die nichts mit zivilisierten Menschen gemein haben.
Damit sich die große Thulanische Kultur weiter verbreiten kann,
muss dieses entartete Volk ausgerottet werden. So grausam es klingen mag, es ist notwendig. "
Nach diesem Gespräch fühlte sich Camlan so klein und hilflos wie nie zuvor.
So besuchte er am Abend die Gefangenen.
" Ah, der Henker will sich seine sichere Beute schon mal ansehen. "begrüßte ihn einer der Posten freundlich.
" Leider hat der General verboten, dass wir sie, bevor du sie fertig machst, noch ein bisschen verprügeln. "
" Hast du denn gar kein Mitleid, wenigstens mit den Kindern? " fragte Camlan verstört.
" Mein Bruder starb durch einen Hinterhalt der Nordianer. ", antwortete der Posten.
" Dafür sollen diese Bastarde büßen. "
" Ja natürlich. ", seufzte Camlan und betrat die Zelle.
An Händen und Füßen angekettet hockten sie da.
Der Mann starrte Camlan hasserfüllt an, die Frau hatte Tränen in die Augen.
Sie flehte ihm in ihrer fremden Sprache an- worum?
Um das Leben ihrer Kinder?
Um einen schnellen Tod?
Morgen würde es ein sehr langsamer Tod werden.
Camlan blickte in die fünf schmutzigen Gesichter,
sah die Hoffnung in den Augen der Kinder und die Hoffnungslosigkeit in denen der Erwachsenen.
Als Camlan die Zelle verließ, fragte der Posten:
" Haben diese feigen Schweine um ihr Leben gefleht? "
Camlan nickte.
Der Posten lachte verächtlich.
" Ich wünschte ich könnte deinen Job machen, Henker. "
" Vielleicht hast du bald eine Gelegenheit. ", erwiderte Camlan und ging.
Am nächsten Morgen hielt General Wigard eine lange Rede.
Er sprach über Pflicht, Treue und über Gerechtigkeit.
Er sprach auch darüber, dass die heutige Hinrichtung ein gutes Beispiel für Gerechtigkeit bieten würde.
Als die Soldaten die Gefangenen aus der Zelle bringen sollten,
eilten sie verstört zurück und berichteten, dass die Gefangenen schon tot seien.
Sie waren im Schlaf gestorben.
Der General bekam daraufhin einen Wutanfall, der noch viel schlimmer wurde,
als er erfuhr, dass der Henker spurlos verschwunden war..
Ein kleines Boot trieb über das Saure Meer.
Camlan blickte gleichgültig zur Nordianischen Küste, von der er immer weiter abgetrieben wurde.
Er dachte an die giftigen Kräuter, die er den Gefangenen gegeben hatte, für einen schnellen, schmerzlosen Tod.
Und er fragte sich immer wieder, ob es eine Möglichkeit gegeben hätte, ihr Leben zu retten.
ENDE

Würfelwelt 36

Das Geschenk der Goblins
Prinzessin Nordwind 2
(Die Ebene der Sechs Türme)
von Uwe Vitz
Auf der Gurkeninsel im Sauren Meer liegt das Schloss der Fee Malefysatek,
von den anderen Bewohnern auch Male genannt.
Einst zog die Fee Male ein kleines Mädchen auf, dessen Eltern ums Leben gekommen waren.
Da dieses Kind das einzige Menschenkind auf der Gurkeninsel war,
nannte die Fee es einfach `Menschenkind´.
Sie war nie sehr einfallsreich was Namen anging.
Dennoch zog die Fee das Kind mit all der Liebe und Gewissenhaftigkeit auf,
die man von einer guten Fee erwartete und natürlich lehrte sie Menschenkind auch manchen Zauberspruch.

Auf der Gurkeninsel gibt es auch noch Goblinsdorf.
Die Goblins sind hässliche, kleine Kobolde von bräunlich, schwarzer Gesichtsfarbe und voller List und Tücke.
Der Bürgermeister von Goblinsdorf war zu jener Zeit Bruder Langzahn,
er war der übelste und bösartigste Goblin auf der ganzen Insel.

Eines Tages nun versammelte sich der Dorfrat von Goblinsdorf.
Fünfzehn, braune, schwarze oder grünhäutige Kobolde hockten in einem Steinkreis mitten im Dorf und berieten sich mit so schrillen Stimmen, dass Glas davon zersplittert wäre.
(Dies ist übrigens auch der Grund weshalb es in Goblinsdorf keine Glasfenster gibt)
Bruder Langzahn begann: " Liebe Brüder, lange schon haben wir Goblins auf eine Gelegenheit gewartet,
die ganze Gurkeninsel für uns zu beanspruchen, nun ist es soweit. "
" Wie willst du das große Ziel erreichen? " fragte Bruder Giftblick.
Bruder Langzahn gab ihm einen Schlag mit der rechten Klauenhand,
der ihn aus dem Steinkreis schleuderte.
Knurrend kroch Bruder Giftblick in den Steinkreis zurück und starrte den Bürgermeister hasserfüllt an.
" Unterbrich nie deinen Bürgermeister "keifte Bruder Langzahn und fuhr fort.
" Ich habe eine blaue Rose. "
" Woher? " kreischten die anderen vierzehn Goblins im Chor.
" Von einem Zauberer aus Sahuria gestohlen.
Ihr wisst was eine blaue Rose bewirkt Brüder? "
Schrilles Triumphgebrüll erschütterte die ganze Gurkeninsel.
" Die Goblins sind heute so unruhig,
da gibt es bestimmt schlechtes Wetter. ",
meinte die Fee Male besorgt und blickte in Richtung Goblinsdorf.
" Menschenkind, geh doch schnell zum Brunnen und hol noch etwas Wasser,
Wasserholen ist bei guten Wetter viel leichter als bei Dauerregen. "
" Ja sofort gute Fee. ", sagte Menschenkind müde.
Sie fragte sich nicht zum ersten Mal,
wieso die Fee ihre magischen Kräfte nicht auch für das Wasserholen
und die Küchenarbeit verwendete.
Manchmal hatte das Mädchen den Verdacht,
dass es mit der Zauberkraft der Fee nicht so weit her war,
wie alle Bewohner der Gurkeninsel glaubten.

Diesmal wurde das Wasserholen besonders unangenehm,
denn neben den Brunnen hockte ein Goblin.
Nicht irgendein Goblin, sondern Bruder Langzahn persönlich,
der Bürgermeister der Goblin.
Menschenkind hatte ein bisschen Angst vor Bruder Langzahn,
denn er war fast so groß wie sie, der größte Goblin auf der ganzen Insel.
Der Goblin versuchte freundlich zu grinsen, was bei einem Goblin ziemlich Furcht erregend aussieht.
" Habt keine Angst braves Kind. ", zischte der Goblin sanft.
" Ich habe keine Angst. ", sagte Menschenkind stolz.
" Du weißt doch, ich stehe unter dem Schutz von Male. "
" Natürlich, ich weiß. " ,zischte der Goblin.
" Deswegen bin ich hier, ich bin ja so traurig,
weil ich der guten Fee in den letzten Wochen so viele Schwierigkeiten gemacht habe. "
" Vergiss nicht den Schiffbrüchigen, den du gefressen hast. "
Bruder Langzahn winke ab.
" Ja, der arme Schiffbrüchige, aber das war ein Bullemann,
und hat auch überhaupt nicht richtig geschmeckt. "
" Aber es war doch ein Mensch. "
Bruder Langzahn nickte.
" Jetzt will ich alles wieder gut machen. Hier ist mein Geschenk für die gute Fee,
vom traurigen lieben Goblin. "
Mit diesen Worten überreichte er Menschenkind die blaue Rose, deren Blüte geschlossen war
“ Es liegt ein Zauber auf dieser Rose. " zischte der Goblin.
" Sie wird sich öffnen, so bald du sie der lieben Male überreicht, ein Geschenk der Versöhnung. "
" Das ist aber nett von dir. ", meinte Menschenkind erstaunt.
Sie war noch nie einem netten Goblin begegnet.
" Soll ich dir den schweren Eimer tragen? " fragte Bruder Langzahn.
Ohne auf die Antwort zu warten, ergriff er den Eimer und trug ihn blitzschnell zum Schlosstor.
Das Betreten des Schlosses war allen Goblins verboten.
" Und schöne Grüße an die liebe Fee! ", rief der Goblin Menschenkind nach,
als sie mit dem Einer ins Schloss ging.
" Werde ich ausrichten. ", rief das Mädchen zurück.

Mit dem Eimer in der Hand stieg Menschenkind die Treppe hinauf und schüttete das Wasser in die Vorratswahne der Fee.
Male saß gerade vor ihrem Fernrohr und beobachtete Goblinsdorf.
" Irgendetwas stimmt nicht. ", vermutete die Fee besorgt.
" Die Goblins sind ganz außer Rand und Band. "
" Ich weiß auch nicht. ", sagte Menschenkind verwirrt.
" Ebene hockte Bruder Langzahn am Brunnen,
er hat mir sogar den Eimer bis vor das Tor getragen und mir etwas für dich geschenkt. "
" Du hast das Geschenk doch nicht angenommen? "
" Doch, er war diesmal so lieb, da wollte ich ihn nicht beleidigen. ",
verteidigte sich Menschenkind. " Aber ich habe es heimlich zurückgegeben. Als er nach dem Eimer griff,
steckte ich die Rose hinter sein rechtes Ohr. "
" Was für eine Rose? ", fragte Male.
" Oh eine komische blaue Rose. "
Die Fee wurde bleich.
" Die Rose des Vergessens. ", sagte sie erschrocken.
Triumphierend lief Bruder Langzahn zurück nach Goblinsdorf.
" Sieg! "kreischte er wild.
" Diesmal haben wir es geschafft, die Alte ist erledigt! "
Die vierzehn Dorfrate von Goblinsdorf brachen in schrilles Geheul aus.
Nur Bruder Giftblick trottete mit gesenkten Haupt davon.
Er hasste Bruder Langzahn schon sehr lange und hätte gern dessen Posten als Bürgermeister gehabt,
aber daran war nach diesem Erfolg natürlich nicht mehr zu denken.
" Als erstes werden wir das Schloss der Alten stürmen
und sie mit ihren Ziehkind zusammen in Stücke schneiden. ", plante Bruder Langazahn.
" Aber ordentlich würzen, bevor wir sie braten. " erinnerte einer der Dorfräte.
" He, was ist denn das? " fragte einer der Goblins seinen Bürgermeister.
" Was meinst du? ",knurrte Bruder Langzahn, der seine Siegesfeier gestört sah.
" Na, hinter deinem Ohr. " sagte der Dorfrat.
Bürgermeister Langzahn griff natürlich zuerst an sein linkes und dann an sein rechtes Ohr.
" Oh nein. " flüsterte er noch, als er die blaue Rose in seiner Hand sah.
Wie der Zauber gesprochen war, so wirkte er nun auch.
Die Rose öffnete sich und der Duft des Vergessens kam über die Goblins.
" Oh jetzt ist es aber still. " meinte Menschenkind als der Lärm aus Goblinsdorf plötzlich verstummte.
" Bruder Langzahn und sein Dorfrat haben endlich Ruhe und Frieden gefunden. ",sagte die Fee.
" Dann hat die blaue Rose ja doch einem guten Zweck gedient. ", meinte Menschenkind
und beschäftigte sich weiter mit dem Zauberbruch, welches die Fee Male ihr gegeben hatte.
ENDE

Würfelwelt 35

Spieglein, Spieglein, an der Wand
Prinzessin Nordwind 1
( Die Ebene der Sechs Türme)
von Uwe Vitz
Während ein besonders strenger Winter über Burland herrschte,
musste Königin Edith wieder einen Staatsbesuch in Moria machen,
denn das Verhältnis der beiden Königreiche war wieder einmal mehr als gespannt.
An der Grenze hatte es einige böse Gemetzel zwischen zwei seit Jahrhunderten verfeindeten Ritterfamilien gegeben,
und da die eine Sippe diesseits und die andere jenseits der Grenze lebte,
versuchten ehrgeizige Adelige auf beiden Seiten, den Vorfall als Vorwand für einen neuen Krieg zu nehmen.
Dabei wartete man jenseits des Bitteren Meeres, in Thula nur auf eine solche Gelegenheit, um über die südlichen Nachbarn herzufallen.
Aber zum Glück war Edith von Burland die Schwester von König Gandru von Moria.
Gandru mochte ein finsterer Bösewicht sein, aber seine Schwester liebte und fürchtete er,
und so war es Edith mehrfach gelungen beiden Völkern Kriege zu ersparen.

Der Königliche Schlitten wurde von zwei riesigen Burlandwölfen gezogen
und war mit einem kutschenartigen Aufbau ausgerüstet.
Normale Kutschen mit Rädern konnten um diese Jahreszeit den Pfad nach Moria nicht befahren.
Als Schutz für die Königin ritten sechs Ritter neben dem Schlitten her.
Der Nordwind pfiff ihnen ordentlich um die Ohren und die Kälte kroch ihnen allen in die Knochen.
Aber während die Ritter einfach nur froren,
blickte Königin Edith nachdenklich in die Nacht.
Das Heulen des Nordwindes ließ sie nicht frösteln, sondern ehrfürchtig staunen.
" Ach hätte ich doch ein Kind. " seufzte sie.
“So wild wie der Nordwind, so schön wie der Schnee, so stolz wie die Nacht. "
Am Ende der Reise gelang es Königin Edith wieder einmal,
einen Krieg zu verhindern und einige Tage später erfuhr sie, dass sie schwanger war.
" Meisterlein, Meisterlein, an der Wand, bald bist der Mächtigste im ganzen Land. "
Die rothaarige Frau kniete demütig vor dem dunklen Spiegel, aus dem jetzt ihre eigene Stimme klang.
" Frau Gräfin, habt Ihr Haare von der Königin gewonnen, wie wir es Euch rieten, besonnen? "
" Ja Meister. ", sagte die Gräfin.
Die rothaarige Frau wich vor dem Zauberspiegel zurück
und zog einen roten Samtvorhang vor das Spiegelglas.
Sie seufzte, denn es war anstrengend, zugleich einen Gräfin und eine heimliche Hexe zu sein.
Aber noch hatte sie nicht alles vollbracht.
Die Gräfin öffnete vorsichtig einen Schrank
und holte ein kleines Kästchen heraus.
Aus ihrem Kleid zog sie einen Schlüssel und öffnete das Kästchen vorsichtig.
Ein winzig kleines schwarzes Wesen lag in einem Bettchen und blinzelte träge zu ihr herauf.
Die Gräfin ergriff eine Pinzette, packte die Haarsträhne und reichte sie herab zu der Kreatur.
" Pestmännchen klein, bringe zu der Person mit diesem Haar den Tod fein. "
Kaum hatte das eben noch so träge Wesen die kleine Haarsträhne berührt, da jagte es mit unglaublichem Tempo davon.

Die Königin erkrankte an der Pest und starb.
Die Ärzte sprachen von einem Pestmännchen, dass man einfangen musste, um die Königin zu retten,
doch so etwas schaffte niemand.
König Gerhard trauerte ein Jahr lang ehrlich.
Aber er hatte nur eine Tochter und als König in Burland benötigte man nun einmal einen Sohn.
So musste er wieder heiraten und alle Fürstentöchter des Königreiches und einige
Prinzessinnen aus Nachbarländern wurden ihm vorgeführt. Doch keine konnte sein Herz gewinnen.
Eines Tages besuchte ihn die Gräfin Lydia von Grausumpf.
Sie war eine Schönheit mit ihren langen roten Haar, den blauen Augen und den roten Lippen.
Aber seit dem Tod ihres Mannes, des brutalen Grafen Herbert von Grausumpf,
rankten sich Gerüchte von Hexerei um sie.
Die Gräfin verlangte eine Privataudienz wegen der zunehmenden Streitereien mit Moria.
Seit dem Tod seiner Schwester entwickelte König Gandru einen beängstigenden Hass auf Burland,
und das Volk von Moria schien die Gefühle seines Königs zu teilen.
An der Grenze wurde es immer unsicherer, es gab jetzt häufiger blutige Gemetzel.
König Gandru begann, ein starkes Heer aufzustellen,
und es gab Gerüchte über einen Feldzug gegen Burland.
Doch in seiner Verzweifelung und Trauer hatte Gerhard diese Probleme einfach verdrängt.
Während er mit der Gräfin sprach, trank er reichlich Wein, wie so häufig.
Er ahnte nichts von dem bestochenen Diener, der einen bestimmten Zaubertrank in den Wein mischte.
Gräfin Lydia war eine sehr erfahrene Frau und in dieser Nacht lernte König Gerhard die Liebe wieder neu.
Ein weiteres Jahr verging, dann hatte Burland eine neue Königin.
" Dieser Bastard! " brüllte Gandru außer sich vor Zorn.
Er hat einer Hexe den Platz meiner Schwester geschenkt.
So ist das Andenken von Königin Edith entehrt, sie war eine Heilige, und er heiratet eine Hexe! "
" Das ist der Beweis. " behauptete einer der Grafen.
" Um einer Hexe willen hat König Gerhard Eure Schwester ermordet. "
" Rache! ", rief das Volk von Moria..
" Krieg! " riefen die Adeligen von Moria.
" Heiliger Krieg! "riefen die Priester von Moria.
" Tod! ",rief König Gandru. " Tod dem Mörderkönig Gerhardt. "
Obwohl der Winter schon nahte, stürmte König Gandru an der Spitze seiner Truppen über den Grauen Pfad nach Burland.
Die ersten Dörfer, die sie erreichten, wurden niedergebrannt und die gesamte Bevölkerung erschlagen,
auch Frauen und Kinder.
König Gerhardt blieb kleine andere Wahl, er musste seinem Hass erfüllten Feind entgegen ziehen.
In der Nacht nahm Gerhardt Abschied von Lydia.
Er weinte und war wie ein kleines Kind, weil er sich nicht von ihr trennen mochte,
aber am Morgen war er wieder der stolze König von Burland.
Und Lydia?
Es wird behauptet auch sie hätte eine Träne vergossen, denn auf eine seltsame Art liebte sie Gerhardt ebenfalls.
Wer weiß?
Aber der unerbittliche Morgen kam.
Der Bischof von Burland segnete Gerhardts Schwert,
so wie der der Bischof von Moria Gandrus Schwert gesegnet hatte.

Das Burländische Heer zog mit König Gerhardt ab der Spitze in den Norden und bei Schloss Grausumpf
kam es zum Treffen zwischen den beiden Königen.
Um den Krieg zu beenden bat Gerhardt Gandru um ein Treffen zwischen den beiden Heeren,
Gandru willigte sofort ein.
In ihren Rüstungen und mit blanken Schwert in der Hand saßen sich die beiden Könige auf ihren Schlachtrössern gegenüber.

" Gandru beende diesen Wahnsinn ehe es zu spät ist. " flehte Gerhardt.
" Du vernichtest uns beide. "
" Gerhardt gib mit meine Schwester zurück. ",verlangte Gandru unerbittlich.
" Das kann ich nicht. "
" Gut. Aber ich hörte, meine Schwester starb durch ein Pestmännchen.
In deiner Königsburg lebt eine Hexe namens Lydia. Verbrenne sie und ich bin mit der Rache zufrieden. "
" Das kann ich nicht. "
Gandru lachte verzweifelt.
" Dann begreife, dass du uns beide vernichtet hast, nicht ich. "
Mit diesen Worten stürmte er vor.
Gerhardt konnte den Schwertstreich seines ehemaligen Schwagers gerade noch parieren.
Ihre Klingen prallten mit einem lauten Klirren zusammen.
Über die gekreuzten Schwerter hinweg starrten die beiden einander an,
und zwei Heere stürmten los um den Königen nach zu eifern.
In der Schlacht von Grausumpf wurden eintausend Soldaten
und zwei Könige erschlagen,
wie man einige Tage später feststellte
" Meisterlein, Meisterlein an der Wand, heute bist du der Mächtigste im ganzen Land. "
" Frau Königin, in Burland sind wir heute stark,
aber was wird morgen sein?
Des Königs Töchterlein macht uns Sorgen. "
" Nordwind ist noch kein Jahr alt, sie ist keine Gefahr für Euch. ", sagte Königin Lydia.
" Frau Königin, was eine Gefahr ist und was nicht,
entscheiden wir, nicht ihr. "
Die Stimme klang kalt wie immer.
Doch glaubte Lydia eine Drohung heraus hören zu können.

Wieder einmal bereute sie es, sich mit dem Zauberspiegel eingelassen zu haben.
Wer einmal im Bann dieser Macht stand,
für den gab es kein zurück mehr.
Hatte der Spiegel ihr nicht gegeben,
was er versprochen hatte?
Macht, Schönheit und Reichtum besaß sie.
Trotzdem schauderte Lydia,
denn es war ihr eigenes Spiegelbild welches mit ihrer eigenen Stimme,
jedoch mit unmenschlicher Kälte,
zu ihr sprach.
Dies machte alles noch viel unheimlicher.
Sie wusste, dass sie im Grunde genommen Schuld an dem Krieg zwischen Burland und Moria war.
So war sie fest entschlossen, nicht noch mehr Schuld wegen des Spiegels auf sich zu laden. Sie trat zurück und zog wortlos den roten Vorhang vor den Spiegel.
Sie wandte sich ab und ging zur Tür, da hörte sie wie der Vorhang wieder aufgezogen wurde.
Langsam drehte sich Lydia um und sah wie ihr eigenes Spiegelbild ihr zulächelte.
Ihr Spiegelbild welches aus den Spiegel heraus griff und absichtlich langsam den Vorhang aufzog.
Lydia schaffte es irgendwie einen Entsetzensschrei zu unterdrücken, ihr eigenes lächelndes Gesicht sprach:
" Frau Königin, weil wir existieren müssen auch noch morgen,
macht des Königs Töchterlein uns Sorgen. "
" Was willst du? ",fragte Königin Lydia mit bebender Stimme.
" Frau Königin, bringt uns Nordwinds blutiges Herz,
damit sie uns nicht später zufügt schweren Schmerz. "
" Und wenn ich mich weigere? "
" Frau Königin zwingt uns nicht Euch zu strafen,
es wäre schade,
denn unser Zorn kennt keine Gnade. "
" Du bist ein Ungeheuer. ", sagte Königin Lydia.
" Frau Königin, Ihr sprecht wahr,
aber es nutzt Euch nichts. Denn wir sind Euer Lebenslicht vergesst dies nicht. "
Wütend zog Lydia den Vorhang wieder vor das Spiegelglas und stürmte aus dem geheimen Raum.

Königin Lydia stand mit dem Schwert in der Hand vor dem Bettchen Nordwinds.
Sie schloss die Augen und hob das Schwert zum Schlag.
Aber sie konnte es nicht tun.
Sie dachte an Königin Edith, König Gerhardt und viele andere Unschuldige,
die sie nicht einmal kannte.

Als Lydie die besonderen Fähigkeiten des Spiegels entdeckt hatte,
war es zuerst nur ein Spiel gewesen. Sie stammte eigentlich aus Goria.
Dort war sie als Tochter eines kleinen Häuptlings aufgewachsen,
der ihr eines Tages den Spiegel schenkte, den er in einer Ruine gefunden hatte.
Dann hatte man sie mit den Grafen Herbert von Grausumpf verheiratet.
Er war war ein brutaler Despot,der sie täglich vergewaltigte.
Damals sprach der Spiegel zum ersten Mal mit ihr.
Er bot ihr seine Hilfe an, wenn sie ihn als Meister anerkenne
und seinen Geboten gehorche.
Dabei wies er darauf hin, dass ein solcher Pakt für ewig gelten würde.
Sie musste nur ihre Hand ausstrecken und die Hand ihres Spiegelbildes berühren,
als es geschah, glaubte sie, eiskalte Haut zu fühlen und ihr Spiegelbild lächelte sie an,
obwohl sie selbst keine Miene verzog.
Der Spiegel verriet ihr ein einfach herzustellendes,
aber sehr wirksames Gift und so starb Graf Herbert.
Aber der Spiegel gab weitere Befehle.
Er machte sie mächtiger und reicher, es schien ihr,
dass ihre Schönheit immer mehr aufblühte und überirdisch wurde.
Doch auch die Schuld wuchs.
Sie verursachte Tod und Verderben in einem Ausmaß, dass ihr vor sich selbst graute.
Voller Schrecken erkannte Lydia,
dass der Tod dieses Kindes auch ihr eigener Tod sein würde.
Der Spiegel würde immer größere Gräueltaten von ihr verlangen.
" Wir sind Euer Lebenslicht „ hatte der Spiegel gesagt.
Lydia begriff nicht genau, was der Spiegel meinte,
aber sie ahnte, dass sie schon zu sehr mit ihm verbunden war,
um seinem Willen zu trotzen.
Doch wenn es ihr gelang den Spiegel zu überlisten,
würde dieser vielleicht freiwillig den Pakt lösen und auf ihre weiteren Dienste verzichten.
Sie rief eine Hebamme, die für ihre Treue bekannt war und befahl ihr Nordwind an einen Ort zu bringen,
wo niemand Gerhards Tochter vermuten würde.
Anschließend befahl sie einem Jäger, ihr das Herz eines Rehs zu bringen.
„ Meisterlein, Meisterlein an der Wand,
heute bist du der Mächtigste im ganzen Land. "
Sie verneigte sich scheinbar demütig vor dem Spiegel und hob das blutige Herz empor.
„ Frau Königin, Ihr habt uns betrogen, deshalb sind wir Euch nicht mehr gewogen.
Ihr entgeht jedoch dem Tod, denn wir bereiten Euch größere Not. "
Eine eiskalte Hand griff aus dem Spiegel heraus und packte Lydia am Handgelenk,
die Königin schrie gellend auf,
während ihr Spiegelbild zufrieden lächelte.
Dann zog das Spiegelbild Lydia mit einem einzigen Ruck in den Spiegel und
trat selber heraus ins Freie. Burland hatte wieder eine neue Königin bekommen,
aber niemand würde es erfahren. Ihr Spiegelbild schien merkwürdig verzerrt,
so als würde es unter großen Schmerz und Grauen leiden.
Die neue Königin schob lächelnd den roten Vorhang vor das Spiegelglas.
Sie würde den Spiegel nicht mehr befragen.
ENDE

Würfelwelt 34

Der Besucher
v. Uwe Vitz
( Die Ebene der sechs Türme)
Dr. Philuppus betrat die Universität von Abgrundia, ohne von der Sensation zu wissen.
„ Oh geehrter Lehrer.“ begrüßte ihn, einer seiner Schüler.
„ Habt Ihr auch schon von der Sensation gehört? „
„ Welche Sensation? Hast du dich ausnahmsweise einmal auf den Unterricht vorbereitet, Sixtus? „
„ Scherzt heute nicht. „, sagte Sixstus ernst.
„ Bei den Spiegeln hat man jemanden gefunden. „
„ Einen Landstreicher? „, fragte Philuppus müde.
„ Einen Besucher! Einen Besucher von der anderen Ebene. „

“ Aber man kann doch die Kanten zwischen den Ebenen unserer Welt nicht überwinden.
Wer es versucht, wurde bisher in den Weltraum gesaugt. Wie ist er hergekommen? „
“ Mit so einer Art Raumschiff! „ , berichtete Sixtus begeistert.
Zuerst wollte Philuppus es nicht glauben, aber auch keiner der übrigen Lehrer und Schüler sprach von etwas anderen.
Schließlich machten sich alle zusammen auf den weg zu den Spiegelmeistern,
in deren Hauptquartier der Besucher vorübergehend untergebracht war.
Es war beeindruckend dieses riesige Haus,
an dessen Rückseite die gigantischen Spiegel angebracht waren.
Mit gewaltigen Stangen wurden andere, ebenso große Spiegel über die Kante der Welt gehalten,
dass sich in den Spiegeln an dem Gebäude seltsame Bilder, von der anderen Ebene spiegelten.
Ein seltsames Flimmern lag in der Luft, und da hinter die ewige Finsternis des Weltalls.
So nah wie hier kam man dem Rand der Ebene sonst nirgendwo.
Philuppus hatte den Gedanken nur einige Schritte vom Weltraum zu stehen,
immer als genauso faszinierend empfunden, wie die Bilder in den Spiegeln.
Heute waren es fast tausend Personen, die sich vor dem riesigen Gebäude drängelten, und Angestellte der Spiegelmeister versuchten, die Leute zurückzuhalten.
Immer wieder wurde an die Vernunft der Leute appelliert und versprochen,
dass jeder den Besucher sehen könnte.

Schließlich erschien Mirutus, der oberste Spiegelmeister, auf dem Balkon
und gebot Ruhe.
Er führte einen jungen Mann an der Hand heraus auf den Balkon.
Der dunkelhaariger schmale Junge trug einen seltsamen silbernen Anzug
und sah ein bißchen bleich, um die Nase aus.
“ Er spricht natürlich kein Wort Westanisch. „ berichtete Mirutus.
“ Trotzdem kann kein Zweifel besehen, dass er von der nächsten Ebene stammt.
Wir Spiegelmeister haben durch jahrelanges Beobachten der anderen Ebene
offenbar das Interesse der Bewohner für unsere Ebene geweckt.
Heute können wir endlich den ersten Besucher begrüßen.
Wenn wir erst das Sprachproblem gelöst haben, wird er uns viele neue Erkenntnis vermitteln.
Dies ist der Lohn von über dreißig Jahren intensiver Arbeit und ständigen Beobachten der anderen Ebene.
Alles was durch diesen Kontakt für unsere Ebene und deren Völker gewonnen wird,
ist uns Spiegelmeister zu verdanken, dies darf niemals vergessen werden! Des Weiteren..“
Philuppus hörte nicht mehr weiter zu,
den Rest von Mirutus Geschwafel konnte er sich denken,
er kannte den alten Mirutus ja schon lange genug.
Was ihn mehr beschäftigte, war der Sechsberger Goldzahn Gläubigersohn,
Geschäftsführer der Sechsberger in Abgrundia, der sich den Bauch vor Lachen hielt.
Der Zwerg stand eine Reihe vor Philuppus und zwei andere Zwerge mussten ihren Geschäftführer unter die Arme greifen, sonst wäre er vor Lachen zu Boden gefallen.
Auch diese Sechsberger kicherten die ganze Zeit,
und die missbilligen Blicke all der Doktoren und sonstigen Gelehrten
schien sie gar nur noch mehr zu erheitern.
Als sie schließlich gingen, noch immer schallend lachend, schloss sich Philuppus ihnen an.
Er hatte die beunruhigende Erfahrung gemacht,
dass es immer besser war die Sechsberger besonders im Auge zu behalten,
wenn sie fröhlich wurden.
“Auf ein Wort Herr Gläubigersohn. „ sprach Philuppus den Zwergengeschäftsführer vor dessen Büro an.
“Ja, wie viel ist Euch denn ein Wort von mir wert? „ fragte der Sechsberger grinsend.
“ Das kommt darauf an. Was findet Ihr an unserem Besucher denn so lustig? „
Sofort bekam der Zwerg wieder einen Lachkrampf,
und auch die anderen anwesenden Sechsberger lachten sich ins Fäustchen.
“ Bitte hört auf. „, flehte Goldzahn Gläubigersohn schließlich.
“ Ich lache mich sonst noch tot. Habt Ihr etwa nicht das angebliche Raumschiff gesehen? „
„ Nein wieso? „
„ Ein Fass mit Rädern, damit soll er irgendwie über die Kante gerollt sein. „
Der Zwergengeschäftsführer schüttelte den Kopf.
“ Schade, dass ich nicht auf die Idee gekommen bin, diese klugen aromianischen Gelehrten
sind so herrlich leicht zu foppen Wenn ich nur den silbernen Anzug von dem Jungen sehe!
Man hat doch schon Personen von der anderen Ebene im Spiegel gesehen,
Seefahrer oder Bewohner dieser komischen Insel, wie nennt Ihr sie noch? „
“ Andere Ebeneinsel. „ half Philuppus dem ungebildeten Zwerg aus.
„ Ja, ja die Andere Ebeneinsel. „ , sagte der Sechsberger grinsend ,„ man hat sie zwar immer nur aus weiter Ferne Schiffe und Bewegungen auf der Insel gesehen, aber solche silberne Anzuge wären schon früher aufgefallen. „
“ Er ist eben ein Raumfahrer „ erwiderte Philuppus .
„ Sicher „ stimmte der Sechsberger grinsend zu.
" Aber wenn er von der anderen Ebene stammt, woher hat er dann einen Anzug aus Hykno? „
„ Wieso aus Hykno? „ fragte Philuppus.
„ Na solche Klamotten tragen doch die ` Meister des Drachentores´
im Kaiserreich von Hykno – ich kenne übrigens ihren Schneider. „
“ Oh nein „ seufzte Phillupus.
“Doch, doch der Geschäftsführer der dortigen Sechsberger, Schlitzauge Langzopfsohn ist ein alter Freund von mir. „
„ Ich werde Senator Claudius schreiben,
das wird der endgültige Triumph der Wissenschaft gegenüber den Imperialisten im Senat,
die den Sinn einer Stadt wie Abgrundia bezweifeln. „
“ Kann ich vorher noch einmal mit dem Besucher sprechen? „ , fragte Philuppus seinen alten Freund.
“ Wozu, der arme Junge hatte heute schon genug Aufregung. „ sagte der Spiegelmeister.
“ Bitte, du kennst mich, es ist wirklich wichtig. „
„ Na gut. „, sagte Mirutus besorgt. „ Aber nur ganz kurz. „
Er führte Philuppus in ein Gästezimmer der Spiegelmeister.
Auf dem Bett lag der Jüngling in den fremdartigen silbernen Anzug.
Philupps trat an den Schlafenden, packte ihn am silbernen Kragen und blickte hinein
. „ Tatsächlich, das Sechsbergezeichen. „ , stöhnte er.
„ Was soll das heißen? „ , fragte Mirutus verwirrt.
“ Das dein Besucher ein Betrüger ist „ , erwiderte Philuppus.

In diesem Augenblick erwachte der Besucher, erschrocken hörte er die Worte und fuhr auf.
.“Es ist nicht meine Schuld. „ versicherte er eilig.
“Ich wurde zu diesem Schwindel gezwungen. „
“ Von wem gezwungen? „, fragte Philuppus drohend.
„ Senator Claudius, ich bin sein Sklave gewesen, und er drohte, mich an die Thulaner zu verkaufen. „
“ Wozu, was bezweckt der Senator mit dieser Täuschung? „, fragte Miuruts.
„ Wenn er hier eintrifft, wird er mich ganz nebenbei als Betrüger entlarven,
ganz Aromia wird dann über die `verblödeten Eierköpfe´ lachen.
Der Senator plant, den Kaiser dazu zu bewegen, kein Geld mehr in die Forschungen in Abgrundia zu stecken,
sondern stattdessen eine große Flotte zu bauen. „
“ Wahrscheinlich, um die Nachbarländer zu erobern. „, vermutete Philuppus düster.
„ Ja, aber später, erst will er seine Gegner im Senat mundtot machen. „ , berichtete der Besucher.
„ Du kennst seine Pläne ja sehr genau. „ , bemerkte Philuppus.
„ Ein Leibsklave kennt seinen Herrn. „, lautete die Antwort.
„ Eine Katastrophe. „, stöhnte Mirutus. „ Das ist mein Ende. „
„ Aber wieso denn? „ , fragte Philuppus.
„ Der Senator wird mich und alle Gelehrten von Abgrundia zum Gespött der ganzen Ebene machen. „
„ Wird er nicht. „, versprach Philuppus.
„ Denn jetzt haben wir alle Trümpfe in diesem Spiel. „
„ So haben wir diese Lüge verbreitet,
um der aromianischen Bevölkerung ein mahnendes Beispiel zu geben,
wie leicht sich die Massen doch irreführen lassen. „ erklärte Spiegelmeister Mirutus.
„ Wahrhaftig erschreckend. „, stimmte Senator Claudius zu,
der dem Spiegelmeister gegenübersaß.
„ Und ich persönlich bin Euch sehr dankbar für dese Demonstration.
Der junge Schauspieler, der den Besucher spielte –Wisst ihr zufällig was aus ihm geworden ist?
Ich würde ihn gerne fördern. „
„ Bedauerlicherweise ist er gestern schon abgereist. „ , erzählte Mirutus traurig.
„ Er hatte dringende Geschäfte in Akonos zu erledigen. „
„ Sehr schade. „, sagte der Senator.
„ Wie erstaunlich, dass er kurz vor meiner Ankunft abreisen musste. „
„ Aber ist es nicht auch erstaunlich, dass Ihr zufällig gerade jetzt hier vorbeischauen wolltet,
ohne von dem Besucher zu wissen? „ , fragte der Spiegelmeister sanft.
„ Wir leben eben auf einer erstaunlichen Ebene. „, antwortete der Senator.
Vor dem Hauptquartier der Spiegelmeister, bei den riesigen Spiegeln,
in denen sich seltsame Bilder von der nächsten Ebene spiegelen,
standen zwei Gestalten und blickten zum Rand der Ebene,
der nur wenige Schritte entfernt war,
der geehrte Gelehrte Dr. Philuppus und der
bekannte Geschäftsführer der Sechsberger, Goldzahn Gläubigersohn.
„ Seltsam, dass so ein kluger Kopf wie Ihr,
auf das Gerede eines so dummen Zwerges, wie mir gehört habt. „ , sagte Goldzahn nachdenklich.
„ Und seltsam, dass ein so geschäftstüchtiger Sechsberger wie Ihr, sich die Zeit nimmt,
einen Betrüger, der die Bewohner Abgrundias bloßstellen soll, zu entlarven. „ , antwortete der amorianische Gelehrte.
„ Man könnte fast meinen, Euch liegt etwas an Abgrundia und seinen Bewohnern. „
„ Sie sind so wunderbar leicht zu foppen. „ , seufzte der Sechsberger.
„ Aber wer weiß, vielleicht gelingt es uns, eines Tages Kontakt
zu der anderen Ebene herzustellen, dann werden wir wirklich Besucher haben. „ meinte Philuppus.
Der Sechsberger grinste nur.
Ende

Würfelwelt 33

Uwe Vitz
Inselteufel an Bord
( Die Ebene der Sechs Türme)

„ Das waren noch Zeiten. "
Cornelius, ein Seemann der in einem Gefecht mit den Pylaristern ein Bein verloren hatte,
verdrehte vor Sehnsucht die Augen.
" Wir befuhren die ganze Südsee.
Die herrlichen Inseln dort- ihr könnt euch nicht vorstellen wie schön die Südsee ist! „

„ Ach was. „ brummte Bachos, der Wirt.
„ Ich war schon als Urlauber auf der Bananeninsel im Süßen Meer, das reicht mir, da treiben sich wenigstens keine Seeräuber herum. „
„ Na ja, die Seeräuber. „ sagte Cornelius. „ ob es nun die Pylarister oder die Schwertländer sind, mit denen wird unsereins rasch fertig. „
“ Und dein Bein? „
Cornelius seufzte auf und nahm einen weiteren kräftigen Schluck aus dem Bierkrug
„ Dafür habe ich sechs Pylarister erschlagen. „ ,behauptete er stolz.
„ Ja, ja. „ , stöhnte Bachos, der diese Geschichte schon unendlich oft gehört hatte.

„ Aber es war ein Seegefecht, wie es auf dieser Ebene noch keines gegeben hat. „,
meinte Cornelius verträumt. „ Unser Prinz wollte eine Inselprinzessin freien,
wir fuhren mit fünf Schiffen aus Anataris zu jener Insel.
Der König der Pylarister wollte ebenfalls dieses Mädchen für sich gewinnen,
er näherte sich mit drei Schiffen. Aber die Inselprinzessin entschied sich für unseren Prinzen. Nun, dem Seeräuber passte das nicht,
und er versuchte es mit Gewalt. "
„ Und am Ende sanken alle fünf Schiffe, ihr seid nur mit Ruderbooten heimgekehrt,
von den Pylaristern sank nicht ein einziges. „ bemerkte der Wirt spöttisch.
Cornelius starrte ihn wütend an. „ Sag ein Wort gegen die Flotte von Anataris,
und ich brat dir einen mit meinem Krückstock über. „ knurrte er.
„ Wir hatten eben Pech, unsere Schiffe wurden von den verflixten Hundsköpfen mit Brandpfeilen angegriffen,
nachdem sie es nicht geschaffen hatten, sie zu entern. „
“ Hm „ erwiderte der Wirt, „ und ich habe gehört, ihr hättet eure Schiffe selber in Brand gesteckt,
um den Pylaristern im Rauch zu entkommen. „
“ Alles nur Verleumdung. „ behauptete Cornelius ärgerlich.
„ Außerdem „ triumphierte er „ trotz allem haben wir gewonnen.
Wir haben die Prinzessin mit nach Hause gebracht.
Unser Prinz hat sie geheiratet."
„ Na ja , nach allem was ich über sie gehört habe, bin ich mir gar nicht mehr so sicher,
ob es nicht der größer Sieg gewesen wäre, sie dem Seeräuberkönig zu überlassen. „ sagte Bachos.
Cornelius seufzte tief und schwer. . Cornelius seufzte tief und schwer.
„ Ja, ja, das war ein unheilvolles Abenteuer mit den Pylaristern, fast so schlimm, wie die Sache mit dem Inselteufel. „
„ Inselteufel? „,fragte Bachos
„ Ja, mit dem hatten wir es auch einmal zu tun. „
„ Die Geschichte hast du mir noch nie erzählt, im Gegensatz zu der mit den Pylaristern. Wieso eigentlich nicht? „ „ Ach weißt du. „ , sagte Cornelius.
„ So Wesen wie den Inselteufel erwähnt man besser gar nicht. Da passiert leicht ein Unheil. „
„ Hm, ist die Geschichte gut? „
„ Ist dir eine gute Geschichte Freibier für einen alten Veteranen wert? „
„ Einverstanden. „
„ Dann hör mal zu. Damals hatte die „ Möwe „ den Auftrag von den Bewohnern
der Südseeinseln kostbare Gewürze zu kaufen.
Gleich bei der ersten Insel,
nach nur einen halben Tag Seereise hatten wir unerwartetes Glück:
Der Häuptling dieser Insel wollte uns die gesuchten Gewürze schenken,
wenn wir einen Gast von ihm, mit zurück nach Anataris nähmen.
Natürlich machten wir diesen Handel sofort!
Also brachten uns die Inselbewohner die Gewürze und den Gast.
Es war ein hagerer, dunkelhäutiger Mann, und in seinen Augen lag,
wenn man ihn genau beobachtete, jenes Leuchten, welches den wahren Magier verrät.
Kapitän Arminus begrüßte ihn freundlich,
doch er winkte nur ab.
Zu unserer Überraschung erklärte er,
dass er nun unser aller Herr über Leben und Tod sei.
Wir sollten nicht zurück nach Anataris segeln, sonder ihn von einer Insel zur nächsten bringen,
bis sein Hunger gesättigt sei.
Der Kapitän war noch ganz verdutzt und fragte ihn verwirrt, ob er etwa einen Sonnenstich habe,
da packte ihn der Fremde, öffnete den und schwups hatte der Unhold unseren braven Kapitän
schon mit Haut und Haaren verspeist. „
„ Wie hast du doch eben gesagt, es wäre ein ganz normaler Mann gewesen? „
“ Na ja, sein Mund wuchs dabei und wurde breiter und breiter, wie bei einer großen Schlange,
die einen Ziegenbock herunterwürgt
- so ähnlich würgte die Kreatur unseren Kapitän hinter,
du hättest mal seinen Bauch sehen sollen, als alles vorbei war.
Übrigens er rülpste ganz ordinär.

Natürlich griff ein beherzter Junge nach dem Messer und stieß es dem Kapitänfresser direkt ins Herz.
Aber der Kerl lachte nur höhnisch.
Auch als man ihm den Bauch aufschlitzte kicherte er.
Die Wunden heilten so schnell, dass es direkt schwierig war,
das Messer wieder heraus zu ziehen, während der Menschenfresser lachte,
als ob ihn die Klinge kitzeln würde.
Nachdem wir es aufgegeben hatten, ihn mit Dolchen, Messern, Speeren und Äxten zu bearbeiten,
versuchten wir, ihn über Bord zu werfen, doch es war als er an den Planken unseres Schiffes festgenagelt.
Jetzt grinste er bloß niederträchtig.
` Ihr könnt euch die Mühe sparen, mich kriegt keine Macht dieser Ebene mehr von eurem Schiff herunter.´
Erschöpft gaben wir auf.
Nun erklärte er uns, dass er der berüchtigte Inselteufel sei,
der stets, wenn er auf einer Südseeinsel gelandet sei,
sich solange von den unglücklichen Bewohnern ernährte,
bis irgendein Schiff ihn freiwillig an Bord nähme.
Sei er erst einmal auf den Schiff, dürfe er mit der Besatzung verfahren,
wie er wolle, bis diese ihn zu einer Insel mit einer zufrieden stellenden Besiedlung bringe,
wo er sich wieder solange aufhalten würde, bis ein anderes Schiff ihn wieder freiwillig an Bord nähme.
Bis wir diese Insel erreicht hätten, würde er sich natürlich von Besatzungsmitgliedern ernähren.
Da war guter Rat teuer, noch nie hatte einer von uns von dem Inselteufel gehört.
Zweifellos hatte dieses Wesen schon oft Schiffe benutzt
um von einer Insel zur nächsten zu gelangen,
aber kein Seefahrer hatte an irgendeinen Hafen von ihm erzählt.
Dafür gab es nur eine Erklärung:
Wenn wir eine Insel fänden, die ihm gefiel, würde er sogleich die ganze Besatzung verschlingen,
da er ja keine Zeugen schonen durfte,
die anderen Schiffen von ihm berichten könnten.
Während der Inselteufel seelenruhig in der Kapitänskajüte schlief berieten wir,
wie wir ihn wieder loswerden konnten.
Zum Glück hatte ich schon damals ein helles Köpfchen.
` Da hilft nichts Jungens, wir müssen unsere gute alte Möwe mit Sack und Pack versenken. ´
Gesagt, getan.
Besser im Ruderboot heimkommen als von so einem Inselteufel gefressen zu werden.
Das Schiff schlugen wir leck, setzten uns in die Boote und ruderten davon.
Doch just da musste dieser Inselteufel aufwachen,
offenbar hatte unseren Kapitän flink verdaut und wollte nach der nächsten Mahlzeit schauen.
Als er sah, was gespielt wurde, war er natürlich nicht begeistert.
` Verräterpack, glaubt ihr mir so einfach zu entkommen? ´ brüllte er hasserfüllt.
` Ich werde euch zeigen, wer der Inselteufel ist! ´
Er sprang wie ein riesiger Frosch von dem Schiff
und flog auf das letzte Boot zu,
in dem ausgerechnet ich drin saß.
Ich packte ein Ruder, mit beiden Händen und drosch auf ihn ein,
als er heran flog. Er landete mit einem lauten Platsch im Wasser und versank blubbernd.
Und wir kamen wieder einmal in Ruderbooten heim.
Aber dafür hatten wir die Südsee von dem üblen Inselteufel befreit. „
„ Ist das wirklich wahr? „
“ Freibier? „
ENDE

Die Würfelwelt

Ein Fantasy-Projekt zum Mitmachen

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Würfelwelt 2401
Hallo Leser, Vorerst geht es hier nicht weiter, da...
Uwe Vitz - 5. Feb, 03:54
Würfelwelt 2401
Björns Weg (Erste Ebene vor 301 Jahren) Von Uwe Vitz Epilog So...
Uwe Vitz - 31. Jan, 21:07
Würfelwelt 2401
Björns Weg 16 (Erste Ebene vor 301 Jahren) Von Uwe...
Uwe Vitz - 30. Jan, 20:46
Würfelwelt 2400
Björns Weg 15 (Erste Ebene vor 301 Jahren) Von Uwe...
Uwe Vitz - 29. Jan, 03:52
Würfelwelt 2399
Björns Weg 14 (Erste Ebene vor 301 Jahren) Von Uwe...
Uwe Vitz - 28. Jan, 10:37

Web Counter-Modul

Suche

 

Status

Online seit 6150 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 5. Feb, 03:55

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren